So hören Menschen zu: Die Predigt als TED-Talk

Pfarrer predigt auf der Kanzel.
Foto: epd-bild/Carola Fritzsche
"Benutzen Sie Ihre Arme beim Sprechen, dann geht das freie Sprechen leichter", rät Felix Ritter.
So hören Menschen zu: Die Predigt als TED-Talk
Eine Rede wird erst durch die emotionale Beteiligung der Zuhörer, durch Geschichten, Neuigkeiten und Überraschungen interessant. Wer also mit Bildern von Bildern spricht, aus Nachrichten Geschichten und aus Informationen Botschaften macht, der erreicht seine Zuhörer. Was Pfarrerinnen und Pfarrer alles vom TED-Talk für das Predigen lernen können, verrät Kommunikationstrainer Felix Ritter im Interview.

Was ist ein TED-Talk?

Felix Ritter: Der TED-Talk ist eine Erfolgsgeschichte aus den USA und im Gegensatz zu Donald Trump meiner Meinung nach eine sehr motivierende. TED steht für Technik, Entertainment und Design. Seit Anfang der 1990iger Jahre treffen sich Unternehmer, Entwickler und Wissenschaftler aus allen Bereichen auf der jährlich stattfindenden Innovationskonferenz. Sie sind sich eines bewusst geworden: Wir leben in Zeiten extremer Veränderung. Wenn wir unsere Potentiale entfalten und anstehende Probleme lösen wollen, können wir das nicht mit nur dem Wissen machen, was wir in unseren Schulen und Universitäten gelernt haben. Wir müssen über unseren Tellerrand hinausschauen und neu zuhören. Wer redet, sollte nur reden, wenn er eine Idee hat. Die Idee sollte die Kraft haben, unsere Welt zu verändern.

Ihre Reden haben sie ins Internet gestellt. Man findet dort zu den verschiedensten Themen "Ideas worth spreading", also Ideen, die es wert sind, verbreitet zu werden. So lautet auch das Motto. Über 1000 Vorträge stehen online kostenfrei zur Verfügung. Sie wurden bis 2014 über drei Milliarden mal abgerufen. Kommunikationsforscher haben das Phänomen TED erforscht und festgestellt: Eine Rede wird nachhaltig interessant durch emotionale Beteiligung der Zuhörer, durch Geschichten, Neuigkeiten und Überraschungen. Ich finde das unglaublich, dass Reden attraktiver sein können, als so mancher Hollywoodfilm.

Warum sollten sich Pfarrer dafür interessieren?

Im Gespräch mit Pfarrerinnen und Pfarrern höre ich immer wieder diese zweifelnden und verzweifelten Fragen: "Hört man mir überhaupt zu? Interessiert Euch das? Warum kommen immer weniger Menschen?" In der Mediengesellschaft wird dem gesprochenen Wort wenig zugetraut. Länger als drei Minuten kann doch heute sowieso niemand mehr zuhören, lautet eine unausgesprochene Überzeugung. Auch das Format "Predigt" ist von diesen Veränderungen in der Kultur unserer Kommunikation betroffen und muss sich ihnen stellen. Darum find ich es für die Kirche spannend, sich den TED Talk anzuschauen. Da wird bis zu 18 Minuten vorgetragen und ein Millionenpublikum findet das sehr ansprechend. Nicht die Länge der Rede ist entscheidend, sondern, was ich zu sagen habe und wie ich das rüberbringe.

Und warum ist eine Predigt als TED-Talk interessanter als eine übliche Predigt?

Ritter: Menschen hören gerne zu, wenn sie das Gefühl haben, dass es ihnen weiterhilft. Predigt kann das auch. Das wissen aber noch nicht viele. Manchmal hat die Predigt eine klare Botschaft, aber sie wird nicht ausgesprochen, weil man niemanden zu nahe treten will. Das ist jammerschade. Der TED Talk ist eine spannende Quelle der Inspiration für eine Predigt des 21. Jahrhunderts. Eine Einladung für ein direktes, persönliches, überraschendes, mutiges, innovatives Sprechen von Gottes Wirken in uns.

