Die Gruppe: Boah!!!

Die Gruppe: Boah!!!

Heute mit Bleiwüsten im iPhone, Grenzverletzungen im Internet, einer Runde fröhlicher Formel 1-Journalisten und dem Papst am iPad.

Zunächst muss eine sozusagen überkonfessionelle Meldung heraus: Seit heute ist die Vatikan-News-Seite news.va online. Wer das englischsprachige Angebot besucht, wird mit der Schlagzeile "A Historic Tweet" und einem Foto begrüßt, das den Papst beim staunenden Berühren eines iPads zeigt (hier der Youtube-Clip dazu). Vielleicht also krempelt bald schon eine Allianz zwischen Benedikt XVI. und St. Jobs die Medienlandschaft schon wieder völlig um.

Zumindest soll demnächst auch eine deutschsprachige news.va-Version herauskommen (Tsp.).

Einstweilen werden in der deutschen Medienlandschaft die klassischen Schismen beackert. Einerseits meldet das Handelsblatt exklusiv "Springer-Verlag greift Apple an", womit ihm zumindest eine klickträchtige Überschrift gelungen ist. Liest man das Kleingedruckte, geht es eher bloß darum, dass der Springer-Konzern seinen "Internetkiosk" mit dem Apple-artigen Namen "iKiosk" auch für Verlage wie denjenigen Hubert Burdas zu öffnen gedenkt. Und also noch weniger bekannte deutsche Internetkioske wie Pubbles (Gruner+Jahr/ Bertelsmann) und Pageplace (Deutsche Telekom), ähm, angreift.

Andererseits hatte man die öffentlich-rechtlichen Anstalten nach den jüngsten wenig nachvollziehbaren Attacken der Verlegerlobby ja fast schon wieder etwas ins Herz geschlossen. Doch deren Spitzenvertreter haben den Auftrag zur Grundversorgung mit Ausgewogenheit sozusagen mit der Muttermilch eingesogen. Daher versammelten sich die Intendantinnen und Intendanten der ARD wieder und sandten das gewohnte Feuerwerk an eher nichtigen Pressemitteilungen, das "abwechslungsreiche Sommer" und "weltpolitische Krisenzeiten" in liebenswerter Form mixt. Auch der Hinweis, dass sich ARD-Fernsehzuschauer ab September auf "anregende Gespräche" freuen müssen, um überhaupt noch abends einschalten zu können noch mehr freuen können, fehlte nicht.

Die nach ARD-Intendanten-PKs gewohnte Meldungscocktail-Zusammenfassung bietet heute allein das Hamburger Abendblatt, beinahe so, als würden andere Zeitungen die ARD mit Nichtachtung strafen. Denn selbstredend äußerte sich die amtierende ARD-Vorsitzende, die WDR-Intendantin Monika Piel, auch zur Verlageklage gegen die "Tagesschau"-App.

Zum Vorwurf, das ARD-Angebot enthielte zuviele Textpassagen, sagte Piel: "Wir haben gar kein Interesse an Bleiwüsten", und führte damit ein hilfreiches neues Reizwort aus einer älteren Epoche der Papierzeitungsherstellung in die Debatte ein. Überdies bereicherte sie diese den Meldungen zufolge (kress.de, Tsp. ...) um die vielversprechende Kategorie der Grenzverletzung:

"Die WDR-Intendantin Piel entgegnet (Mathias) Döpfner nun, dass die Verleger die Grenze zwischen den Medien im Internet selbst verletzten: 'Sehr viele Zeitungen machen Fernsehen, ohne die umfangreichen rundfunkpolitischen Regelungen einzuhalten.'"

Wie wäre es dann mit einer Freiwilligen-Selbstkontroll-Kommission, die diese Einhaltung der Grenzen zwischen den Medien im Internet überwacht? Sie könnte sich zum Beispiel aus Spitzenvertretern der Verlegerverbände, der öffentlich-rechtlichen Anstalten und anderer Mitglieder der Deutschen Content Allianz zusammensetzen. Denn wie abstrus manches Argument auch anmutet - auf Augenhöhe miteinander zu diskutieren, verstehen die Lobbyisten aller Seiten doch sehr gut.

