Popmusik in C

Moderne Kirchenmusik
Popmusik in C
In Hannover gibt es nun einen offiziellen Popkirchenmusikkurs

Kennen Sie noch die guten alten Ergänzungsheftchen zum Evangelischen Kirchengesangbuch (EKG)? Der bayerische „Silberpfeil“ von 1982 mit so ultramodernen Songs wie „Herr deine Liebe“ ist mir aus meiner Kindheit noch lebhaft in Erinnerung, doch auf den echten Titel komme ich beim besten Willen nicht mehr. Okay, ich könnte jetzt aufstehen und das Büchlein aus dem Regal holen – aber das wäre irgendwie ja auch stillos. Es bleibt bei Silberpfeil.

Aus dieser Zeit, vielleicht so im Jahre des Herrn 1984 (mein Konfirmationsjahr) ist mir ein kurzer Dialog in Erinnerung geblieben, der mir zum ersten Mal deutlich machte, dass in der Kirche vielleicht doch nicht alle den gleichen Musikgeschmack haben wie ich. Ein älterer Herr, soweit ich mich erinnere ein Kirchenvorsteher, stellte unseren damaligen Pfarrer nach dem Gottesdienst zur Rede: „Wenn Sie noch einmal Lieder aus diesem Heft singen lassen, lege ich alle meine Ämter nieder!“

Ja, so war das damals wohl noch. Modernes geistliches Liedgut wurde von vielen misstrauisch beäugt. Nicht von allen natürlich, meine Oma beispielsweise hätte am liebsten nur noch aus dem „Silberpfeil“ gesungen. Aber die anderen? Nur Lieder, die mindestens 300 Jahre alt waren (Okay, sagen wir, 100) waren gut genug gereift für den ehrwürdigen Gottesdienst in unserer altehrwürdigen Kirche, in der immerhin schon der „neue“ Introitus gesungen wurde und nicht der von Achtzehnhundertirgendwas, der immer noch im Evangelischen Kirchengesangbuch abgedruckt war. Kirche hat da manchmal eine ziemliche Beharrungskraft. Viele der Lieder aus dem „Silberpfeil“ gefielen allerdings den Gemeinden dann doch so gut, dass sie im heute (noch) aktuellen „Evangelischen Gesangbuch“ enthalten sind. Mal sehen, was das Nachfolgegesangbuch in wenigen Jahren so bringen wird ...

Nun, jedenfalls: Popmusik hatte und hat es teilweise immer noch schwer, in der Kirche Fuß zu fassen. Weil Kirche doch immer noch irgendwie von Johann Sebastian Bach oder gar gregorianischen Gesängen geprägt ist. Der musikalisch sehr produktive Eugen Eckert erzählte mir einmal von einem Lied, das er mit anderen gemeinsam sozusagen testweise geschrieben hatte. Natürlich wurde es von den traditionellen Kirchenmusikern verrissen – erst viel zu spät bemerkten diese, dass die Melodie auf dem uralten „Dies irae, dies illa“ basierte.

Nun gut. Wir haben 2023. Heute meckern die Leute eher, wenn mal kein Lied aus dem aktuellen Ergänzungsheft im Gottesdienst gesungen wird. Manche Gemeinden haben sogar in jedem Gottesdienst eine Band dabei. Der Verband für christliche Popularmusik in Bayern e.V. bietet seit vielen Jahren einen Aufbaukurs für Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker an: Die Fachausbildung zur „Großen kirchenmusikalischen Prüfung – Bandleitung“ (C-Prüfung). Kurzer Erklärexkurs: In der Kirchenmusik gibt es D, C, B und A-Prüfung - je nach Qualifikation der Musiker*innen. Die Kurse des Popularmusikverbands bauen auf die D- und C-Prüfung auf und vermitteln Fähigkeiten wie Bandarrangements, Stilrichtungen und vieles mehr. Der arme alte Kirchenvorsteher würde sich vermutlich im Grab umdrehen.

Doch nun geht Hannover einen großen Schritt weiter: der neue Kurs „C-Pop“ ist mehr als ein Aufbaukurs, der eine klassische C-Prüfung voraussetzt. Es ist ein eigenständiger zweijähriger Kurs in kirchlicher Popmusik. Mit diesem Kurs kann man dann auch eine C-Stelle in einer Kirchengemeinde annehmen, die nicht so viel Wert auf klassische Orgelmusik legt – und davon gibt es immer mehr.

Immerhin: Ein großer Schritt! "Unsere Gottesdienste sollten die musikalische Sozialisation ihrer Besucher:innen widerspiegeln, die über Paul McCartney, Elton John oder Elvis Presley stattfand. Dazu brauchen wir engagierte und vor allem qualifizierte Instrumentalisten, Sänger:innen und Ensemble-Leiter:innen", sagt Popkantor Micha Keding. Ähm, okay. Paul McCartney, Elton John oder Elvis Presley. Wir sind also nur noch ungefähr 50 Jahre von der Jetztzeit entfernt. Sagen wir 80. Das ist doch schon mal ... ein Fortschritt. Jauchzet dem Herrn alle Welt!

weitere Blogs

Wenn man beim Krippenspiel improvisieren muss, kann man bisweilen mit ganz elementaren Fragen konfrontiert werden...
Die EKD-Orientierungshilfe "Mit Spannungen leben" aus dem Jahr 1996 war für Wolfgang Schürger ein wichtiger Schritt zu einer Öffnung der protestantischen Kirchen gegenüber Queers. Junge Queers sehen in ihr heute ein Dokument "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit". Grund für einen Rückblick auf dreißig Jahre Kampf um queere Rechte in der Kirche - und einen Ausblick.
Heute werfen wir einen Blick in das bunte Regal der Literatur zu Polyamorie und konsensueller nicht-Monogamie.