Bye-bye, objektive Wirklichkeit!

Bye-bye, objektive Wirklichkeit!
Wie umgehen mit den kriegerischen Äußerungen von Trump und Co. in Richtung Journalisten? Ist es angebracht, sich über das neue Schlagwort „alternative facts“ zu amüsieren? Haben Streaming-Fans etwas gemeinsam mit Freie-Fahrt-für-freie-Bürger-Verfechtern? Außerdem: Der ARD ist ein Bundesligaspiel und dessen Beplauderung wichtiger als Trumps Amtseinführung; die politische Gegenwart ist in deutschen TV-Serien „ein No-Go“

Um die Turbulenzen einzuordnen, die Donald Trump und seine Helfershelfer in den vergangenen Tagen ausgelöst haben, ist es möglicherweise hilfreich, ein Interview zu lesen, das Georg Seeßlen Telepolis gegeben hat. Anlass ist sein neues Buch „Trump! Populismus als Politik“, aus dem die FAZ neulich eine „Bildanalyse“ vorabgedruckt und das ndr.de als „Bravourstück der kulturellen und politischen Analyse“ bezeichnet hat. Seinen Analyseansatz beschreibt Seeßlen unter anderem mit folgenden Worten:

„(Mir) schien es (…) notwendig, neben die politische und rationale Erzählung der Demokratie (…), in der ein Präsident Trump offensichtlich nicht wirklich zu erklären ist, die Erzählungen und die Bilder der Pop-Kultur heranzuziehen. In dieser zweiten Erzählung aus Game Shows, scripted reality, SitComs, Helden- und Schurken-Bildern aus Filmgenres, Stand-Up-Comedians, Casting-Shows und Trash-TV lässt sich manches erklären, was in einer Erzählung, die auf Interessen, Meinungen, Fakten und Debatten beruht, völlig unerklärlich bleiben muss. All das Kontrafaktische, das Selbstwidersprüchliche, das Vulgäre, das Clowneske, das willkürlich Boshafte, das Sprunghafte, das Ignorante, das effekthascherisch Inszenierte, das Spiel mit Mythen und Klischees usw. ist in einer politischen Erzählung unerträglich, in einer Pop-Performance aber gerade das, worauf es ankommt. Funktionieren kann das freilich nur in einer Kultur, in der die Menschen die Grenzen zwischen den beiden Erzählungen weitgehend aus den Augen verloren haben.“

Für den Aspekt des „Clownesken“ steht seit diesem Wochenende neben Trump ja auch einer seiner Spießgesellen, der White-House-Pressesprecher Sean Spicer, der bei manchen Medienbeobachtern Erinnerungen an den früheren irakischen Informationsminister Mohammed Saïd al-Sahhaf alias Comical Ali weckt. Zu Spicer gleich mehr, erst einmal weiter mit Seeßlen:

„Anders als, sagen wir, in einer religiösen fundamentalistischen Gemeinschaft, anders als in einer ideologisch-ästhetisch untermauerten Diktatur bezieht sich der demokratische Diskurs darauf, dass alles, was gesagt werden kann und was gesagt werden darf, sich auf eine objektive, materielle und rationale Wirklichkeit bezieht. In dieser Wirklichkeit gibt es Kräfte, die lügen, die Informationen unterdrücken, die manipulieren, die falsche Versprechungen abgeben, die mit der Vergesslichkeit spekulieren etc. Was es in einem demokratischen Diskurs nicht geben kann und darf ist, ein Absehen von dieser Wirklichkeit. Eine Nachricht, zum Beispiel, ist in diesem Diskurs wahr, wenn sie durch die objektive Wirklichkeit bestätigt werden kann. In der Kultur der ‚Post Truth Politics‘ dagegen ist die Wahrheit einer Nachricht beglaubigt durch die Zahl und Reaktion ihrer Empfänger. Wenn es für den religiösen Fundamentalisten eine mehr oder weniger göttliche Wahrheit gibt, die wichtiger ist als die materielle und rationale Wirklichkeit, dann ist für den Insassen der ‚Post Truth‘-Kultur das, was sich gut und nützlich anfühlt, wichtiger als die materielle und rationale Wirklichkeit.“

Die These, dass sich jene, die in diesen Zeiten dadurch auffallen, dass sie die „objektive Wirklichkeit“ ignorieren, sehr gut mit religiösen Fundamentalisten vergleichen lassen, könnte zu einer Erkenntnis beitragen: In der Auseinandersetzung mit medial verbreiteten Lügen oder Fake News reicht es keineswegs aus, diese entsprechend zu brandmarken oder zu „beweisen“, dass es um eben solche handelt.

