Echte Menschen sind Thema im Gottesdienst

Echte Menschen sind Thema im Gottesdienst
Wenn Menschen im Gottesdienst vorgestellt werden, dann weckt das viel Interesse. Also nicht nur Leute würdigen am Anfang, nach dem Tod oder wenn sie heiraten. Mitten im Leben ehrt die Kirche Menschen, grundlos, ohne Anlass, einfach so. Denn so ist Gott auch. Er braucht keine Anlässe um dich wertvoll zu finden.

Ehepaar Will ist eingeladen in den Gottesdienst.
Die Ortspastorin Kann möchte echte Menschen vorstellen, nicht nur Bibelstellen.
Sie findet, Bibelstellen leuchten dann, wenn sie mit Leben im Raum funken.
Sie ist immer öfter müde, schriftgelehrte Sachen zu dösenden Eingeborenen zu sagen.

Also fragt sie eine Familie: Das Ehepaar lebt ziemlich normal, singt seinen drei Kindern am Bett erfundene Lieder, pflanzt im Kleingarten Lauch, zeltet im Sommer am Meer und kommt leidlich zurecht mit anderthalb Jobs. Seit ein paar Monaten schläft das jüngste Kind Malea schlecht, sie ist 7 Jahre alt und fürchtet sich nachts. Die Pastorin bekommt das mit und fragt nach. Malea hat es schwer in der Schule; vielleicht weil sie rote Haare hat oder nicht alles mitmacht -  man weiß es nicht genau. Jedenfalls sind die Nächte zerrissen. Man bekommt professionelle Beratung, und es sind Wege erkennbar, die die Lage entspannen.

Pastorin Kann  hat die Familie besucht und ihnen vorgeschlagen im Gottesdienst einfach zu erzählen. Die waren erst irritiert -  wir öffentlich? Ja, sagt die Pastorin, grad weil ihr so normal seid und was erlebt, was auch sonst Thema ist: Angst nicht mitzukommen in dieser Welt, nicht schlafen zu können einerseits -  und andrerseits: Das Leben bestehen, etwas bewegen zu können mit einfachen Mitteln. Nagut sagen sie. Gemeinsam mit der Pastorin wählen sie kleine Begebenheiten aus, die etwas über ihr Leben erzählen, ohne zu viel Intimes zu verraten. Damit gehen sie alle schon mal in die leere Kirche und proben mit Mikro und Herzklopfen, wie es sich anfühlt da zu reden. Die KiTa-Leiterin kommt auch dazu, sie kennt alle drei Kinder von früher. Wenn sie dabei ist, fühlt sich die Familie zuhause.
Im Gottesdienst hören fast 50 Leute aufmerksam zu, die KiTa hat ihre Eltern eingeladen, denn das Thema ist spannend, man könnte dazu manches sagen. Die Stühle in der Kirche sind zu einem Halbrund geformt, damit man gemeinschaftlicher sitzt. Nicht diese frontalen Vorführungen wie sonst, mehr Wohnzimmer. Etwa eine halbe Stunde hat die Familie Raum. Die Pastorin fragt sie, begleitet sie durch ihren Bericht und schützt sie. Mittendrin bringt sie eine kleine Rede Jesu ein: Sorglos sein wie die Vögel, nur den Tag heute schaffen. Etwas ähnliches hat Malea samt Familie nämlich bei ihrem Entspannungsttraining gelernt. ‚Achtsamkeits-Übungen‘ nennt man das, sowas kannten sie nicht.
Die Gemeinde lauscht. Manche da könnten sowas auch gut gebrauchen.
Gegen Ende beten einige Leute für die Familie. Das haben sie noch nie erlebt. Man betet auch für andere, die schwer runterkommen von ihren Spannungen. Leute nicken.
Am Ende bekommt die Familie natürlich einen Segen mit HandaufKopf. Und alle die wollen auch.
 

Nach dem Segen bleiben über 30 Menschen in der Kirche, weil sie der Familie die Hand schütteln wollen, weil sie berührt sind von der Idee, weil sie Fragen haben. Einige schlagen vor, wen man als nächstes einladen könnte, welche Themen auch mal gut wären hier. KiTa-Eltern sagen, wenn Gottesdienst öfter so ist, dann wären sie auch öfter da. Man solle Bescheid sagen.

 

Pastorin Kann hat für die Vorbereitung etwa 10 Stunden Zeit investiert, incl. Vorgespräch, Probe usw.. Jede Woche geht das nicht. Aber sie ist so erfüllt von dieser anderen Art an den Gottesdienst ranzugehen, dass sie künftig ein bisschen süchtig werden wird. Ein kleines Team wird sich bilden, das solche Gottesdienste alle 6 Wochen plant und tätig ausführt. Es spricht sich rum, dass in der Kirche echte Menschen erscheinen, mit denen zusammen man lernen kann, wie Leben geht und was das mit der Bibel zu tun hat. Die Eingeladenen bringen ihre Bubble mit, die wiederum andere. Die KiTa wird zur Verbündeten, denn da tauchen viele Themen auf. Der stellvertr. Bürgermeister hat davon gehört und schlägt vor, einen Gottesdienst zu machen, wo die Konsequenzen bedacht werden, die das Virus erzeugt hat. Er könne aus eigener Erfahrung berichten.

So wird die Kirche von Frau Kann ein Umschlagplatz für geistliche und weltliche Weisheit, bis alle merken, dass es da gar keinen Unterschied gibt, denn alle wissen was.

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