Der Pfarrer, das unbekannte Wesen

Der Pfarrer, das unbekannte Wesen
Selbst in Dienstkleidung werden Geistliche manchmal nicht mehr erkannt …

Ach, was waren das für gute alte Zeiten, als DER HERR PFARRER die Respektsperson neben DEM HERRN BÜRGERMEISTER und DEM HERRN LEHRER war (nicht zu verwechseln mit dem Fräulein Lehrerin, ohne Großbuchstaben natürlich). Na ja, vielleicht gab es diese Zeiten wirklich mal, sie sind aber schon lange vorbei und das ist auch ganz gut so. Zumindest bei uns Evangelischen gibt es im übrigen ja zum Glück schon lange auch Pfarrerinnen, aber kein Fräulein Pfarrerin. Die Ereignisse, auf die wir uns beziehen, sind jedoch ausschließlich katholischen Kollegen zugestoßen.

Tja, wie gesagt, „früher“ war einmal. Heute ist die Welt deutlich bunter und vielfältiger. Das mag nicht jedem gefallen, aber so ist es nun mal. Auch Pfarrerinnen und Pfarrer laufen nicht ständig mit dem Kollarhemd oder gar dem Lutherrock herum, sondern sind einfach Menschen wie du und ich (wobei ich ja nun tatsächlich ein Pfarrer bin.)

Der Nachteil daran: Man erkennt sie auch nicht mehr so leicht. Und selbst die offizielle Dienstkleidung unserer katholischen Brüder wird heutzutage nicht mehr überall erkannt. So wurde vor wenigen Wochen Bischof Voderholzer von einem Ordner abgewiesen, als er komplett mit Soutane die „Landshuter Hochzeit“ besuchen wollte. Das Problem dabei: Abgesehen von den historischen Kostümen der Mitwirkenden sind bei dieser Veranstaltung eben keine „Fremdkostüme“ erlaubt. Das Wort „Fantasiekostüm“ soll an dieser Stelle gefallen sein und „das kann ja jeder sagen“. Nun ja, einmal den Dienstausweis gezückt, dann war die Sache geklärt, der Ordner zutiefst peinlich berührt und der Weg zur Landshuter Hochzeit frei.

Fast gleichzeitig trug es sich in einer Bar in Wales zu, dass sieben Priesteramtsanwärter in schwarzen Priesterhemden aus einem Pub geworfen wurden: Sie wurden für die Teilnehmer einer Junggesellenabschiedsparty gehalten und waren als solche nicht wirklich wohlgelitten. Na ja, möglicherweise waren sie ja ähnlich trinkfest – davon sollte man in Wales wohl ausgehen – und das mit dem „Junggesellenabschied“ stimmt in gewisser Weise auch. Trotzdem: Sieben junge Priester! Nicht etwa sieben Zwerge mit Zipfelmützen. Auch nicht Siebenschläfer oder sieben mal Sieben (ganz feiner Sand). Nein. Sieben Priester, die einen trinken wollten. Sie wurden nicht erkannt. 

Nun, lasset uns jammern: Die Kirche ist am Ende. Man kennt uns gar nicht mehr. Das ist der Untergang des christlichen Abendlandes. Lasst uns alle sofort nur noch im Priesterhemd auf die Straße gehen! Oder im Fantasiekostüm eines Bischofs. Nein, auch das ist natürlich keine Lösung, obwohl wir ja evangelischerseits eigentlich das Priestertum aller Gläubigen haben. Wo soll das nur hinführen, wenn Geistliche selbst in Dienstkleidung nicht mehr als selbige erkannt werden? Relevanzverlust der Kirche. Keiner will mehr was von uns. Keiner kennt uns mehr. Keiner hat uns lieb. Oder wie man auf Twitter zu sagen pflegt: Mimimi.

So, nun ist aber genug gejammert. Ganz ehrlich: Ist doch völlig egal, ob man uns an der Kleidung erkennt. Das ist doch nicht das, woran unser Glaube festgemacht werden kann. Ganz im Gegenteil: Die zum Teil recht steifen Kleidungsstücke aus vergangenen Jahrhunderten transportieren ein Bild von Kirche, das der heutigen Zeit an vielen Orten (allerdings, um ehrlich zu sein, nicht überall) nicht mehr gerecht wird. Kirche heute: Die ist viel bunter, viel lebendiger, viel vielfältiger. Und sie ist nicht an der Kleidung zu erkennen, sondern an ihrem Handeln: Offen für die Menschen und ihre Nöte. Hilfreich da, wo Hilfe nötig ist. Und auf der Suche nach neuen Ausdrucksformen des Glaubens.

Oder wie Jesus es sagte: „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Joh 13,35) Soutanen, Talare und Kollarhemden hat er meines Wissens nicht erwähnt.
 
 

 

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