Vor diesem Hintergrund greifen wir jetzt die aus medienjournalistischer Sicht maßgeblichen Äußerungen von Trump und Co. auf. Beginnen wir, um den Bayerischen Rundfunk zu zitieren, mit den „mindestens vier“ (BR24) Falschaussagen, die der bereits erwähnte Pressesprecher Spicer in seiner fünfminütigen Rede im Weißen Haus eingebaut hat. Auch Spiegel Online geht in einem Text unter dem Motto „Trumps erster Tag in Zitaten“ darauf ein, darüber hinaus auf eine viral gegangene Drohung Spicers („Es ist in den Medien viel darüber geredet worden, Donald Trump zur Rechenschaft zu ziehen. Das geht aber in beide Richtungen: Wir werden die Presse ebenfalls zur Rechenschaft ziehen“). Vom „first piece of state propaganda“, das die Trump-Administration aufgeführt habe, ist im New York Times Magazine die Rede. 

Schärfer als Spicer hat sich in Sachen Medien noch sein Boss geäußert, er befinde sich "im Krieg“ mit ihnen, sagte Trump bei seiner Rede im CIA-Hauptquartier in Langley. Die Journalisten gehörten zu den "verlogensten menschlichen Wesen auf der Erde“ (siehe zum Beispiel Berliner Morgenpost). Überraschend kommen die kriegerischen Worte Trumps und Spicers in Richtung Presse ja nun nicht gerade, und wenn man ihnen etwas Gutes abgewinnen will, dann vielleicht die Hoffnung, dass Journalisten, Journalistenorganisationen und andere gesellschaftliche Institutionen sowie nicht zuletzt der Pressefreiheit zugeneigte Politiker sich - sofern das überhaupt möglich ist - nun vielleicht noch besser für diesen "Krieg" wappnen.

Den Begriff der Stunde lieferte schließlich am Sonntag Kellyanne Conway, eine Sprecherkollegin Spicers, in der NBC-Sendung „Meet the Press“. Conway, die, um erneut auf Seeßlen zurückzukommen, das Klischee des (weiblichen) Film-Schurken geradezu übererfüllt, sagte, angesprochen auf die Lügen Spicers, dieser habe in seiner Rede vor der Presse „alternative facts“ präsentiert. U.v.a. berichtet Vanity Fair. Von „the End Of Trustworthy Government Data“ ist bei Forbes die Rede. Der erste Seeßlen-Text, der das neue Schlagwort zum Ausgangspunkt hat, ist wohl nur eine Frage der Zeit. Poynter warnt im Übrigen: „Don’t ridicule ‘alternative facts.’ Fact-check them.“

Was aus hiesiger Fernsehkritiker-Perspektive zur Berichterstattung über die  Amtseinführung zu sagen wäre, sagt Katharina Riehl auf der heutigen SZ-Medienseite. Anlass ihres Textes ist die Tatsache, dass für das Erste Programm der ARD das Ereignis des Tages keineswegs Trumps Amtseinführung war, sondern das Bundesligaspiel zwischen dem SC Freiburg und dem FC Bayern (incl. dessen Beplauderung im von Alexander Bommes moderierten „Sportschau Club“):

