Eine Wunderwaffe namens Miss Liberty

Eine Wunderwaffe namens Miss Liberty

Der Begriff des Krisenbogens passt sehr gut. Er reicht politisch von der Ukraine bis nach Afghanistan. Dabei sind die Medien, die über den Bogen berichten, selbst in der Krise. Ob Wunderwaffen helfen?

Wie Politik und Medien funktionieren, ließ sich am vergangenen Wochenende wieder beobachten. Die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr ist bekanntlich in aller Munde. Es gab jeden Tag neue Meldungen über Flugzeuge und Hubschrauber, die nicht fliegen, und Bundeswehr-Ausbilder, die nicht ausbilden. Dafür war die Bundesverteidigungsministerin in Erbil bei den Kurden zu Besuch, um dort jene Unterstützung zuzusichern, die leider nicht ankommt. Nun machte sich Hohn und Spott über die Verhältnisse bei der Bundeswehr breit. Was haben wir gelacht. Tatsächlich musste sich jeder Experte schon seit Jahren wundern, warum die Bundeswehr überhaupt noch funktioniert. Sie war auf Sparkurs getrimmt worden, weil in Deutschland nichts so unpopulär ist, wie steigende Militärausgaben. Ältere Zeitgenossen erinnern sich noch an die frühere Finanzexpertin der SPD, Ingrid Matthäus-Maier, die in den 1990er Jahren den damaligen „Jäger 90“ (und heutigen Eurofighter) als Sinnbild für Geldverschwendung brandmarkte. Ein Politiker, der höhere Verteidigungsausgaben verlangt, kann bis heute seinen Dienst quittieren. Was muss man also tun? Jeden platten Reifen bei der Bundeswehr zum Sinnbild für ihre Unterfinanzierung werden lassen. Entsprechende Papiere aus Hardthöhe und Bendler-Block den auf Skandal und lustige Anekdoten getrimmten Medien überlassen. So schafft man ein mediales Umfeld, um in der kommenden Woche des Pudels Kern zu finden: Höhere Verteidigungsausgaben. Selbst Pazifisten werden dagegen nichts mehr einzuwenden haben. Ihnen bleibt das Lachen nun im Halse stecken. Dagegen ist eine rationale Debatte über Einsatzprofil und Mittelausstattung chancenlos. Ansonsten interessiert sich nämlich niemand in Deutschland für die Bundeswehr.

[+++] Dazu passt die schöne Geschichte über den Einsatz eines saudischen Prinzen und Miss Liberty aus Katar auf Seiten arabischer Luftwaffen. Beide waren schon bei der ersten Angriffswelle gegen den Islamischen Staat in Syrien dabei. Mariam al-Mansuri, so heißt die Dame, brachte es zu Schlagzeilen auf der ganzen Welt und in der Welt: „Weibliche Wunderwaffe gegen Steinzeit-Islamisten“. So eine Schlagzeile kann sich noch nicht einmal eine PR-Agentur Katars ausdenken, die das in jüngster Zeit angeschlagene Image des Öl-Emirats aufpolieren möchte. Verhindert der Tod aus Frauenhand gar den Einzug in das Paradies mit den 72 Jungfrauen für die ISIS-Kämpfer? Das setzte aber im Jenseits eine funktionierende Statistikbehörde voraus, wenn soviel säkulares Denken erlaubt sein sollte. Aber dafür bekommt Frau al-Mansuri Heiratsanträge. Allerdings wohl nicht von Fox-TV Moderatoren aus den USA. In Deutschland interessiert sich zwar kein Mensch für eine ernsthafte militärpolitische Debatte, aber dafür gehen Geschichten über den Sexismus immer. Wenn sich ultrakonservative TV-Moderatoren aus den USA über Frauen am Steuer lustig machen, ist das hierzulande immer eine Möglichkeit, seine richtige gesellschaftspolitische Gesinnung zu demonstrieren. Was dabei vergessen wird: Der Mythos vom Fliegerhelden wird in diesen Tagen lediglich wiederbelebt. Die Nachwirkungen der damaligen Propagandaschlacht aus dem 1. Weltkrieg findet man bei uns buchstäblich noch an jeder Straßenecke. Man darf gerne nach den Straßen suchen, die an Max Immelmann, Oswald Boelcke oder Manfred Freiherr von Richthofen erinnern. Hermann Göring geriet aber aus den bekannten Gründen aus der Mode.

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[+++] Dafür ist die Ukraine-Krise für die öffentlich-rechtlichen ARD und ZDF noch nicht ausgestanden. Nach der ARD muss sich jetzt auch das ZDF der Kritik an seiner Berichterstattung erwehren. Dabei geht das ZDF in die Offensive:

„Ich habe die Situation genutzt, um meine Mitarbeiter, die oft unter Einsatz ihres Lebens über Krisen in der Welt berichten, gegenüber Vorwürfen zu verteidigen. Zu beiden Fragen von Frau Lötzsch habe ich Stellung genommen", sagt Frey. Der Vorsitzende des ZDF-Fernsehrats, Ruprecht Polenz, springt Frey unterdessen zur Seite: Der Verlauf der Sitzung sei durch die Medienberichte auf den Kopf gestellt worden. Tatsächlich habe sowohl der Programmausschuss Chefredaktion als auch der Fernsehrat "die Krisenberichterstattung des ZDF zur Russland-Ukraine-Krise und zum Gaza-Krieg ausdrücklich anerkannt und gelobt", so Polenz.“

