Die Idee mit der Eisverkäuferin kam gar nicht von ihr. Es passierte in einem Bewerbungsgespräch. Nach 8 Jahren Theologiestudium hatte sie sich bei der Kirche beworben. Und sie wusste eigentlich gleich, dass das nicht gut gehen würde. Auch weil sie immer so ehrlich sein musste. Als sie all die gängigen Theologen und Theologien nicht aufzählen konnte, auch weil sie fand, dass das niemandem wirklich helfe, fragte der Prüfer sehr streng, was sie sich vorstelle.
Da sprudelte es einfach nur so aus ihr heraus. Dass sie sich als nachtheologische Generation verstehen würde. Eine Generation, die neue Wege suche, weil die Bibel zu einer wissenschaftlichen Lehre geworden war und nicht mehr zu einem Tun. Nicht mehr zu dem, was sie darin suchte. „Ich möchte die Worte der Bibel gerne schmecken, einatmen, durch meine Adern fließen lassen, ausschwitzen, auf meine Haut cremen", sagte sie. „Theologie ist für mich mehr wie Graffitis und Street Food oder wie ein Frühlingsschrei.“ „Dann sind Sie hier beim falschen Bewerbungsgespräch.“, antwortete er. Als sie nach dem Gespräch wieder hineingebeten wurde, schauten die Prüfer nur sehr ernst. Sie schüttelten sehr sachlich ihre Hand und teilten ihr mit, dass sie beruflich als Theologin nicht geeignet sei. Vielleicht solle sie einfach Eisverkäuferin werden. Und da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Genau das hatte sie immer gewollt!
Seit zwei Jahren steht sie nun mit ihrem kleinen Eisstand auf den Straßen. Bei ihr gibt es Eis, das es sonst nirgends gibt. Es gibt Eis, das kann wärmen oder Tränen produzieren, im Herzen brennen oder Bilder eines kleinen Hauses am See im Kopf wecken. Sie arbeitet mit regionalen Zutaten und schmeckt den Worten der Menschen nach, die vor ihr stehen. Sie träumt von einer Community der Vielen, die mit Gottes Wort backen und Tische dafür bauen, ihm Kleider auf den Leib nähen oder Wanderstäbe damit drechseln. Aber beginnen wollte sie mit dem Eis. Ohne das wäre alles nicht denkbar.
Sie wünschte, sie könnte den Herren im Anzug das noch sagen: dass das Wort Gottes manchmal wie ein Eis wäre, das in den Händen schmelzen würde und süß wäre, unendlich süß auf der Zunge, auf keinen Fall langweilig, sondern in unendlich vielen Geschmacksrichtungen und erfrischend und Soulfood. Einfach Soulfood und nur bedingt aufschreibbar. Denn das wäre doch das Wesentliche: dass jemand den Wunsch danach verspürt, sich Gottes Worte auf der Zunge zergehen zu lassen.
#challenge: Nimm Worte und lass sie Dir auf der Zunge zergehen