Eine zweite Chance für Tiere mit Handicap

Foto von Ziege, die durch Gatter schaut
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Neugierig schaut diese Ziege auf dem Hof "Heilige Seele" durch ihr Gatter.
Tierschutzhof Heile Seele
Ob blind, gelähmt oder traumatisiert: Auf dem Tierschutzhof Heile Seele bekommen Tiere mit Handicap eine zweite Chance - und die nötige Pflege, wenn es sein muss, auch rund um die Uhr.

Auf dem Tierschutzhof Heile Seele in Bad Sachsa steht die Fütterung an. Gründerin und Besitzerin Ann-Christin Pabst steht umzingelt von Lämmern in einem der Gehege und hält zwei Milchflaschen bereit. Die Kleinen stürzen sich schon gierig auf sie. "Ihr seid ein wildes Gewusel hier", sagt sie lachend. Seit 2019 bietet der Tierschutzhof Tieren mit körperlichen und seelischen Einschränkungen ein Zuhause. Viele von ihnen wären sonst getötet worden.

Auf etwa zwei Hektar Land leben im Augenblick Ziegen, Schafe, Pferde, Rinder, Hunde und Katzen - sogar Enten und Gänse. Insgesamt haben dort mehr als 200 Tiere ihr Zuhause. Manche leiden unter epileptischen Anfällen, andere sind gehbehindert oder blind. Für Ann-Christin Pabst sind all das keine Gründe dafür, ein Tier aufzugeben: "Sie haben alle den gleichen Wunsch nach Familie, nach Sonne, Wind, Regen, nach Liebe und Lebensfreude."

Die Arbeit mit den Tieren erfordert viel Zeit. Ein 18-Stunden-Tag sei in der Sommerzeit keine Seltenheit, erläutert die Tierschützerin. Ihren Lebensunterhalt verdient Ann-Christin Pabst etwa durch Seminare, die sie im Bereich Tierkommunikation gibt. Damit will sie Interessierte dabei unterstützen, die Bedürfnisse ihrer Tiere besser zu verstehen. Ihren Hof finanziert Pabst über Geld- und Sachspenden, sowie durch Tierpatenschaften. Ein Weg, der nach Angaben des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat in dem Bereich durchaus üblich ist. Im Koalitionsvertrag sei allerdings festgehalten, dass die Bundesregierung Tierheime und im weiteren Sinne auch Gnadenhöfe bei Investitionen unterstützen wolle, erläutert Pressesprecher Oliver Köhler.

Gründerin Ann-Christin Pabst hat einen Ort geschaffen, an dem Schwäche kein Makel ist, sondern Teil einer besonderen Geschichte.
 

Es seien Vorstellungen von einer anderen Welt, die viele der Betreiber motivierten, sagt Lisa Kainz von der Tierschutzorganisation Peta. "Sinn und Zweck von Lebenshöfen ist es, geretteten Tieren ein möglichst artgerechtes Leben zu schenken und gleichzeitig ein neues Bewusstsein für das Zusammenleben von Tier und Mensch aufzuzeigen - weg von Tierquälerei und Tierausbeutung."

Vergiftete Maggy und erblindete Heidi

Das ist auch Ann-Christin Pabst wichtig. Über ihre Internetseite und andere Veröffentlichungen möchte sie auf die Schicksale der Tiere aufmerksam machen. Für sie ist klar: Tierliebe sollte nicht bei Hund und Katze aufhören. "Wir müssen kein Leben mehr ausbeuten, um satt zu werden", betont sie. Die Hofgründerin hat schon einige schlimme Schicksale miterlebt. Einige Tiere brauchen viel Aufmerksamkeit und Pflege. Das weiße Schaf Maggy, das mit Mutter Molly im Schatten liegt, hat sich dadurch gut entwickelt. Die epileptischen Anfälle durch eine Vergiftung, unter denen Maggy leidet, sind seltener geworden. "Ich habe sie anfangs bei mir im Schlafzimmer schlafen lassen", erzählt Pabst. "Wenn sie einen Anfall erleidet, fällt sie einfach um."

Zu ihren Schützlingen zählt auch die Ziege Heidi, die der 39-Jährigen nicht von der Seite weicht. Heidi ist sehend geboren, aber durch einen bakteriellen Augeninfekt erblindet. Es sei besonders schwer, blinde Ziegen wieder in ihre Herde zu integrieren, erläutert Pabst. Die Vorbesitzer brachten Heidi daher auf den Hof. Denn Pabst hat sich auf die Pflege von Ziegen und Schafen spezialisiert. Die blinden Tiere hält sie in einem eigenen Stall.

Die schwarz-weiß gefleckte Heidi hat ihre Lebenslust nicht verloren. Sie hat sogar eine besondere Fähigkeit. "Heidi kann auch gerne mal alle Tiere aus den Gehegen freilassen, sie kriegt die Tore selbst auf", berichtet Pabst lachend. An allen Toren sind deshalb extra Halsbänder als Verschluss befestigt.
Für Ann-Christin Pabst haben Tiere schon immer eine wichtige Rolle gespielt. "Schon als Kind habe ich verletzte Tiere gefunden, die Hilfe benötigt haben", sagt die 39-Jährige. "Ich glaube, ich habe sie angezogen."