Realer Bibelkuchen und inspirierte Schokolade

Realer Bibelkuchen und inspirierte Schokolade

Menschen haben die Bibel aufgeschrieben, so viel ist schon mal klar. Doch immer noch bleibt die Frage offen: Wie kommen diese Menschen zu den Worten, die sie da formuliert haben? War es ein wörtliches Diktat Gottes, so wie es die Anhänger der Verbalinspiration vertreten? 

Ein Großteil der Christen dürfte diese ziemlich radikale Meinung ablehnen. Doch wie ist das „Wort Gottes“ dann zu verstehen? Wenn wir einmal davon ausgehen, dass die Bibel in irgend einer Weise, nennen wir es mal sehr zurückhaltend: von Gott beeinflusst wurde – wie könnte das geschehen sein?

 

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Ein Ansatz ist die so genannte Realinspiration, von Lateinisch „res“, die Sache. Das geht ungefähr so: Ja, Gott war bei den Autoren der Bibel wirklich präsent. Er hat ihnen eingegeben, was sie schreiben sollten – aber er hat es ihnen nicht wörtlich diktiert. Eher die Sache, um die es geht. Den Sinn. Die Richtung.

 

Also etwa so: Statt das Kuchenrezept wörtlich zu diktieren, stellte er seinen Autoren (ob es auch Autorinnen gab in der sehr patriarchalisch geprägten Gesellschaft?) einen Kuchen hin und sagte: „Beschreibt mal, was ihr da seht“. Und dann fingen sie an: Nüsse sind drin. Schokolade oben drauf. Ja, Mehl ist bestimmt auch drin und Zucker. Butter? Backpulver? Salz? Da fangen dann schon die Unterschiede an. Die „reine Lehre“ der Realinspiration sichert sich aber dann auch wieder ab: Gott war ja dabei. Er hat die Autoren dann schon vor Fehlern und Irrtümern bewahrt, so dass am Ende das richtige Rezept steht, doch in den Worten desjenigen, der es geschrieben hat. Selbst die gleichen Zutaten kann man ja durchaus in verschiedener Reihenfolge aufschreiben oder vielleicht ein wenig anders benennen. Blockschokolade oder Vollmilchschokolade, wer will das schon unterscheiden?

Auf die Bibel bezogen, heißt das: Es kommt nicht so sehr auf das einzelne Wort an. Sondern auf den Zusammenhang, den größeren Sinn. Gewissermaßen auf das Rezept als Ganzes. 

Das ist äußerst praktisch, denn es erspart einem eine Menge argumentativer Verrenkungen im Vergleich zur Verbalinspiration. Wenn der Autor beispielsweise nie etwas von Dinosauriern gehört hat – nun, dann waren sie in seiner Vorstellungswelt einfach nicht vorhanden. Nicht nötig, dass Gott sie einbuddelt – sie werden nur eben in der Bibel nicht erwähnt, obwohl es sie durchaus gegeben haben kann. Kleine Unterschiede im Stammbaum Jesu sind auch kein Problem, denn es kommt ja nur auf die große Linie an, die da besagt: Jesus stammt von König David ab, so wie es die Propheten für den Messias vorhergesagt haben. Und selbst die Schöpfungserzählungen am Anfang der Bibel reden ja in sehr verschiedenen Bildern, aber eben doch davon, dass die Welt von Gott abstammt. Dass sie sich in Sprache und Inhalt widersprechen, ist der jeweiligen Vorstellungswelt des Schreibers geschuldet.

Apropos Vorstellungswelt des Schreibers: Das gilt dann, konsequent weitergedacht, ebenso für das meistens männliche Reden von Gott. Gott ist ja weder Mann noch Frau, und doch sprechen wir meistens von „ihm“, obwohl die Bibel Gott durchaus auch mit einer Mutter vergleicht. Das ist nicht nur einfacher so – es kommt aus der männlich geprägten Gedankenwelt der damaligen Zeit. Ob das Reden von Gott anders wäre, hätte Gott die Bibel wirklich wörtlich diktiert?

Aber schieben wir diesen Gedanken mal beiseite und wenden uns wieder der Realinspiration zu. Das scheint nämlich auch nicht so ganz konsequent durchzuziehen zu sein. Es gibt schließlich eine Menge Bibelstellen, die eigentlich gar nicht so sehr vom Glauben reden. Da geht es um die Geschichte des Volkes Gottes. Texte, die zumindest für uns heute so gut wie gar nicht inspiriert klingen – und es wohl auch nicht sind. Trockene Gesetzestexte des Volkes Israel, die für uns kaum noch von Belang sind: Bei uns jedenfalls wird niemand mehr gesteinigt, während es damals gang und gäbe war. Auch die Speisevorschriften und andere jüdische Gesetze gelten für uns nicht mehr.

Genauso die geschichtlichen Aufzeichnungen, die einfach nur eine Chronik des Volkes Israels darstellen. Dazu seitenlange Ahnentafeln, die allen, die sich mal vorgenommen haben, die Bibel von vorn bis hinten durchzulesen, das Leben schwer machen. 

Sind diese Stellen auch „real inspiriert“? Wohl kaum. Sie sind einfach nur Geschichts- oder Gesetzestexte. Für uns höchstens interessant als Dokumente der Geschichtsschreibung und als Einblick in das Leben der damaligen Zeit.

„Seht ihr, da geht's schon los!“ höre ich die Kritik der „Verbalinspirierten“. Da wird die Bibel doch irgendwie beliebig! Wer könnte das denn entscheiden, welche Bibelstelle inspiriert ist und welche nicht? Wer könnte das denn entscheiden, was von der Bibel dann noch für unser Leben und unseren Glauben von Bedeutung ist und was nicht? Ist das denn noch Glauben, wenn man sich kritisch mit dem Inhalt der Bibel auseinandersetzt? Wenn ich alles, was mir nicht passt, einfach als „Menschenwerk“ abtun kann? Ist ja auch wirklich ausgesprochen praktisch: Die Bibel als Steinbruch benutzen und alles, was mich stört, schlicht als „uninspiriert“ abtun.  

Ich denke, diese Kritik müssen wir durchaus ernst nehmen: Für einen gläubigen Christen, ganz egal welcher Richtung, kann die Bibel nicht eine Schrift sein, aus der er sich nach Belieben das heraussucht, was ihm gefällt, und alles andere verwirft. Dann ist die Bibel keine Richtschnur mehr, sondern dienst nur noch der Selbstbestätigung einer schon vorher gefassten Meinung.

Trotzdem werden wir uns in den nächsten Wochen in dieser Serie gewissermaßen noch weiter entfernen vom Gedanken der „göttlichen Inspiration“ der Bibel. Und damit möglicherweise auch zu einer noch größeren Beliebigkeit finden – oder auch nicht? Wir werden sehen. 

Zum nächsten Teil: Göttliche Autoren und idealer Kuchen

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