"Die Bibel berührt meinen Körper, meine Seele, mein Herz"

Silhouette eines Mannes im Gebet.
Foto: Getty Images/Peter Brutsch
"Die Bibel berührt meinen Körper, meine Seele, mein Herz"
Interview mit einem geflohenen Christen aus dem Iran
Im mehrheitlich islamisch-schiitisch geprägten Iran repräsentieren Christen weniger als ein Prozent der Landesbevölkerung, obwohl sie zu den ältesten christlichen Gemeinschaften weltweit gehören; zudem werden Christen im Iran verfolgt. Ashkan gelang die Flucht, von der er im ZDF-Gottesdienst am 14. August 2016 berichten wird. Im Interview mit evangelisch.de erzählt er seine Geschichte. Die Predigt am kommenden Sonntag hält EKD-Ratsmitglied Michael Diener.

Sie waren 33 Jahre Muslim. Und dann haben Sie sich taufen lassen. Warum? 

Ashkan*: 2010 haben meine Frau und ich uns taufen lassen. Wir waren in der Türkei zu Besuch und haben von einem Mann eine Bibel geschenkt bekommen. Zuhause im Iran haben wir sie gelesen. Nach ein paar Monaten haben wir ihn angerufen, weil wir Fragen hatten. Er ist brasilianischer Pastor und kam zu uns nach Hause und hat unsere Fragen beantwortet. Im Internet haben wir weiter über das Christentum gelesen und gelernt. Und wir dachten und denken: Jesus hat alles richtig gemacht und gesagt. Er ist einen Weg gegangen, den wir für richtig halten. Wir haben mit unserer Familie gesprochen und ihnen gesagt, dass wir uns taufen lassen wollen. Zwei Jahre hatten wir einen heimlichen wöchentlichen Hauskreis. Dann haben wir uns taufen lassen. Und kurz darauf sind wir nach Deutschland geflohen. 

Warum mussten Sie den Iran verlassen?

Ashkan: Wir waren im Iran in einer großen Gemeinde. Wir wurden immer größer und es wurde schwieriger sich heimlich zu treffen. Dann kam die Polizei, die Bilder einer Taufe auf einem Laptop gefunden hatte. Viele Menschen aus unserer Gemeinde wurden verhaftet. Wir sind, wie viele andere, von einem auf den anderen Tag geflüchtet. Erst in die Türkei, dann weiter nach Deutschland. 

"Heute hinterfragen viele die mörderische Politik gegenüber Andersdenkenden"

Woher hatten Sie den Mut, sich taufen zu lassen?

Ashkan: Wir haben immer wieder den Koran und die Bibel verglichen. Es war eine Sache des Herzens, dass wir dem Weg Jesu folgen wollten. Es war schwierig, das im Iran zu sagen. Es war schwierig gegenüber unserer Familie und in dieser muslimischen Gesellschaft zu sagen: Wir sind Christen.

Gibt es eine Geschichte über Jesus, die ihnen besonders am Herzen liegt? 

Ashkan: Wenn wir die Bibel lesen, dann sind es manchmal nur einzelne Wörter oder Sätze, die unseren Körper, unsere Seele oder unser Herz berühren. Die Auslegung des Korans im Iran ist von den Mullahs vorgegeben und sehr eng. Wir dürfen nicht leben, wie wir wollen. Alle anderen Religionen außer dem Islam sind im Iran für die Menschen gefährlich. Viele Leute im Iran lesen heimlich die Bibel und treffen sich in Hauskreisen.

Warum interessieren sich Muslime im Iran für das Christentum? 

Ashkan: Noch vor 100 Jahren wurden die religiösen Geschichten von den Großeltern weitererzählt. Die Bibel galt als haram, als verboten, nur der Koran war erlaubt. Heute lernen die Jungen aus dem Internet. Sie wollen wissen, was ihre Geschichte ist: Wie kam vor 1.500 Jahren die arabische Kultur in den Iran? Diese Frage stellen sich viele. Wenn man liest, kann man sagen, welcher Weg richtig und gut ist. Viele Menschen lernen in Hauskreisen. Im Iran werden diejenigen von den Mullahs als heilig bezeichnet, die einen Menschen anderen Glaubens töten. Das ist keine gute Politik. Das sehen viele so. Heute hinterfragen viele die mörderische Politik gegenüber Andersdenkenden. Im Iran zu Zeiten des Schahs konnten Christen, wie hier in Deutschland, unbehelligt in die Kirche gehen. Seit der Herrschaft der Mullahs geht das nicht mehr.

Fühlen Sie sich in Deutschland sicher? 

Ashkan: Ja. Es ist gut, meine Kinder gehen zur Schule und in den Kindergarten, meine Frau und ich können arbeiten. Nach vier Jahren in Deutschland wollten wir nun allerdings meine Familie in der Türkei treffen. Aber es ist zu unruhig dort. Das macht mich sehr traurig. Denn ich kann nicht in mein Heimatland. Meine Mutter kann nicht nach Deutschland kommen. Ich würde so gerne, dass meine Kinder ihre Oma sehen. Unsere Gemeinde hilft uns aber. Wir gehen sonntags in die Kirche und beten. Der Pfarrer versucht uns zu helfen. Wir hoffen weiter auf ein Wiedersehen.

*Name aus Sicherheitsgründen geändert.