O Tod, wie bitter bist du

O Tod, wie bitter bist du
Richtig? Falsch? Oder doch wahr? Verwirrung in der Fastenzeit

Mir passiert es oft, dass ich ein Wort sehe und etwas anderes lese, als da steht. Gockerl statt Cocktail, kläglich statt täglich, Elender statt Edeka, poetisch statt politisch, Kohelet statt Kotelett, solche Sachen. Manchmal hat es mit Musik zu tun. Vermutlich, weil ich Musik liebe.

Neulich waren wir in einem Konzert. Das Regensburger Vokalensemble StimmGold gab Reger zum Besten. Wobei das nicht ganz stimmt. Die Lieder basierten auf seinen Kompositionen. Max Reger ist in Bayern vielleicht bekannter als anderswo, schließlich kommt er aus Bayern, genauer aus der Oberpfalz, das streng genommen natürlich nicht Bayern ist, aber egal, immerhin ist er mit 28 nach München gezogen, nachdem er in Wiesbaden seine „Sturm- und Trankzeit“ erlebte, wie er sie später bitter-ironisch nannte. In München ist er auch begraben.

Überdies wird in diesem Jahr Regers 150. Geburtstags gedacht. Auch darum war das Konzert eine Hommage an diesen außergewöhnlichen Künstler, der mit fünfzehn beschloss, Musiker zu werden und sich damit dem Wunsch seines Vaters widersetzte. Gott sei Dank.

Theresa Zaremba vom Duoprojekt Fallwander entwickelte eine der Reger‘schen Kompositionen für StimmGold nun weiter. Sie heißt „O Tod, wie bitter bist du“; es ist eines der traurig-schönsten Lieder, die ich kenne.

Das Sextett wird begleitet von zwei Synthesizern, die Text und Melodie stoisch aus dem Off zu holen scheinen. O Tod, wie bitter bist du. Wieder und wieder. Die Instrumente und Stimmen werden lauter, eindringlicher, bis der Tod den ganzen Raum erfüllt. In der Videoversion dreht sich die Kamera um die Sängerinnen, die Sänger, die Synthesizer, den Tod – bis der langsam verklingt, verschwindet. Wie auf der Bühne. Auf immer demselben Ton. O Tod, o Tod, o Tod, o Tod … Schließlich wieder lauter: Wie bitter bist du. Wie bitter bist du, bis das Du, betörend klar gesungen, leiser wird, vergeht, verhallt, erstirbt. Kein Nachspiel in der Bitternis.

O Tod ... Du ... Vorbei.

Heimlich nehme ich das Stück auf, bloß den Ton und nur für mich, dabei hatte ich die CD längst bestellt und das Video auf YouTube sicher schon hundertmal angeschaut, weil die Musik noch mehr zum Ausdruck bringt, als es die Worte bereits tun, diese auf der Bibel basierende Verzweiflung (Sir 41,1): O Tod, wie bitter bist du.

Und jedes Mal verstehe ich: Wir beten dich an.

Am Ende des Konzerts und der CD kommt das Lied noch einmal vor. Mit der zweiten Strophe aus Sir 41,2. Und es ist, als bekräftige sie das Verhörte noch:

O Tod, wie wohl tust du dem Dürftigen, / Der da schwach und alt ist, / Der in allen Sorgen steckt / Und nichts Bessers zu hoffen, / Noch zu erwarten hat; / O Tod, wie wohl tust du ...

O Tod, wir beten dich an.

Vielleicht liegt es an der Fastenzeit, dass ich etwas anderes höre, als gesungen wird, an der Zeit vor Ostern, so fern der Erlösung, der Auferstehung. So fern der Hoffnung.

O Tod, wir beten dich an …

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