Medienberichte haben den Verlauf der Sitzung auf den Kopf gestellt? Erlebt das ZDF jetzt das, was unter anderem in Zusammenhang mit der Ukraine diskutiert wird? Aber immerhin ist es jetzt möglich, durch die Kontrastierung von Positionen dem Leser die Möglichkeit zu geben, sich ein eigenes Bild zu machen. Warum Pressefreiheit kein selbstverständliches Gut ist, erlebt man in Russland. Angesichts solcher Erfahrungen wird man aber in der EU bestimmt davon absehen, sich in der eigenen Medienpolitik an diesem Russland zu orientieren. Etwa wie das der CDU-Europapolitiker Michael Gahler schon Ende August im Deutschlandfunk thematisiert hatte und eine angemessene Würdigung verdient hat:

"Zum Beispiel aus meiner Sicht sollte man in den Bereich der persönlichen Sanktionen, die wir ja schon etwas länger eingeführt haben, die Personen zum Beispiel im Bereich der, wie nennt man die, Kulturschaffenden mit einbeziehen, die sich besonders in der Propaganda mit hervorgetan haben, die sich also haben einspannen lassen. Oder Journalisten, die in unsäglicher Weise die Wahrheit verdrehen, ihr Berufsethos verletzen. Alle haben den gesehen, der mitgelaufen ist bei der Liveübertragung dieses schändlichen Umzugs der gefangenen ukrainischen Soldaten in Donezk. Solche konkreten Personen, die auch in Russland überall bekannt sind, die sollten aus meiner Sicht auf so eine Liste, aber auch europäische oder amerikanische Staatsbürger, die für "Russia Today" arbeiten. Den Amerikanern könnte man auch die Einreise nach Europa verweigern, und den Europäern vielleicht, die in Amerika, damit man auch bei uns deutlich macht, wer sich zu so etwas herablässt oder dafür bezahlen lässt, der wird auch persönlich sanktioniert."

Schließlich hat man sich in westlichen Demokratien noch nie von der Politik vorschreiben lassen, wie der journalistische Berufsethos zu definieren ist. Ansonsten erinnern wir hier an George Clooney.


Altpapierkorb

+++ Besagter George hat dafür am Sonntag in Venedig geheiratet. Dazu findet man überall die richtigen Worte. Er in Grau, sie in streibarem Weiß. Im Gegensatz zu den Piloten aus dem 1. Weltkrieg brauchte er keine Heiratsgenehmigung. Ist das bei Frau al-Mansuri eigentlich auch noch der Fall? So hat Frau Ferres keine Pilotin geheiratet, was immerhin originell gewesen wäre. Es reichte nur für einen mickrigen Millionär.

+++ Der Spiegel berichtet in dieser Woche über die Klage eines Missbrauchsopfers gegen den Odenwald-Film der ARD.

+++ Zudem über den Versuch eine Videofilm-Plattform an den Mann zu bringen. Noch nicht einmal Netflix wollte anbeißen.

+++ Dafür hat der Spiegel ein wichtiges Thema namens Medienethik aufgegriffen. "Zwei Menschen werden vermisst, vieles deutet darauf hin, dass sie tot sind. Die Aufgabe von Journalisten ist klar: objektiv und wahrheitsgetreu über das Geschehen zu berichten. Das gehört zu unserem Beruf. ... . Bei den vermissten Extrembergsteigern Sebastian Haag und Andrea Zambaldi fällt uns das schwer. Es fällt uns schwer, nur unserer Arbeit nachzugehen und nüchtern zu berichten. Die beiden waren zwar keine Kollegen, keine Reporter, die in unserem Auftrag unterwegs waren. Aber es gab persönliche Kontakte zu ihnen, und es bestehen noch immer Kontakte zu ihrem Team.Wir haben intensiv über ihr Vorhaben berichtet, einen Weltrekord im Himalaja aufzustellen, in Texten, Videos, mit einer Karte, auf der unsere Leser den Standort der Bergsteiger verfolgen konnten. Wir haben den Rekordversuch als einziges deutsches Medium zum prominenten Thema gemacht. Wir waren beeindruckt vom Mut der Bergsteiger, von ihrem Sachverstand, ihrer präzisen Vorbereitung und, ja, auch von ihrer Risikobereitschaft."

+++ Wolfgang Büchner ist noch im Amt. Allerdings ist die Risikobereitschaft beim Spiegel nicht so ausgeprägt, eine entsprechende Seite www.wolfgangbuechneristnochimamt.de freizuschalten. Außerhalb der Medienblase ist das Interesse an solchen Rekordversuchen wahrscheinlich zu gering. Aber dafür versuchte am Sonntag die Welt eine Bestandsaufnahme zu machen.

+++ Die taz probiert es dafür mit etwas Neuem, um durch die Medienkrise zu kommen. Die Funkegruppe (früher WAZ) versucht es dagegen mit der Insolvenz eines Zeitungszombies.

+++ Was noch fehlt? Der Dauerbrenner China und die Deutsche Welle.

Das nächste Altpapier gibt es wieder am Dienstag.

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