„Man muss ARD und ZDF nicht bei jeder Großlage die Daseinsberechtigung absprechen, wenn sie nicht vier Stunden am Stück mit Nachrichten auf Sendung sind; manchmal ist es besser, nicht vor laufender Kamera ewig die selben Ungewissheiten zu wiederholen, und keiner der beiden Sender ist ein Nachrichtenkanal. Ein bisschen wundern darf man sich aber, dass die ARD am Abend nach der Amtseinführung, die nicht überraschend kam und die viele Menschen als politische Zäsur verstehen, zwischen 20.15 Uhr und 0.45 Uhr nur eine verkürzte Ausgabe der ‚Tagesthemen’ in der Fußball-Halbzeit sendet und darin vor allem einen Beitrag zeigt, der sehr ähnlich schon in der Tagesschau lief. Für weitere Informationen verwies Ingo Zamperoni an einen Chat bei Facebook, was im Sinne der eigenen Relevanzsicherung ein durchaus bemerkenswertes Signal ist.“

[+++] Wie kann man reagieren auf die Situation in einem Land, in dem die Regierung den „Krieg“ gegen die Medien bereits seit langem führt, und zwar auf eine Weise, die, so ist zu befürchten, Donald Trump imponiert. Das hat sich die taz gefragt, und das Ergebnis der Überlegungen ist das am Donnerstag gestartete taz.gazete. Die dort in türkischer und deutscher Sprache abrufbaren Texte sind zu verstehen „als Korrektiv und als Signal an türkische Kollegen, die der Meinungsäußerung beraubt sind und nicht frei berichten können“, schreibt Canan Topçu bei Zeit Online. „Anstatt über die kaum noch existierende Pressefreiheit in der Türkei zu berichten“, schaffe taz.gazete „mehr als nur eine symbolische Gegenöffentlichkeit.“ Topçu merkt aber auch an:

„Die Frage ist, wie diese Angebote von Rezipienten in der Türkei wahrgenommen werden. Ob Texte, die von deutschen Redaktionen veröffentlicht werden, die Menschen erreichen, die es zu erreichen gilt? Also gerade diejenigen, die von den Hauspostillen der Regierung eingelullt worden sind?“

Es werde „interessant sein zu beobachten“, wie stark die Resonanz in der Türkei auf taz.gazete sein werde. Über das Projekt berichtet auch das „Medienmagazin“ des RBB. Aktuell bei taz.gazete zu finden: ein Text von Michelle Demishevich, die schildert, dass sie als Trans-Journalistin in der Türkei „doppelt ausgegrenzt“ sei:

„Ich bin eine in Istanbul lebende Journalistin. Ja, ich weiß, das hört sich cool an, aber: Ich bin auch eine arbeits- und obdachlose Transfrau ohne Geld. Seit Jahren kämpfe ich als Frau und LGBTI-Person gegen das patriarchale System. Außerdem werde ich von etlichen Berufsverbänden nicht als Journalistin anerkannt, weil wir in der Türkei ein anderes Verständnis von Menschenrechten haben.“

Mehr zum Thema Meinungsfreiheit in der Türkei: Karen Krüger hat für die FAS die Schriftstellerin und Journalistin Asil Erdogan interviewt, die aufgrund ihrer Tätigkeit für die kurdische Zeitung Özgür Gündem 132 Tage in einem Frauengefängnis saß und nun darauf wartet, dass im März der Prozess gegen sie fortgesetzt wird. Erdogan sagt:

„Ich habe meine Stimme (…) für Kurden, Aleviten, Armenier, Gefangene und Flüchtlinge erhoben. Ich habe jede Form von Menschenrechtsverletzung angeprangert. Das ist nicht illegal. Keiner meiner Artikel war zuvor Gegenstand einer juristischen Auseinandersetzung. Özgür Gündem erschien mit Erlaubnis des Innenministeriums und zahlte Steuern. In den Jahren, die ich dort arbeite, habe ich mich meistens ohnehin im Ausland aufgehalten.“

„Trotzdem wirft die Regierung Ihnen und anderen Beratern der Zeitung vor, Terroristen zu sein. Sie werden nach Artikel 302 angeklagt, er ist der schwerstwiegende des türkischen Gesetzbuches und steht immer im Zusammenhang mit Gewalttaten.“

