TV-Tipp: "Bring mich nach Hause"

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Montag, 25. Oktober, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Bring mich nach Hause"
Der auf einem authentischen Fall beruhende Film "Bring mich nach Hause" ist ein Appell, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren und sich beizeiten mit diesem Thema auseinanderzusetzen, um den Angehörigen jenen Konflikt zu ersparen.

Der Tod kommt aus dem Nichts: Mitten im Gespräch mit ihrer Tochter Ulrike bricht Martina Hartwig zusammen. Der Notarzt kann die alte Dame zwar reanimieren, aber im Krankenhaus erfahren Ulrike und ihre Schwester Sandra die erschütternde Diagnose: Im Kopf ihrer Mutter ist eine Arterie geplatzt, ihr Gehirn hat schwere Schäden davongetragen. Die Ärzte gehen davon aus, dass sie nicht mehr zu Bewusstsein kommt. Ohne die Unterstützung von Maschinen würde sie sterben.

Sandra ist Wissenschaftlerin, sie betrachtet die Dinge nüchtern und ist überzeugt, dass die Mutter einen derartigen Dauerzustand zwischen Leben und Tod abgelehnt hätte. Martina hat jedoch keine Patientenverfügung ausgefüllt. Ulrike ist zutiefst gläubig, deshalb kommt es für sie nicht in frage, die Geräte abzustellen; sie setzt sich durch, denn es gibt eine Vorsorgevollmacht auf ihren Namen.

Das auf einem authentischen Fall beruhende Drehbuch von Britta Stöckle hat zwei Botschaften. Beide werden nicht ausgesprochen, aber beide sind offenkundig. Der Film ist ein Appell, den Tod als Teil des Lebens zu akzeptieren und sich beizeiten mit diesem Thema auseinanderzusetzen, um den Angehörigen jenen Konflikt zu ersparen, den die beiden Schwestern durchmachen.

Sandra (Anneke Kim Sarnau) möchte der Mutter das Dahinsiechen ersparen und ihr zu einem würdevollen Tod verhelfen. Für Ulrike (Silke Bodenbender) ist dieser Gedanke aufgrund ihres Glaubens undenkbar. Sie hätte das Gefühl, Gott ins Handwerk zu pfuschen, während Sandra argumentiert, gemäß Gottes Wille wäre die Mutter längst tot.

Die Haltung des Films und somit die zweite Botschaft steht außer Frage, was schade ist, denn auf diese Weise kommt es gar nicht erst zu einer fundierten Auseinandersetzung. Sandras Verbündeter ist Martinas Hausarzt (Thilo Prothmann), der bestätigt, dass die Mutter nicht gewollt hätte, womöglich jahrelang künstlich am Leben erhalten zu werden. Ungeschönt lässt Stöckle den Mann beschreiben, welches Schicksal die Patientin erwartet. Weil sich die Handlung über einen längeren Zeitraum erstreckt, kommt es so, wie er prognostiziert hat: Die Zähne fallen aus, es bilden sich Druckgeschwüre, die Organe versagen. Abgesehen vom kurzen Prolog hat die Schauspielerin Hedi Kriegeskotte auf den ersten Blick nicht mehr zu tun, als unbeweglich auf dem Bett zu liegen, aber die scheinbar starre Mimik wandelt sich kaum merklich. Das Maskenbild, das Martinas körperlichen Verfall dokumentiert, ist preiswürdig.

Ein weiteres Manko neben der erwartbaren Besetzung – eine umgekehrte Rollenverteilung wäre viel interessanter gewesen – ist die unnötige Überzeichnung Ulrikes. Aus unerfindlichen Gründen tun sich Fernsehfilme oft schwer, Religiosität objektiv darzustellen. Silke Bodenbender hat eine ganz ähnliche Figur bereits in dem Krimi „Ein Kind wird gesucht“ (2018) verkörpert: eine Mutter, die aufgrund ihres unerschütterlichen Gottvertrauens wunderlich wirkte. Stöckle versieht die Rolle mit weiteren Attributen, die Ulrike als weltfremd erscheinen lassen: Sie hofft auf ein Wunder und möchte ihre Mutter homöopathisch behandeln lassen, was Sandra selbstredend für Humbug hält.

Die christliche Einrichtung wiederum, in der Martina zur Pflege untergebracht wird, ist offenbar allein am Mammon interessiert; Koma-Patienten, vermittelt das Drehbuch, werden nur deshalb am Leben erhalten, weil die Heime auf diese Weise kräftig Kasse machen. Die Leiterin (Anna Grisebach) ist entsprechend unsympathisch. Dass eine Schwester den von Ulrikes Sohn gebastelten Traumfänger als „dummen heidnischen Brauch“ bezeichnet und in den Müll wirft, ist ein weiterer unnötiger Mosaikstein.

Trotzdem ist „Bring mich nach Hause“ unbedingt sehenswert, weil sich der gerade von den beiden Hauptdarstellerinnen vorzüglich gespielte Film sehr seriös und umfassend mit seinem Thema auseinandersetzt. Die enorme finanzielle, physische und psychische Belastung einer Pflege daheim wird ebenso angesprochen wie die diffizile juristische Seite.

Außerdem reduziert das Drama die beiden Frauen nicht allein auf den Konflikt. Sandra, die unter einer kürzlich vorgenommenen Abtreibung leidet, opfert der Sorge um die Mutter den größten Erfolg ihrer Karriere als Astrophysikerin. Ulrike wiederum, die schließlich einsieht, dass Martinas Zustand immer würdeloser wird, wird von ihrem Mann (Christian Erdmann) als Mörderin beschimpft.

Stöckle hat unter anderem mehrere ausgezeichnete Drehbücher zu ähnlich schwierigen Themen für den Regisseur Johannes Fabrick geschrieben, darunter das Drama „Pass gut auf ihn auf!“ (2013), in dem eine krebskranke junge Frau eine neue Gefährtin für ihren Mann sucht; in „Nie mehr wie es war“ (2017) findet ein Vater heraus, dass er 16 Jahre lang ein Kuckuckskind groß gezogen hat.

Die große Stärke ihrer jüngsten und von „Kommissarin Heller“-Regisseurin Christiane Balthasar angemessen zurückhaltend umgesetzten Arbeit ist die Empathie, mit der sie den jederzeit nachvollziehbaren Konflikt der Schwestern schildert. Sie verkörpern das Dilemma, in dem sich jeder Mensch befindet, der in eine ähnliche Situation gerät: abschalten oder nicht? In der anschließenden Dokumentation „Zwischen den Welten“ werden die medizinischen und juristischen Details des Themas vertieft.