Missbrauch kann nicht nur kirchenintern geklärt werden

Missbrauch
© Jochen Lübke/dpa
Ein Priester hält einen Rosenkranz und ein Schreiben in der Hand. (Symbolbild)
Missbrauch kann nicht nur kirchenintern geklärt werden
Justizministerin Barley hat die Kirchen aufgefordert, Straftaten im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen bei den Staatsanwaltschaften anzuzeigen. Doch bislang gibt es in solchen Fällen keine allgemeine Anzeigepflicht.

Nach der Veröffentlichung des Papst-Dekrets zur Einrichtung interner Meldestellen für Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche dringen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Bundesjustizministerin Katarina Barley (beide SPD) auf eine bessere Zusammenarbeit der Kirchen mit den Strafverfolgungsbehörden. Dass die katholische Kirche das Thema angehe, sei zwar ein guter Schritt, sagte ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums am Freitag in Berlin. Die Frage nach sexuellem Kindesmissbrauch sei aber nichts, "was innerhalb einer Organisation geklärt werden kann".

Angst vor Trauma durch Verfahren

Nach seinen Worten schließt sich Giffey der Forderung von Justizministerin Barley an, die am Donnerstag erklärt hatte, die Kirche müsse jede Straftat anzeigen. Allerdings gibt es bei Verdachtsfällen auf Missbrauch keine strafbewehrte allgemeine Anzeigepflicht wie bei anderen Straftaten. Der Runde Tisch Kindesmissbrauch, der nach den Skandalen in der katholischen Kirche über Konsequenzen beraten hatte, hatte damals empfohlen, dies beizubehalten. Opfer sollten sich nach seiner Auffassung Dritten anvertrauen können, ohne dass ein Strafverfahren eingeleitet wird. Viele Missbrauchsopfer fürchten eine traumatisierende Wirkung der Verfahren.

Ein Sprecher des Justizministeriums erklärte am Freitag, es gebe zwischen dem Ministerium und Betroffenenorganisationen sowie dem Missbrauchsbeauftragten einen engen Austausch über die Frage einer Anzeigepflicht.

In den Leitlinien zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Bereich der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ist bereits festgehalten, dass bei tatsächlichen Anhaltspunkten für den Verdacht auf einen Missbrauchsfall die Information an eine staatliche Strafverfolgungsbehörde weiterzuleiten ist. Ausnahmen davon soll es demnach nur geben, wenn Opfer oder dessen Eltern das ausdrücklich nicht wollen. Auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) sieht in ihren Grundsätzen zum Umgang mit Missbrauch, die seit 2012 bestehen, vor, dass Verdachtsfälle den Strafverfolgungsbehörden zu melden sind.

Papst Franziskus hatte am Donnerstag angeordnet, dass binnen eines Jahres in allen Diözesen weltweit Meldestellen für Missbrauchsfälle eingerichtet werden müssen. Priester und Ordensmitglieder müssen außerdem künftig jeden Verdachtsfall dem zuständigen Bischof oder der jeweiligen zuständigen kirchlichen Instanz melden. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte angekündigt, Auswirkungen des Dekrets auf ihre eigenen Leitlinien, die 2013 entwickelt wurden, zu prüfen.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, lobte die Meldepflicht als "großen Fortschritt". Dass der Schutz der Institution über den Opferschutz gestellt werde, sei zum Glück vorbei, sagte er im ZDF-Morgenmagazin. Auch die katholische Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" begrüßte das Dekret. Derartige Regeln seien lange überfällig, sagte der Sprecher der Laien-Initiative, Christian Weisner, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag). "Wenn das Schreiben direkt am Ende des Anti-Missbrauchsgipfels im Februar veröffentlicht worden wäre, wäre der Erfolg des Gipfels sofort sichtbar geworden", sagte er.