Drei der sechs Berater sind älter als siebzig. Eine ist Schriftstellerin, die andere Verlegerin, eine Linguistin. Also bitte, das ist doch kafkaesk!“

Am Wochenende sind weitere ausführliche und instruktive Interviews mit Journalistinnen erschienen. Anja Burri hat für die NZZ am Sonntag mit der Kriegsreporterin Janine di Giovanni gesprochen, die darauf eingeht, dass es heute vor allem in Syrien viel gefährlicher sei als in früheren Jahrzehnten in anderen Kriegsregionen. In den 1990er Jahren Sarajevo zum Beispiel wurden 

„viele Kollegen (…) schwer verletzt. Eine Kollegin von CNN zum Beispiel verlor ihr halbes Gesicht. Wer zur falschen Zeit am falschen Ort war, konnte sterben. Heute, und besonders in Syrien, ist es jedoch anders. Aus der Sicht gewisser Kriegsparteien sollen die Journalisten sterben. Man will sie töten, weil sie Reporter sind. Denn sie stehen für den Mut, das zu sagen, was man denkt. Und das ist genau das, was radikale Organisationen wie der IS hassen. Sie wollen weder Meinungsfreiheit noch Frauen, die über Kriege schreiben.“

Um die Frage, welche Kriege viel mehr Aufmerksamkeit verdienten als bisher, geht es ebenfalls:

„Ich möchte gerne nach Jemen reisen. Über diesen Krieg wird fast nicht berichtet."

„Und es ist einer der gefährlichsten Orte für eine westliche Journalistin.“ 

„Ja, es wird extrem schwierig und teuer werden, dorthin zu kommen. Aber ich habe einen Unicef-Bericht gelesen: In Jemen stirbt alle 30 Minuten ein Kind. Alle 30 Minuten! Das ist eine schreckliche Zahl.

Die Probleme, mit denen Dunja Hayali und Anja Reschke konfrontiert sind, muten, verglichen mit denen Asil Erdogans, Janine di Giovannis und vielleicht auch mancher Journalistin in Trumpistan, klein an - so ungerecht das auch klingen mag. Der Tagesspiegel am Sonntag hat mit den öffentlich-rechtlichen TV-Journalistinnen ein Interview unter anderem über den Umgang mit Shitstorms geführt. Reschke sagt: 

„Mein Tiefpunkt kam nach der Jauch-Sendung …"

„... im Oktober 2015 stritten Sie mit dem AfD-Politiker Björn Höcke in der Talkshow über Flüchtlinge …“

„Die Reaktionen waren so schlimm, dass ich mich gefragt habe: Wohin würde ich denn fliehen, wenn die Stimmung in diesem Land kippt?

"Zu welchem Schluss sind Sie gekommen?""Das war ganz schön schwierig. In Frankreich gibt es Le Pen, der ganze Osten kommt politisch nicht infrage, England nicht wegen der Brexit-Bewegung, in Amerika bahnte sich Trump an. Kanada? Ich wollte in Europa bleiben."

Hayali merkt dazu an: 

Ich hätte nie für möglich gehalten, mich ernsthaft mit dieser Frage auseinandersetzen zu müssen. Das erinnerte mich an die frühen 90er Jahre, als es die ersten Anschläge auf Asylbewerberheime gab. Einer meiner besten Freunde hat zu mir gesagt: ‚Wenn es hart auf hart kommt, verstecke ich dich bei mir im Keller.‘ Wir haben damals darüber gelächelt. Heute fühlt es sich realer an, als mir lieb ist.“

[+++] Wessen allgemeineren Geistes Kinder sind eigentlich jene Zeitgenossen, die keine Gelegenheit verpassen, Streaming-Angebote dafür zu preisen, dass dort Inhalte jederzeit verfügbar sind? Dietrich Leder findet in einem der „Internet-Kommunikation“ gewidmeten Kapitel seines TV-Jahresrückblicks für die Medienkorrespondenz darauf eine provokative Antwort. Er kritisiert die etwa von Netflix oder Amazon Prime verbreitete „Ideologie“, dass

