Wo die Geschichte der Religionen lebendig wird

Im Museumpark Orientalis
Foto: PR
Besucher tauchen in die Zeit ein, in der Christentum, Judentum und Islam entstanden.
Wo die Geschichte der Religionen lebendig wird
Zwischen Dattelpalmen und Feigenbäumen kann man erfahren, wie das Dorf aussah, in dem Jesus gelebt hat. Ob Moschee, Kirche, Synagoge oder Kreuzweg: Im niederländischen Museumpark Orientalis verschmelzen die unterschiedlichen Religionen zu einem wahren Erlebnis.

Der Weg zu den kleinen Lehmhäuschen mit den flachen Strohdächern führt durch hoch gewachsene Libanon-Zedern über einen unebenen, holprigen Kiesweg. Diese Hütten könnten auch Tausende Kilometer entfernt im Nahen Osten stehen. Tatsächlich liegt der Museumpark Orientalis nur rund fünf Kilometer südöstlich vom Zentrum Nimwegens in den Niederlanden entfernt.

Die für niederländische Verhältnisse hügelige Landschaft war für die Gründer des Parks 1911 eine Inspiration. "Natürlich war es für viele Menschen damals sehr schwierig in den Nahen Osten zu fahren. Deshalb haben sich die Gründer gedacht: "Wir holen das Heilige Land in die Region Nimwegen", erklärt Erna van de Ven, Leiterin des Museumpark Orientalis. In dem biblischen Freilichtmuseum sollten Gläubige das Leben Jesu nachempfinden können.

Beduinen beim Brot backen im Museumpark Orientalis.

Heute beschäftigt sich der Park nicht mehr allein mit der christlichen Tradition, sondern mit allen drei monotheistischen Weltreligionen. "Christentum, Judentum und Islam haben einen gemeinsamen Ursprung: Wir stammen alle von Vater Abraham ab", erläutert van de Ven. Seit 2007 heißt die Anlage deswegen Museumpark Orientalis. "'Orientalis' wegen 'Orient'. Aber auch wegen 'orientieren'", so die Leiterin.

Der Museumpark will nicht nur beim Orientieren helfen und informieren, sondern Geschichte und Kultur ein Stück weit erlebbar machen. Deswegen finden sich in der Außenanlage des Parks Häuser und Unterkünfte verschiedener Kulturkreise und Religionen.

Das Beth Juda – auf deutsch: jüdisches Haus – soll eine Vorstellung davon vermitteln, wie das Dorf aussah, in dem Jesus gelebt hat, erklärt Karina Pieper, die durch den Park führt. "An Feiertagen haben wir hier auch Schausteller, die Bibelszenen nachstellen." Im Beth Juda können Besucher eine Synagoge von innen anschauen und die Bräuche des Judentums kennenlernen. Was feiern Juden beim Pessah-Fest, wieso tragen Männer eine Kippa und was hat es mit den 'Menora' genannten Kerzenleuchtern auf sich?

Ähnliche Fragen sollen auch im arabischen Dorf beantwortet werden. Der Baustil mit den kleinen "Ohren" als Ecken der Häuser und den winzigen Fenstern am oberen Rand orientiert sich am Vorbild eines kleinen Fischerdorfs im Oman. Im Inneren der Gebäude geht es unter anderem um die fünf Säulen des Islam, das arabische Alphabet und die arabische Kultur auf dem Markt, dem Souk. In einem kurzen Video erzählt ein junger Moslem von seinem Verständnis und der Bedeutung seiner Religion. Seit sechs Jahren gibt es hier im arabischen Dorf auch eine kleine Moschee.

Durch tiefen Sand einen kleinen Abhang hinunter gelangen Besucher zu Beduinenzelten. An der mit großen Steinen begrenzten Feuerstelle laden Schausteller manchmal zum Brotbacken ein.

Geschichte ist in der Ausstellung zum Greifen nah.

Auch in der Taverne in der römischen Stadtstraße, durch die gerade ein alter Römer in Toga schlendert, sollen sich die Besucher kulinarisch in eine andere Kultur hineinversetzen können. Neben der künstlich errichteten Stadtstraße gibt es im Museumpark auch noch ursprüngliche Zeugnisse vom Leben der Römer. Ein Aquädukt, eine alte römische Wasserleitung, führt durch das Gelände und erinnert an das Wirken der Römer hier in Nimwegen, der ältesten Stadt der Niederlande.

Etwas abseits vom Hauptgelände befindet sich neben dem Museumpark Orientalis ein alter Friedhof mit der Cenakel-Kirche. "Eine der zwölf schönsten Kirchen in den Niederlanden", sagt Erna van de Ven stolz. Auf den Wänden und der Decke ist das komplette neue Testament gemalt.

Zusätzlich zum Friedhof, der Kirche und den Themen-Dörfern in der Außenanlage finden sich im Hauptgebäude des Parks, das ursprünglich ebenfalls eine Kirche werden sollte, weitere Ausstellungen zu religiösen Themen. Derzeit sind dort zum Beispiel Fotos von Jesus-Darstellungen, kunstvoll bemalte Ostereier und eine private Sammlung von Kruzifixen zu sehen.  "Letztens war eine Schulgruppe hier. Als sie hier bei den Kruzifixen waren, waren sie plötzlich ganz still", erzählt Führerin Karina Pieper. Interessant hätten die Kinder die ungewöhnliche Ausstellung aber schon gefunden. 

Auch Leiterin Erna van de Ven betont, dass der Park gerade für Schüler viel zu entdecken biete: "Für Kinder ist Religion manchmal ein bisschen schwer zugänglich. Aber wenn man sie einlädt, Teil der Geschichte zu werden, macht ihnen das Spaß."

Teil der Geschichte zu werden und sich mit der eigenen und fremden Kulturen auseinanderzusetzen – das versuchen die Verantwortlichen im Museumpark Orientalis mit Aktionen wie 'Mag ik je wat vragen?' - auf deutsch: 'Darf ich dich was fragen?'. "Wir Erwachsenen haben oft Vorurteile und trauen uns gar nicht einander Fragen zu stellen", so van de Ven. Kinder hätten da weniger Berührungsängste. "Kinder haben ein aufrechtes Interesse und fragen dann zum Beispiel auch einfach mal 'Wieso trägt deine Mutter eigentlich so ein Tuch über dem Kopf?' Ich glaube auch viele Erwachsene wissen das nicht, aber trauen sich nicht, das zu fragen." Solche Gelegenheiten will das Museum Kindern und Erwachsenen bieten.

Im vergangenen Jahr seien ungefähr 63.000 Besucher nach Orientalis gekommen, so van de Ven. Darunter gebe es auch immer wieder Menschen mit der Einstellung, Religion sei altmodisch. "Darauf sage ich dann immer: Religion ist noch nie so aktuell gewesen wie heute. Schaut man in die Nachrichten im Fernsehen – das hat alles mit Religion zu tun." Umso wichtiger sei es, andere Kulturen, aber auch die eigene Tradition kennenzulernen. "Es gibt immer mehr Menschen, die nicht wissen, warum wir Ostern feiern oder Pfingsten", so van de Ven. "Wir sehen, dass die Gesellschaft Fragen hat. Und wir versuchen sie auf eine moderne Art und Weise zu beantworten."