TV-Tipp: "Kommissar Dupin - Bretonischer Stolz"

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17. Juli, WDR, 22.15 Uhr
TV-Tipp: "Kommissar Dupin - Bretonischer Stolz"
Eine berühmte Schauspielerin entdeckt eine Leiche, die kurz darauf spurlos verschwunden ist. Ihre Glaubwürdigkeit wird infrage gestellt, aber Kommissar Dupin nimmt die Ermittlungen trotzdem auf. Ein kluger und komplexer Krimi voll reizvoller Figuren.

Ein Krimi beginnt üblicherweise mit einem Mord oder einem Leichenfund; die Spannung resultiert nun aus der Frage, welche der beteiligten Personen als Mörder in Frage käme. Das allein genügt jedoch nicht, denn wenn die Figuren nicht interessant sind, verliert man als Zuschauer rasch das Interesse. Das ist zwar eine Binsenweisheit, aber viele Autoren vergessen das oft.

"Bretonischer Stolz", die vierte Verfilmung eines Bretagne-Krimis von Jean-Luc Bannelec, hat eine derartige Menge an reizvollen Figuren zu bieten, dass es schon fast wieder zu viel des Guten ist, weil einige schlicht zu kurz kommen. Außerdem schneidet der Film ein paar Themen an, die Clemens Murath, der den bisherigen Autor Gernot Gricksch abgelöst hat, bestimmt gern vertieft hätte, aber die Geschichte ist ohnehin schon fast zu komplex für 90 Minuten. 

Sie beginnt mit einer verschwundenen Leiche: Die einstmals gefeierte Schauspielerin Sophie Bandol (Angela Winkler) stolpert bei einem Abendspaziergang beinahe über einen Toten. Als die Polizei eintrifft, ist der Körper jedoch weg. Während Inspektor Kadeg (Jan Georg Schütte) überzeugt ist, die alte Frau habe sich das alles bloß eingebildet, sieht Kommissar Georges Dupin (Pasquale Aleardi) keinen Grund, an ihren Worten zu zweifeln, zumal er sehr für die Schauspielerin schwärmt. Außerdem bestünde die Alternative darin, an einer Polizeitagung für Führungskräfte teilzunehmen; da sucht er lieber nach einer verschwundenen Leiche.

Offenbar handelt es sich um einen Schotten, der nicht in sein Hotel zurückgekehrt ist. Kurz drauf scheint der Leichnam wieder aufgetaucht zu sein, doch bei dem Toten, der von einer Brücke gestürzt worden ist, handelt es sich um jemand anderen, und jetzt nimmt die Handlung eine Komplexität an, die sich unmöglich in wenigen Sätzen wiedergeben ließe. 

Regie führte Thomas Roth, der auch schon den sehenswerten dritten Film der 2014 gestarteten Reihe, "Bretonisches Gold", inszeniert hat. "Bretonischer Stolz" (TV-Premiere war 2017) ist sogar noch besser, und das liegt nicht nur an der vielschichtigen Handlung. Ähnlich wie bei den Venedig-Krimis nach Donna Leon scheint auch "Kommissar Dupin" mittlerweile einen derart guten Ruf zu genießen, dass namhafte Schauspieler bereit sind, sich selbst für kleine Rollen zur Verfügung zu stellen.

Udo Samel ist eine großartige Besetzungsidee für den eitlen Präfekten, die Rolle von Dupins Chef passt perfekt zu ihm (und umgekehrt). Angela Winkler, deren etwas manierierte Art sicher nicht jedermanns Sache ist, passt wunderbar zu der alten Dame, die deutlich durchtriebener ist, als ihr still vergnügtes Lächeln vermuten lässt. Dupin ist diesmal von auffällig vielen attraktiven Frauen umgeben; dazu zählt neben Annika Blendl als Assistentin Nolwenn auch noch Freundin Claire (Janina Rudenska), die eine Stelle als Ärztin im örtlichen Krankenhaus angenommen hat und nun mehr Zeit mit dem Kommissar verbringen kann, als dem womöglich lieb ist.

Wer die Reihe nicht kennt, wird sich allerdings fragen, warum der freundliche Dupin ein derart distanziertes Verhältnis zu seinen Kollegen hat, dass er nicht mal gemeinsam mit ihnen die bestandene Prüfung seines Mitarbeiters Riwal (Ludwig Blochberger) feiern kann. Andererseits hatte Murath, der zuletzt den "Mordkommission Istanbul"-Zweiteiler "Im Zeichen des Taurus" geschrieben hat, ohnehin genug damit zu tun, angesichts der Fülle des Stoffs und der Vielzahl der Mitwirkenden nicht den Überblick zu verlieren. 

Regisseur Roth wiederum war es ganz offensichtlich wichtig, auch mit seiner Inszenierung Akzente zu setzen. Das gilt nicht nur für die sorgfältige Ausleuchtung gerade der Nachtaufnahmen (Kamera: Arthur W. Ahrweiler), sondern auch für besondere Einstellungen, etwa, wenn sich Dupin als Elektriker probiert und schon der Blick aus der Wand heraus nahelegt, dass er damit nicht erfolgreich sein wird. Man kann diese Details als Spielerei abtun, zumal sie für die Geschichte nicht von Belang sind, aber sie tragen neben den witzigen Soli von Schütte viel zu der eleganten Leichtigkeit bei, die diesen Film auszeichnet. Dazu gehören auch einige längere ungeschnittene Dialogszenen, die Roth und Ahrweiler (der Stammkameramann von Niki Stein hat mit Roth unter anderem diverse Episoden zu "Der Kommissar und das Meer" gedreht) in fließende Bewegungen auflösen.

Mehr als nur eine lobende Erwähnung ist auch die Musik (Fabian Römer, Steffen Kaltschmid) wert, die im Unterschied zu vielen anderen Krimis nicht auf Elektronik setzt, sondern immer wieder einzelne Instrumente in den Vordergrund rückt.