„nur in der freien Zeitwahl einer Sendung so etwas wie die liberale Marktwirtschaft möglich sei (…) In der modernen Welt erscheinen die Streaming-Angebote wie jene Supermärkte, die in endlos scheinenden Reihen in unendlich wirkenden Variationen eine zwar unübersichtliche, aber stets glitzernd vielfältige Warenwelt präsentieren. Andreas Gursky hat diese Vorstellung in seinem Bild 99 Cent II Diptychon (2001) visuell ad absurdum geführt.“

Um die Freies-Sehen-für-freie-Bürger-Fans zu ärgern, fragt Leder auch noch: 

„Gleicht die große Freiheit der individuellen Programmierung nicht fatal der Logik des Individualverkehrs, der gewiss seine großen Vorteile hat, der aber dazu führt, dass in den Staus Tausende Fahrer allein in ihren Kraftwagen sitzen, die für vier und mehr Personen ausgelegt sind, dass der Individualismus nicht nur die Zwangskollektivierung des Staus hervorbringt, sondern zugleich die Luft verpestet? Eine Ökobilanz des Streamings, das riesiger Serverparks bedarf, hat bislang noch keiner aufgemacht. Doch es liegt auf der Hand, dass eine programmierte Ausstrahlung des linearen Fernsehens weit weniger Strom verbraucht, als wenn dieselbe Zuschauerschaft, die ja in die Millionen gehen kann, die jeweilige Sendung um Stunden, Minuten oder gar Sekunden zeitversetzt individuell sieht.“

David Pfeifer befasst sich in der SZ vom Wochenende derweil mit dem aktuell vermeldeten Abonnenten-Zuwachs bei Netflix:

„Wir wissen (…) nur, dass der Streaming-Dienst Netflix die Zahl der Neukunden in den letzten drei Monaten des Jahres 2016 fast verdoppelt hat - laut Netflix-Gründer Reed Hastings auf sieben Millionen. Was bedeutet, dass derzeit 93,9 Millionen Menschen weltweit Netflix abonnieren. Das klingt erst einmal nach sehr viel, (…) bleibt am Ende doch (…) neblig (…) Es fehlt nämlich die entscheidende Referenzgröße, um das ‚mehr‘ einordnen zu können, beispielsweise deutsche Nutzerzahlen. Ob Netflix hierzulande mit den großen Sendern konkurriert oder doch eher mit den Spartenkanälen Sixx oder RTL Nitro, lässt sich nicht abschließend klären, Letzteres dürfte wahrscheinlicher sein.“

Pfeifers Fazit:

„Erst übermorgen werden wir erfahren, ob (…) ob die Streaming-Angebote dem Fernsehen ernsthaft den Rang ablaufen können oder nur ein schicker Service für faule Cineasten bleiben, die es von der Couch nicht mal mehr ins Kino schaffen.


Altpapierkorb

+++ Wie die Parteien im Bundestagswahlkampf im Netz agieren werden, hat Markus Wehner für die FAS notiert:  „Manche (Falschmeldungen) müssen schnell dementiert werden, andere wollen die Parteien eher ignorieren, um sie nicht aufzuwerten. ‚Bei Falschmeldungen werden wir von Fall zu Fall entscheiden, wo die Schwelle erreicht ist, an der wir reagieren müssen‘, sagt CDU-Mann (Stephan) Hennewig. Die Grünen sehen das auch so, wollen es dabei aber nicht belassen. ‚Wir prüfen gerade, ob wir beleidigende oder bedrohende Inhalte auf unseren Seiten automatisiert löschen lassen‘, sagt (Robert) Heinrich. Junge Entwickler aus Brandenburg bieten eine solche Software an, die auch Medienhäuser bereits nutzen. Daneben haben die Parteien ‚Feuerwehreinheiten‘ im Netz. Das sind Mitglieder, die sich in geschlossenen Gruppen auf Facebook oder Whatsapp organisieren. Wenn schnell gehandelt werden muss, greifen sie kommentierend in den sozialen Netzwerken ein. Denn ein juristisches Vorgehen gegen die Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder ein Löschen durch den Anbieter dauert lange.“ Der Artikel steht noch nicht frei online.

