821 Millionen Menschen leiden unter Hunger

Kay Nietfeld/dpa
821 Millionen Menschen leiden unter Hunger
Die Erfolge der weltweiten Hungerbekämpfung seit dem Jahr 2000 sind durch zunehmende Konflikte, Kriege und den Klimawandel gefährdet. Laut dem Welthunger-Index leiden aktuell 44 Millionen Menschen mehr an akutem Hunger als noch vor zwei Jahren.

Die Zahl der Hungernden und Unterernährten weltweit ist auf 821 Millionen Menschen gestiegen. Von ihnen leiden nach Angaben der Deutschen Welthungerhilfe etwa 124 Millionen unter akutem Hunger. Das sei ein markanter Anstieg gegenüber den 80 Millionen akut Hungernden vor zwei Jahren, heißt es in dem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Welthunger-Index 2018 (WHI). Die höchsten Hungerwerte gibt es demnach weiterhin in Afrika südlich der Sahara.

Die Erde kann alle ernähren

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bezeichnete es als Skandal, dass die Zahl der Hungernden seit drei Jahren wieder steige. "Denn unser Planet hat Potenzial, alle Menschen zu ernähren", unterstrich der Minister. Das Wissen und die Technologie für eine Welt ohne Hunger seien vorhanden. Immer häufiger seien aber gewaltsame Konflikte der Grund für Hunger.

Besonders stark sind dem Welthunger-Index zufolge nach wie vor Kinder von Hunger und Unterernährung betroffen: Rund 151 Millionen Kinder weltweit wiesen Wachstumsverzögerungen auf, 51 Millionen Kinder litten unter Auszehrung. Der Trend gehe in die falsche Richtung, sagte der WHI-Experte Klaus von Grebmer. Die weltweiten Index-Werte zur Hungersituation seien zwar im Durchschnitt von 29,9 im Jahr 2000 auf derzeit 20,9 gesunken, sagte von Grebmer. Das entspreche einem Rückgang um 28 Prozent. Auch die Kindersterblichkeit habe sich im gleichen Zeitraum halbiert. Zugleich seien mehr als 68 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele wie nie zuvor.



In 51 der 119 für den Index untersuchten Ländern sind laut dem Bericht die Werte ernst oder sehr ernst und in einem Staat, der Zentralafrikanischen Republik mit einem Wert von 53,7, gravierend. 45 Länder weisen ernste Hungerwerte auf, darunter die Mehrheit der afrikanischen Staaten und Staaten in Südostasien wie Afghanistan, Pakistan, Myanmar, Nordkorea oder Indien.

Als "sehr ernst" wird die Lage in sechs Ländern eingestuft wie dem Tschad, Haiti oder dem Jemen. Für einige Länder lagen nicht alle notwendigen Daten vor, aber sie wiesen wie Burundi, die Demokratische Republik Kongo, Eritrea, Libyen, Somalia, Südsudan und Syrien besorgniserregende Hunger- und Unterernährungssituationen auf. Als Positivbeispiele gelten dagegen Angola, Ruanda, Äthiopien und Myanmar mit Verbesserungen des WHI-Wertes um mehr als 45 Prozent. 

In die Berechnung des Welthunger-Index fließen den Angaben zufolge die vier Indikatoren Unterernährung, Auszehrung bei Kindern, Wachstumsverzögerungen bei Kindern und Kindersterblichkeit ein. Auf einer 100-Punkte-Skala ist 0 (kein Hunger) der beste und 100 der schlechteste Wert. Westeuropa, die USA, Kanada, Australien und Neuseeland werden als reiche Länder nicht in den Index miteinbezogen.

Teufelskreis aus Krieg, Vertreibung, Flucht

Trotz Fortschritten bei der Bekämpfung von Hunger seit der Jahrtausendwende drohten diese durch den Teufelskreis aus Krieg, Vertreibung, Flucht, wegen des Klimawandels und seiner Folgen oder wegen schlechter Regierungsführung wieder verloren zu gehen, kritisierte von Grebmer. Hunger sei sowohl Folge als auch Ursache von Flucht und Vertreibung. In Ländern mit bewaffneten Konflikten sei der Hunger doppelt so hoch wie im Rest der Welt.

Die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, kritisierte, die Ursachen und komplexen Einflussfaktoren von Hunger würden nicht in angemessener Weise von der Politik angegangen. Im Jahr 2015 hätten sich die Länder der Welt auf das Ziel "Zero Hunger bis 2030" verpflichtet. "Doch wenn wir in diesem Tempo weitermachen, verfehlen wir dieses Ziel", betonte Dieckmann.