Flüchtlinge der "Diciotti" an Land gegangen

Flüchtlinge der "Diciotti" an Land gegangen
Zehn Tage nach ihrer Rettung im Mittelmeer dürfen Flüchtlinge auf Sizilien an Land gehen. Gegen den italienischen Innenminister Salvini wird wegen Freiheitsberaubung ermittelt.

Die rund 150 Bootsflüchtlinge, die an Bord eines Schiffes der italienischen Küstenwache im Hafen von Catania auf Sizilien festsaßen, sind in der Nacht zum Sonntag an Land gegangen. Innenminister Matteo Salvini erteilte nach Berichten des italienischen Rundfunks die dafür nötige Genehmigung, nachdem die Staatsanwaltschaft Agrigent Ermittlungen eingeleitet hatte. Der Chef der rechtsnationalen Lega steht im Verdacht, sich durch das Festsetzen der zehn Tage zuvor im südlichen Mittelmeer geretteten Flüchtlinge der Freiheitsberaubung, der unrechtmäßigen Festnahme und des Amtsmissbrauchs schuldig gemacht zu haben.

Flüchtlinge dürfen nicht länger hin und her verschoben werden

Irland und Albanien erklärten sich nach Angaben des italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte bereit, je 20 Flüchtlinge der "Diciotti" aufzunehmen. Die übrigen würden von der katholischen Kirche versorgt. Ursprünglich waren 177 Migranten an Bord des Schiffes, einige von ihnen waren aus Gesundheitsgründen bereits in den Tagen zuvor an Land gelassen worden.

Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, erklärte am Samstag in Genf, Flüchtlinge dürften nicht länger hin und her verschoben werden, während sich Staaten einen Wettbewerb darum lieferten, wer am wenigsten Verantwortung für Schiffbrüchige im Mittelmeer übernehme. Der Beschluss der EU-Staats- und Regierungschefs vom Juni, sich gemeinsam um Bootsflüchtlinge auf europäischem Boden zu kümmern, müsse mittels verbindlicher Abkommen umgesetzt werden. Die derzeitige Politik gefährde Menschenleben, sagte der Italiener Grandi. Seit Jahresbeginn seien schon mehr als 1.600 Menschen im Mittelmeer ertrunken.

Ein europäisches Trauerspiel

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte am Samstag in Berlin, es könne nicht sein, dass jede Woche darüber diskutiert werde, wer welche Flüchtlinge aufnehme. "Es ist ein Trauerspiel, dass wir da in Europa nicht vorwärtskommen", sagte er. In München gingen am Samstag mehrere hundert Menschen auf die Straße, um Solidarität mit den Seenotrettern auf dem Mittelmeer zu bekunden. Aufgerufen zu der Demonstration hatte die Bewegung "Seebrücke".

Der italienische Innenminister Salvini bezeichnete die Ermittlungen gegen seine Person als "Ehrenmedaille". Er dankte den Regierungen von Irland und Albanien für ihre Bereitschaft, einen Teil der Migranten aufzunehmen. Frankreich dagegen solle sich dafür schämen, dass es einer Verteilung nicht zugestimmt habe.

Einwanderung auf null reduzieren

Der italienische Innenminister hatte in den vergangenen Tagen eine Verteilung der "Diciotti"-Flüchtlinge auf andere EU-Staaten zur Bedingung dafür gemacht, diese an Land gehen zu lassen. Die italienische Regierung sei gesprächsbereit. Mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban teile er das Ziel, die EU-Außengrenzen zu schützen und die illegale Einwanderung auf null zu reduzieren, sagte er bei einer Kundgebung in Pinzolo bei Trient.



Die Staatsanwaltschaft Agrigent hatte wegen des Festhaltens der Migranten auf der "Diciotti" zunächst Ermittlungen gegen unbekannt eingeleitet. Nachdem sie den Innenminister als Verdächtigen benannt hat, ist die Abteilung der Staatsanwaltschaft Palermo zuständig, die sich um Vergehen von Regierungsmitgliedern kümmert. Salvini genießt als Minister Immunität. Vor einem möglichen Gerichtsverfahren müsste eine Mehrheit im Parlament diese aufheben.