Theologe Manfred Lütz: "Gottesbeweise sind wie Liebesbeweise"

Theologe Manfred Lütz: "Gottesbeweise sind wie Liebesbeweise"
Der katholische Theologe und Psychiater Manfred Lütz glaubt an einen Gott, der mit den Menschen mitleidet. "Ich kann aber nur an einen Gott glauben, der den Menschen die Freiheit gegeben hat, auch böse zu handeln", sagte Lütz dem evangelischen Monatsmagazin "chrismon" (Mai-Ausgabe). Ihm begegne Gott sowohl beim Beten als auch in der Begegnung mit Menschen - "auch mit Atheisten", betonte der 65-Jährige.

Der Glaube an Gott sei ähnlich wie die Liebe zu einem Menschen, ist sich Lütz sicher. "Gottesbeweise sind wie Liebesbeweise, sie sind nicht zwingend, aber es sind die wichtigsten Beweise unseres Lebens", sagte der Theologe in einem Doppelinterview mit der Parteivorsitzenden der Linken, Katja Kipping.

Lütz und Kipping diskutierten vor allem über den Glauben und die Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede zwischen Sozialisten und Christen. Die Atheistin Kipping ist nach eigenen Worten stark vom demokratischen Sozialismus geprägt. In ihrer Jugend habe sie angefangen, sowohl die Bibel als auch das Kommunistische Manifest zu lesen. Beides habe sie zwar intellektuell angesprochen. "Aber die Bibel hat nicht zu mir gesprochen, wie mir das gläubige Menschen beschreiben", sagte sie. "Das Kommunistische Manifest hat mich hingegen zum Handeln angespornt."

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Sozialisten und Christen

Mit den Moralvorstellungen der Kirche habe sie ihre Schwierigkeiten, erklärte Kipping. Als Beispiel nannte sie die Enthaltsamkeit vor der Ehe. "Spätestens da bin ich draußen", sagte die 41-Jährige. Auch die Stellung der Frau in der Kirche kritisierte Kipping. Konzerne und die katholische Kirche haben laut der Parteivorsitzenden etwas gemeinsam: "Frauen können viel leisten, werden sogar angebetet, aber kommen nicht in die Führungsebene."

Kipping sieht jedoch nicht nur Unterschiede zwischen Christen und Sozialisten. "Was Sinnstiftung und Motivationsquelle angeht, sind sich Christen und Sozialisten sehr nah", sagte sie. "Bei Ihnen heißt das Nächstenliebe, bei mir ist es die feste Überzeugung, dass die Menschenrechtscharta umgesetzt werden muss", wandte sich Kipping an Lütz. "Aber uns trennt wohl die Veränderungsperspektive." Das bedeute, dass für die Sozialisten die Verbesserung in diesem Leben passieren müsse, erläuterte Kipping. Lütz hielt dagegen: "Das sehen wir ähnlich. Vertröstungschristentum ist ein schlechtes Christentum."