Man kann nicht pauschal sagen, dass das eine besser als das andere ist. Was mich an TED am meisten überzeugt ist: Erstens wird nicht über ein Thema gesprochen, sondern man hat eine Idee. Man spricht auch nicht von Problemen, sondern präsentiert vielmehr Lösungen oder macht zumindest Vorschläge. Das tut gut. Zweitens wird frei gesprochen, aber nicht auswendig oder improvisiert. So wissen die Sprecher, was sie sagen. Sie sprechen, wie sie denken und nicht wie sie schreiben. So kann leicht Kontakt mit den Zuhörern aufgebaut werden und eine intensive Beziehung zwischen Redner und Zuhörenden entstehen. Drittens weiß man durch die ungeheuren Datenmengen der TED-Seite heute, dass Humor, Emotion und Geschichten eine Rede nicht nur angenehmer, sondern auch informativer, effizienter und nachhaltiger machen. Bei TED gehört all das ganz natürlich dazu. Im Gottesdienst hingegen denken viele, dass Ernst weiterhilft oder gar gottgewollt ist.

Kann das jeder lernen? Oder ist das nur etwas für Extrovertierte?

Ritter: Eine gute Frage. Ich glaube ja. Einer der berühmtesten TED-Talks schlägt vor: "Lasst uns Bühnen für Introvertierte schaffen, sonst geht uns ihr wertvoller Input verloren." Wer eine Idee hat, die uns weiterhilft, muss nicht perfekt sein, sondern authentisch oder stimmig. Pfarrerinnen und Pfarrer, Prädikantinnen und Prädikanten sind aber üblicherweise keine introvertierten schüchternen Denker. Sie sind erfahrene Performer mit mehr Auftritten im Jahr als so mancher Schauspieler. Meiner Erfahrung nach können sie Neues extrem schnell und aufregend umsetzen. Man muss ihnen nur manchmal sagen, dass sie es dürfen.

Wie gelingt eine Predigt als TED-Talk?

Ritter: Als Orientierung ist es sicherlich gut, sich erst einmal ein paar TED-Talks auf TED.com, einer Non-Profit-Organisation anzuschauen. Es gibt auch gut lesbare Untertitel auf Deutsch.

Oder: Im ZDF-Fernsehgottesdienst zu Erntedank 2016 steht Pfarrerin Iris Haidvogel in einem Weingut im Burgenland hinter einem Pult und geht bereits nach dem ersten Satz ihrer Predigt los. Sie lässt ihr Notizen liegen und spricht uns direkt an. Der Zuschauer merkt: Sie hat eine Idee. Sie schlägt uns vor, Gottes Segen zu schmecke. Das sei durchaus möglich sei. Sie schmeckt den Segen zum Beispiel im Apfelmus ihrer Mutter, das sie immer gegessen hatte, wenn sie als Kind krank war. Es schmeckt nach Liebe und Fürsorge. Man kann sich die Predigt in der Mediathek des ZDF anschauen. Ich finde, in dieser Predigt steckt viel TED-Talk drin.

Und wie lassen sich Informationen für die Predigt zu Botschaften formulieren?

Ritter: Ich habe als Schüler immer die Dichter bemitleidet, von denen der Deutschlehrer gesagt hat, sie seien wichtig. Wichtig fühlte sich immer verstaubt und halbtot an. Eine Information, die ich spannend finde, kann ich spannend vortragen. Das Wichtige ist meistens langweilig und man sollte es kürzen. Das Wort 'wichtig' wirkt belehrend. Im TED-Talk lässt man alle Informationen, die diese Grundidee nicht unterstützen oder kommentieren weg. So unterstützen alle Mittel: die Geschichten, die Bilder und die Fakten eine Grundbotschaft.

Noch ein Tipp von Ihnen zum Schluss: Was können Pfarrer leicht an ihrer Körpersprache beim Predigen ändern?

Ritter: Einleitungen, Geschichten und den Schluss können eigentlich alle Pfarrerinnen und Pfarrer, mit denen ich gearbeitet habe, frei halten. Ich würde das machen. Hier kann ich toll eine Beziehung mit der Gemeinde aufbauen. Benutzen sie ihre Arme beim Sprechen, dann geht das  freie Sprechen leichter und man sieht im Talar nicht wie ein Kopfmensch oder Wackeldackel aus. Arme wollen sich bewegen. Man muss es ihnen nur erlauben.

YouTube-Videos zum TED-Talk:

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