Pfarrermangel: "Eine Rechnung mit mehreren Unbekannten"

Pfarrermangel: "Eine Rechnung mit mehreren Unbekannten"
Nicht nur die katholische Kirche, auch die Protestanten müssen sich mittelfristig auf einen Pfarrermangel einstellen: Der evangelische Pfarrerverband geht von einer gravierenden Lücke spätestens ab 2020 aus. Hintergrund ist eine Welle von Pensionierungen. Für die frei werdenden Pfarrstellen gibt es auch aus Sicht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nach heutigen Zahlen nicht genügend fertig ausgebildete Theologen.

Zurzeit sind rund 20.000 Pfarrer in den 22 evangelischen Landeskirchen für rund 24 Millionen Protestanten zuständig. Die EKD reagiert mit Gelassenheit auf die zurückgehenden Pfarrerzahlen: "Es gibt keinen Grund zur Dramatisierung, wohl aber Anlass, mit Entschlossenheit zu reagieren", sagte Joachim Ochel, EKD-Ausbildungsreferent, dem epd. Es gebe Strategien, um zu erwartende Lücken auszugleichen.

So soll verstärkt für den "sehr attraktiven Pfarrberuf und ein überaus spannendes Studium" geworben werden. Mit einem Masterstudiengang Theologie sollen Menschen erreicht werden, die bereits Erfahrung in anderen Berufen haben und noch einmal umsatteln wollen.

Die Entwicklung ist in allen Kirchen ähnlich

Bei den Prognosen zum Pfarrermangel handele es sich um Rechnungen "mit mehreren Unbekannten", fügte Ochel hinzu. Zur Entwicklung der Zahl der Gemeindemitglieder und der Kirchenfinanzen gebe es nur Prognosen. Außerdem sei das Verhältnis von Pfarrstellen zu Kirchenmitgliedern steuerbar. Bei nüchterner Betrachtung komme man zu dem "Ergebnis eines leichten Mangels", nicht aber zu "dem einer dramatischen Situation". Dies schließe allerdings nicht aus, dass in einzelnen Landeskirchen intensive Anstrengungen der Personalgewinnung nötig seien.

Der Vorsitzende des Verbandes evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland, Klaus Weber (Altenkunstadt, Bayern), sagte dem epd: "Momentan gibt es in allen Landeskirchen genügend Pfarrerinnen und Pfarrer, um den kirchlichen Dienst in den Gemeinden und Einrichtungen wahrzunehmen." Die Zahl der Theologiestudenten liege jedoch seit Jahren auf einem niedrigen Niveau. Auf der anderen Seite sei in den nächsten zehn Jahren mit ernorm steigenden Zahlen an Ruhestandsversetzungen zu rechnen.

In der bayerischen Landeskirche zum Beispiel werden laut Weber ab 2020 von etwa 2.500 aktiven Pfarrern in einem Zeitraum von zehn Jahren 1.000 in den Ruhestand treten. Etwa 30 nehmen pro Jahr ihren Dienst neu auf. Als Folge der demografischen Entwicklung würden in den nächsten Jahren voraussichtlich weitere Stellen abgebaut. "Diese Entwicklung ist in allen Landeskirchen ähnlich", resümierte Weber.

Zahl der Theologiestudierenden leicht gestiegen

Im sogenannten Impulspapier des EKD-Rates "Kirche der Freiheit" von 2006 wird der Pfarrberuf als "Schlüsselberuf" bezeichnet. Daher soll in diesem Bereich "unterproportional" gekürzt werden. Weiter heißt es: "Eine sinnvolle Zielvorgabe für das Jahr 2030 ist eine Zahl von 16.500 Pfarrerinnen und Pfarrern."

Auf den Anwärterlisten der Landeskirchen stieg die Zahl der Theologiestudierenden nach einem Tief in den vergangen Jahren leicht an. So waren 2009 rund 2.400 Studenten eingetragen. 1992 waren es allerdings noch 8.500. In die Listen lassen sich nur Studierende eintragen, die Pfarrer werden wollen. Die Gesamtzahl der Studierenden im Fach evangelische Theologie erhebt das Statistische Bundesamt für das Wintersemester 2008/2009 mit 8.652, davon waren 59 Prozent weiblich.

In der katholischen Kirche ist die Zahl der im Bistumsdienst stehenden Priester von 1998 bis 2008 um gut 20 Prozent zurückgegangen. Nach Angaben der Deutschen Bischofskonferenz sind bundesweit zurzeit rund 10.500 Priester im aktiven Dienst für rund 25 Millionen katholische Christen zuständig. Eine der sichtbarsten Folgen des Priestermangels sind den Angaben zufolge die pastoralen Neuordnungen in fast allen deutschen Bistümern. Diese führen dazu, dass ein Pfarrer nicht mehr wie früher für vielleicht 5.000 Gläubige, sondern für 15.000 Katholiken da ist.