Verrückte Zeiten

Geistvoll in die Woche
Verrückte Zeiten
Wahlkampf im Advent, Wahlen im Fasching und Jesus als Rumpelstilzchen

Wahlkampf in der Adventszeit … Ausgerechnet, wenn wir singen: 

Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage,
Rühmet, was heute der Höchste getan!
Lasset das Zagen, verbannet die Klage,
Stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!
Dienet dem Höchsten mit herrlichen Chören,
Lasst uns den Namen des Herrschers verehren! 

Von wegen frohlocken und rühmen und dienen. Lautes Gebrüll statt staade (stille) Zeit. Ausrasten statt Aussöhnen. Hetze statt Harmonie. Dabei dient der Advent der Vorbereitung auf die Ankunft des Erlösers und soll deshalb still sein. Ursprünglich wurde in der vorweihnachtlichen Zeit sogar gefastet. Doch nichts da! Bis auf Weiteres wird nun jeder Bundestagswahlkampf in die Advents- und Weihnachtszeit fallen. Leute, muss das sein!? Wobei es andererseits auch nicht gerade komisch ist. Denn jetzt ist die Wahl selbst immer in der Faschings- und Karnevalszeit, vorläufig jedenfalls. Helau, Alaaf! Wo ist denn bloß die Wahlkabine? Und wo das Feld für mein Kreuz? 

Der Wahltag wird zum Heiligen Abend, quasi als Abschluss der Wahlkampf-Adventszeit. Mit Jesus, dem gewählten. Verkleidet als Rumpelstilzchen, natürlich mit Happy End. 

Ich kann mir das gut vorstellen. Immerhin hat er ordentlich gewütet in seinem Leben. Hat die Tische umgeschmissen und die Händler aus dem Tempel gejagt. Hat gewettert wie kein Zweiter: Weh euch, ihr Heuchler! Ihr gebt den Zehnten von Minze, Dill und Kümmel und lasst das Wichtigste im Gesetz außer Acht: Recht, Barmherzigkeit und Treue. Und: Weh euch! Ihr seid wie getünchte Gräber, die von außen schön aussehen, innen aber voll sind von Knochen der Toten und aller Unreinheit. Jesus wäre ein prima Wahlkämpfer. Natürlich ist auch klar, für welche Partei er Wahlkampf betriebe und für welche nicht. – Das Rumpelstilzchen wird mir immer sympathischer.

Gestern haben wir noch das Weihnachtsoratorium gesungen, aus dem der obige Chor stammt. Die Kirche war voll, die Stimmung sehr adventlich, die erste Kerze brannte. Die Menschen waren vertieft in heilig-vergnüglicher Andacht. Fehlte nur noch der Schnee zum Wintermärchen. 

Und heute geht das Getöse schon wieder los. Aber wie sagte Karl Valentin so schön? „Wenn die staade Zeit vorüber ist, wird’s auch wieder ruhiger.“ So lange werde ich halt Bachs Oratorium weiter vor mich hinsingen, bis zu seinem Schluss: 

Nun seid ihr wohl gerochen
An eurer Feinde Schar,
Denn Christus hat zerbrochen,
Was euch zuwider war.
Tod, Teufel, Sünd und Hölle
Sind ganz und gar geschwächt;
Bei Gott hat seine Stelle
Das menschliche Geschlecht.

Sind schon verrückte Zeiten, hier bei uns auf Erden.

weitere Blogs

Die ehemalige christliche Kirche in Sarajevo ist heute eine Kunstakademie.
evangelisch.de-Blogger Christian Höller berichtet aus Sarajevo - die Stadt wird das Jerusalem Europas genannt. Es gibt Moscheen, Synagogen und christliche Kirchen. Hinzu kommt eine kleine queere Community. Beeindruckt ist Höller von der Resilienz und Widerstandskraft der Bewohner:innen.
Auf einem speziell konstruierten Wagen mit 224 Rädern wird die Kirche von Kiruna für den Umzug bewegt.
In Schweden geht eine historische Holzkirche auf Reisen. Aber mobile Kirchen gibt’s schon lange.
Blick auf den Umzug des CSD in Berlin
Der Zirkus ist bunt und vielfältig, im Zirkus gibt es Satire und (bissigen) Humor. Der Zirkus ist Symbol einer freien Gesellschaft, meint Wolfgang Schürger - und deswegen ist es gut, dass CSD- und Pride-Paraden immer ganz großer Zirkus sind. Das steht einem demokratischen Rechtsstaat gut an!