Laut für die Totgeschwiegenen: Denis Mukwege

Denis Mukwege, Direktor des Panzi-Krankenhauses
Foto: Henrik Montgomery/SCANPIX SWEDEN/dpa
Denis Mukwege, Direktor des Panzi-Krankenhauses in der Demokratischen Republik Kongo, erhält den Friedensnobelpreis 2018.
Laut für die Totgeschwiegenen: Denis Mukwege
Verleihung des Friedensnobelpreises am 10. Dezember in Oslo: Der Arzt hat Tausende schwer vergewaltigte und verstümmelte Frauen operiert. Denis Mukwege erkannte früh, dass sexuelle Gewalt als Kriegswaffe benutzt wird. Im Kongo und anderswo.

In seiner Heimat wird Denis Mukwege "der Mann, der die Frauen repariert" genannt. Der Titel ist als Ehre gemeint. Doch der kongolesische Gynäkologe, der sich seit zwei Jahrzehnten lautstark für die Opfer schlimmster sexueller Gewalt einsetzt, ist mehr als das: Er gibt denjenigen eine Stimme, die aus Angst und Scham lange totgeschwiegen wurden. Dass er deshalb selbst ermordet werden sollte, hat ihn nicht verstummen lassen. Am Freitag wurde dem 63-Jährigen der Friedensnobelpreis zugesprochen.

Der Sadismus der Täter kennt keine Grenzen

Mukwege erkannte bereits in den 90er Jahren, dass die steigende Zahl von schweren Vergewaltigungen während des Bürgerkriegs im Kongo kein Zufall war. "Die verschiedenen Milizen im Kongo nutzen die systematische Zerstörung der Frauen als Kriegsstrategie", betont der Arzt. Sie zerstören die Geschlechtsorgane der Frauen, machen sie unfruchtbar und schwächen so den Gegner. Eine Miliz zwang Frauen, sich zum Abschluss der Gewalt über ein Feuer zu hocken, eine andere goss Chemikalien in die Vagina. Eine dritte schoss den Frauen von unten in den Unterleib. Bis heute kennen die sadistischen Fantasien der Täter keine Grenzen.

Mukwege hat Tausende derart vergewaltigte und verstümmelte Frauen operiert und versucht, aus zerfetztem, eitrigem oder verbranntem Gewebe wieder ein zusammenhängendes Ganzes zu formen. Meist braucht es Jahre, bis diese Versuche an ihr Ende kommen. Zwischen den Eingriffen müssten viele Frauen über Monate pausieren, weil sie sonst eine weitere Operation nicht überstehen würden, erläutert Mukwege, der in seiner Geburtsstadt Bukavu im Ost-Kongo das Panzi-Krankenhaus gegründet und es weltweit zum Leuchtturm für den Kampf für die Opfer sexueller Gewalt gemacht hat.

Den Schwachen eine Stmme geben

Dass Mukwege nie die Hoffnung aufgab, liegt wohl an seinem tief verwurzelten Glauben. Die Kirche müsse für Gerechtigkeit stehen und den Schwachen eine Stimme geben, forderte der Sohn eines baptistischen Pastors 2017 bei der Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Namibia - und rief die Kirchen auf, auch ihren eigenen Umgang mit Frauen zu überdenken, etwa in Fragen der Ordination. Ähnlich kämpferische Reden hält Mukwege längst überall auf der Welt - und macht sich damit nicht nur Freunde.

Nachdem er 2012 die kongolesische Regierung vor den Vereinten Nationen wegen ihrer Rolle im anhaltenden Bürgerkrieg im Osten des Landes kritisiert hatte, stürmten fünf Bewaffnete sein Haus und nahmen zwei seiner Töchter als Geiseln. Ein Schuss verfehlte Mukwege nur knapp, sein Leibwächter wurde erschossen. Die Familie floh vorübergehend nach Belgien, aber bald kehrte Mukwege zurück nach Bukavu. Wenn er nicht reist, operiert er bis heute ein gutes Dutzend Patientinnen am Tag. Geschützt wird er von einem Team aus Freiwilligen, vor allem Frauen.

Gesundheit und Würde wieder herstellen

Als Mukwege vor vier Jahren im Europaparlament der Sacharow-Preis überreicht wurde, betonte er, es gehe nicht nur darum, die Gesundheit der Frauen, sondern auch ihre Würde wieder herzustellen. "Die internationale Gemeinschaft hat Grenzen für chemische, nukleare und biologische Waffen aufgezeigt - wir brauchen auch Grenzen für Vergewaltigung als billige Waffe."

Mukwege ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, für den Friedensnobelpreis war er spätestens seit der Ehrung mit dem Alternativen Nobelpreis 2013 jedes Jahr aufs Neue im Gespräch. Für den Arzt dürfte das Wichtigste sein, dass das unangenehme Thema Kriegsvergewaltigung durch die Ehrung erneut in die Schlagzeilen kommt. Denn nicht nur im Kongo wird Vergewaltigung bis heute als Kriegswaffe eingesetzt.