Andererseits, vielleicht wurde Piels von der DPA nur indirekt zitierte Aussage über die Grenzen auch bloß aus einem sinnvolleren Zusammenhang gerissen - wie es ähnlich dem Formal-1-Fahrer Nico Rosberg gegangen ist. Dem wurde, wie u.a. meedia.de und sueddeutsche.de berichten, eine vermeintlich abwertende Äußerung zur Frauenfußball-WM um die Ohren gehauen (u.a. im TAZ-Blog), woraufhin Rosberg den Kontext eines Pressegesprächs mit gutgelaunten Journalisten auf seiner eigenen Webseite online stellte.

"... ...
Nico: Boah, was soll ich jetzt darauf antworten?
Journalist A: Das ist ja die kritische Frage, was soll ich mit Frauen-Fußball anfangen? Oder was soll ich überhaupt mit Frauen-Sport anfangen?
Journalist C: Frauen überhaupt?
Journalist: Nein, nein, nein. Aber verstehst du die Frage: was hat Frauen-Sport überhaupt für eine Berechtigung?
Die Gruppe: Boah!!!"

Falls es noch weiterer Entzauberung des Journalismus bedürfen sollte, diese Bleiwüste dieser kaum illustrierte, dennoch sehr lesenswerte Text ist ein wichtiger Baustein.

Nicht verschwiegen werden darf aber auch eine diskursive Annäherung zwischen Öffentlich-Rechtlichen und den Verlagen, die der Tagesspiegel etwas hintersinnig herbeiführt. Anlass waren jüngste Aussagen der öffentlich-rechtlichen Darlings der Gebühreneinzugszentrale. Der GEZ-Chef Hans Buchholz berichtete dem EPD von im letzten Jahr zurückgegangenen Einnahmen (siehe evangelisch.de), und zwar ganz besonders "im Sendebereich des RBB", also in Berlin und Brandenburg.

Woraufhin das Berliner Blatt für seine Stadt mit weiteren Zahlen eine "Schwarzseherquote von über 22 Prozent" errechnete. Es hat weitere Aussagen Buchholz', in denen er geradezu Döpfner-artig "Gratiskultur" beklagt:

"Der GEZ-Chef sagte auch, dass die Anmeldebereitschaft der jungen Erwachsenen zurückgehe, sprich die 'Gratiskultur' längst auch die Nutzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erreicht hat. 'Viele, die über meldepflichtige Rundfunkgeräte verfügen, nehmen diese gar nicht als solche wahr', sagte Buchholz. 'Früher war klar, was ein Radio- oder Fernsehgerät war. Heute gibt es Handys, Smartphones, Notebooks', die würden von jungen Leuten gar nicht mehr als meldepflichtiges Rundfunkgerät wahrgenommen".

[listbox:title=Artikel des Tages[Piels Debattenbereicherung (kress.de)##Rosbergs Pressegespräch-Protokoll##Die Lage der GEZ (Tsp.)##...die des Guardian (SPON)##Adé, c'ttv (heise.de, Video)]]

Warum diese Entwicklung und die vielen Schwarzseher der GEZ und deren Auftraggebern von ARD und ZDF inzwischen recht gleichgültig seien, will der Tsp. aber auch schon wissen: weil ab 2013 die neue Haushaltsabgabe anstelle der GEZ-Gebühren "die Erhebungsgrundlage verändern und ...die Zahl der Schwarzseher deutlich vermindern" werde.