+++ „Weil ihnen der Bund im Kampf gegen sogenannte Social Bots zu zögerlich agiert, haben die Länder-Justizminister von Hessen, Sachsen-Anhalt und Bayern nun die Initiative ergriffen. Sie wollen einen bereits vom Bundesrat beschlossenen Gesetzesentwurf, der einen neuen Straftatbestand zum ‚Digitalen Hausfriedensbruch‘ einführen würde, auch auf Meinungsroboter anwenden“ - so beginnt die Spiegel-Online-Kurzfassung eines Beitrags aus der aktuellen Printausgabe über Maßnahmen gegen Social Bots.

+++ In der Serie zu 70 Jahre Spiegel geht es in der neuen Ausgabe um die „Wirkung“ des Magazins: „Zu Beginn meiner politischen Karriere war ich von Journalisten und ihrer Arbeit fasziniert, weil sie für mich ‚Macht‘, an der ich teilhaben wollte, verkörperten“, sagt dazu Gerhard Schröder (Seite 52). Wer heute am Anfang einer „politischen Karriere“ steht, wird so etwas vermutlich nicht sagen.

+++ „Die Angst vor Breitbart finde ich (…) kurios“, sagt im SZ-Wochenendinterview der Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Schweiger, Autor des demnächst erscheinenden Buchs "Der (des)informierte Bürger im Netz - Wie soziale Medien die Meinungsbildung verändern.“ Er sagt dies mit Blick auf die große Social-Media-Reichweite, die „rechtsalternative Angebote für den deutschsprachigen Raum“ bereits erreichen. „Unter den Top 50“ finde man "etwa 15“ von ihnen. „Sie liegen auf einem Level mit mittelgroßen journalistischen Angeboten. Nach einer unveröffentlichten Online-Umfrage an meinem Lehrstuhl kann man sagen: 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung nutzen rechtsalternative Angebote.“ Ich finde ja den Begriff „rechtsalternative Medien“ kurios, aber ich bin ja auch kein Kommunikationswissenschaftler.

+++ Peter Weissenburger hat für die taz mit Susanne Schneider gesprochen, die im Vorstand des Verbands Deutscher Drehbuchautoren (VDD) sitzt. Unter anderem geht es um Serien: Die politische Gegenwart ist ein No-Go. Historisches geht, Beispiel ‚Weissensee‘ oder ‚Deutschland 83‘, aber Intrigen und Verwicklungen im Parlament, Korruption, Machtspiele wie bei ‚Borgen‘ oder gar ‚House of Cards‘, so etwas geht einfach nicht.“

+++ Die taz berichtet des weiteren über die „einzige (Petition), die sich auf change.org an ‚Medienschaffende in Deutschland‘ richtet“ - bzw. über die Reaktionen darauf. „Keine Bühne mehr für Rainer Wendt (DPolG) - er spricht nicht für die ganze Polizei!“ ist der Appell überschrieben, mit dem Initiator Oliver von Dobrowolski Journalisten davon zu überzeugen versucht, bei „Polizeithemen“ auf seriösere und kompetentere O-Ton-Geber zurückzugreifen als den Rabauken Wendt.

+++ Außerdem stellt die taz noch die Mystery-Serie „Wishlist“ vor, das gerade für den Grimme-Preis nominierte „Vorzeigeprodukt“ des ARD/ZDF-Jugendangebots Funk.

+++ Der Blog VG Info schließlich, hinter dem eine „Gruppe von Autor_innen (steht), die sich für Urheberrecht und aktuelle Entwicklungen der Verwertungsgesellschaften interessiert“ (Selbstdarstellung), gibt seiner Genugtuung darüber Ausdruck, dass die FAZ am Samstag eine Richtigstellung ihrer VG-Wort-Berichterstattung veröffentlichen musste: „Darin räumt das Blatt ein, dass es in gleich drei Artikeln gegen seine journalistischen Sorgfaltspflichten verstoßen hat.“

Neues Altpapier geht es wieder am Dienstag.

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