Vielen Menschen mangelt es an finanzieller Bildung. Darauf macht die diesjährige "Aktionswoche Schuldnerberatung" vom 2. bis 6. Juni unter dem Motto "Beste Investitionen - Finanzbildung" aufmerksam. Angesichts einer wachsenden Beratungsnachfrage wird der Vorstoß von Schuldnerberatern begrüßt.
Aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts zufolge gab es im Februar 2025 fast 6.100 Verbraucherinsolvenzen - 4,8 Prozent mehr als im Februar 2024. Die ökumenisch getragene Zentrale Schuldnerberatung Bonn erlebt zugleich einen Boom. "Wir haben eine unglaublich hohe Nachfrage", sagt Einrichtungsleiterin Stefanie Aumüller. 1.300 Klientinnen und Klienten seien 2024 beraten worden: "Mindestens zehn Prozent mehr als vor zehn Jahren." Wobei die reine Klientenzahl nicht repräsentativ sei, da das Team unmöglich noch mehr beraten könnte.
Bedeutsamer ist die Wartezeit. Die beträgt laut der Diakonie-Mitarbeiterin inzwischen ein halbes Jahr: "Vor zehn Jahren waren es höchstens vier Wochen." Finanzbildung sei nötig: "Junge Leute wissen zum Beispiel nicht, welche Kosten beim Einzug in ihre erste Wohnung auf sie zukommen."
Mehr finanzielle Bildung wäre vor allem auch mit Blick auf Zahlungsdienstleister notwendig. Aumüller habe Klienten mit 20 parallelen Ratenzahlungen für Onlinekäufe, berichtet sie: "Teilweise handelt es sich nur um einen Lippenstift, der monatlich mit 1,50 Euro abgezahlt wird." Andere Raten fallen höher aus. Die einzelnen Zahlungen läppern sich.
Angesichts knapper öffentlicher Mittel erscheint es Carsten Homann von der Hochschule Darmstadt nicht sinnvoll, zu viel Geld in finanzielle Bildung zu stecken. Meist erwische man mit Prävention ohnehin nicht die richtige Zielgruppe, sagt der Sozialrechtler, der zu Schuldnerberatung forscht. Wichtig wäre für ihn ein deutlicher Ausbau der Schuldnerberatung. Aktuell gebe es viel zu wenig davon: "Überschuldete müssen bis zu einem Jahr auf Beratung warten, das ist indiskutabel." Der Wissenschaftler plädiert für offene Sprechstunden und bundesweit geltende, bindende Personalschlüssel.
"Viele Beratungsstellen arbeiten am Limit", bestätigt Roman Schlag, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände. Deshalb könne auch kaum jemand finanzielle Bildung anbieten. Der Fachreferent Schuldnerberatung im Caritasverband für das Bistum Aachen wünscht sich einen staatlichen Fördertopf für Bildungsarbeit, gerade in Schulen. Unter Jugendlichen herrsche zum Teil erschreckendes Nichtwissen in Geldfragen. Noch wichtiger als finanzielle Bildung wäre für Schlag aber ein Rechtsanspruch auf kostenlose Schuldnerberatung. Vielerorts würden nur Sozialleistungsempfänger unentgeltlich beraten.
Finanzbildung? Fehlanzeige an Schulen
Manuel Pensé von der Stiftung Resofonds Hessen sieht die bürgerliche Mitte stärker in Schulden abrutschen. "In Zeiten steigender Kosten geraten zunehmend Menschen in Geldschwierigkeiten, die dies nicht für möglich gehalten hätten", sagt er. Die Stiftung informiert Gefangene sowie Sozialdienste in Strafvollzug und Bewährungshilfe über den Umgang mit Überschuldung und unterstützt bei der Schuldenregulierung.
Schulden sind nach Pensés Aussage einer von vielen Gründen, warum Menschen straffällig werden. Vor allem dann, wenn Gläubiger massiven Druck ausübten und die persönliche Lage als völlig aussichtslos empfunden werde, kämen Menschen auf die Idee, sich Leistungen zu erschleichen oder zu betrügen. "Der überwiegende Teil der in Hessen inhaftierten Straffälligen ist relevant verschuldet", erklärt der Mitarbeiter im Hessischen Justizministerium.
Licht ins Dunkel des Finanzwesens zu bringen, hält Sonja Brönner, Referentin Schuldnerberatung beim Diakonischen Werk Rheinland-Westfalen-Lippe, in jeder Altersgruppe für nötig: "Das fängt in der Kita an." Durch Kaufläden bekämen schon Kinder ein Gefühl dafür, dass man nur ausgeben kann, was man hat. Die finanziellen Bildungslücken seien überall in der Bevölkerung groß. Viele Menschen hätten wenig Ahnung vom Vertragswesen. Sie wüssten nicht, wie man mit Inkassounternehmen umgeht. Finanzielle Bildung müsse ein Unterrichtsfach werden, meint auch sie.