Und darüber haben die breiten Diskussionen ja noch nicht einmal begonnen


Altpapierkorb

+++ "Leider hat Kai-Hinrich Renner, stets bestens informierter Medienmann des Hamburger Abendblattes" (hier mit ehrfurchtgebietendem Foto, AP) "seine Kontakte nicht spielen lassen, um herauszubekommen, ob Kai Diekmann, erster Volksempfänger von Gottes Worten und mit dem Papst voll dicke, Pate steht" (die TAZ-Kriegsreporterin in ihrem "Kolümchen" zur o.g. Vatikan-Newsseite). +++

+++ Mehr zur Verlageklage: Die acht Kläger bekommen Beistand von Lokalzeitungsverlegern (meldet der österreichische Standard). +++ Dass Podiumsdiskussionspräsenz nicht gegen betriebswirtschaftliche Probleme hilft, arbeitet nun auch SPON am Beispiel des Guardian-Chefredakteurs Alan Rusbridger heraus. +++

+++ "Deutschlands zweitschönste Nachrichtenagentur DAPD" ist zumindest online Thema der TAZ. Es geht um aldiartig immer preiswertere Angebot der DAPD sowie um den mit Otto Schily, Winfried Scharnagl und Dieter Stolte, also "konservativen Knochen", prominent besetzten Beirat der Agentur. +++ Nicht dabei, aber heut mit einer Würdigung des in Pension gehenden Deutschlandradio-Programmdirektors Günter Müchler im Tagesspiegel vertreten: Ernst Elitz ("Als passionierter Nicht-Fernsehgucker wird Müchler nun wahrscheinlich - wie seine Hörer - immer jünger"). +++

+++ Ein im Umfang gewaltiges (fast 11.000 Zeichen), durchaus lesenswertes Porträt des Zeitungsverlegers Dirk Ippen bringt die FAZ auf ihrer Medienseite. "In der Zeitungskrise des vergangenen Jahrzehnts war von Ippen nichts zu hören - außer, dass bei ihm nicht entlassen wurde, dass seine Zeitungen auffallend wenig Auflage einbüßten", schreibt Hannes Hintermeier unter der Überschrift "Auch in der zweiten Liga spielt man schön". +++ Ferner ebd.: die Bitkom-Meldung, derzufolge "viele Deutsche beim Datenschutz im Internet ...zu Extrempositionen wie Gleichgültigkeit oder übermäßiger Vorsicht" neigten. +++

+++ Ein Fernsehfilm im Feuer der Meinungen: "Ein guter Sommer", heute in der ARD, "hat den Nachteil, ein großes Vorbild zu haben: François Truffauts Meisterwerk 'Jules & Jim' von 1962", räsoniert Johannes Willms in der Süddeutschen. "Auch wenn es pathetisch klingt, die zurückhaltend inszenierte Tragikomödie... macht einfach nur glücklich", würde Markus Ehrenberg (Tsp.) sagen. Siehe auch hier, da...+++

+++ Dass beim öffentlich rechtlichen Fernsehen "der Rotstift wütet" und "die Zeiten für Verleger nicht gerade rosig sind", dies schreibt aus der relativ unverdächtigen Sicht des Heise-Verlags Georg Schnurer, und zwar zum Aus der Hessischer Rundfunk/ Heise-Koproduktion c't-TV. +++

+++ Womöglich von der schon erwähnten ARD-Meldung "Die ARD ist auch in weltpolitischen Krisenzeiten für die Menschen die Informationsquelle Nr. 1" inspiriert: der Süddeutsche-Artikel "Die Kluft/ Bad News, good News: Wer von Katastrophen profitiert". Darin schlüsselt Katharina Riehl auf, wem die Katastrophe um Fukushima hierzulande Reichweite brachte: "Von den schlechten Nachrichten profitierten andere: die Nachrichtenkanäle ntv und N24 und die Online-Seiten", gedruckte Medien, ähm, profitierten offenbar nicht. +++

+++ Insofern nur konsequent, dass die heutige SZ-Medienseite arg gedrängt ausschaut, weil auf der unteren Hälfte der Seite eine recht merkwürdige Eigenanzeige ("Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob sie wirlich meinetwegen kommen") für die Vinothek der Süddeutschen Zeitung prangt.+++

Neues Altpapier gibt's wieder am Donnerstag.
 

 

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