Umfrage: Muslime identifizieren sich kaum mit Deutschland

Umfrage: Muslime identifizieren sich kaum mit Deutschland
Stolz, ein Berliner zu sein: Das trifft auf viele dort lebende Muslime zu. Als Deutsche fühlen sich dagegen nur wenige. Ganz anders ist es in anderen europäischen Großstädten.

Viele in Berlin lebende Muslime fühlen sich dort offenbar sehr wohl, identifizieren sich aber kaum mit Deutschland. Das geht aus einer am Montag in der Bundeshauptstadt veröffentlichten Umfrage des Londoner Open Society Institute hervor. Offensichtlich hätten die vielen Integrationsinitiativen nicht ausgereicht, "denn eine wachsende Zahl der Muslime fühlt sich ins Abseits gedrängt", erläuterte der Berliner Integrationsbeauftragte Günter Piening.

Laut der Studie "At Home in Europe - Muslims in Europe", die erstmals europaweit mehr als 1.000 Muslime in elf verschiedenen Großstädten befragt hat, sehen sich nur rund ein Viertel der in Berlin und Hamburg Befragten als Deutsche. In London sind es dagegen 72 Prozent. Und während ein Viertel der Muslime in Europa und 40 Prozent in London das Gefühl haben, von der Mehrheitsgesellschaft als Mitbürger gleicher Nationalität betrachtet zu werden, sind es in Deutschland nur elf Prozent.

Identifikation mit dem Kiez liegt bei 80 Prozent

Zu Berlin fühlten sich allerdings 70 Prozent der dort lebenden Muslime zugehörig, erläuterte die Ethnologin Nina Mühe, die den Berliner Teil der Umfrage erstellt hatte. Die Identifikation mit dem jeweiligen Stadtteil belaufe sich sogar auf 80 Prozent und damit weit höher als in anderen europäischen Städten. "Die Menschen sind stolz, Kreuzberger und Berliner zu sein", sagte Professor Werner Schiffauer von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder, der die Studie wissenschaftlich begleitet hat. "Aber der Satz: 'Ich bin stolz, Deutscher zu sein', geht ihnen nicht über die Lippen."

Das Gefühl der mangelnden Zugehörigkeit zu Deutschland habe vor allem mit den Erfahrungen in den Bereichen Bildung und Arbeit zu tun, erklärte Tufyal Choudhury, der für das Institut die gesamte Studie vorgenommen hat. Falls Muslime die jeweilige Staatsbürgerschaft besitzen und somit wählen dürfen, beteiligten sich europaweit rund 70 Prozent der Muslime an Wahlen.

"Gefühlte religiöse Diskriminierung hat zugenommen"

"Aber die gefühlte religiöse Diskriminierung hat in den vergangenen fünf Jahren zugenommen", sagte der in Großbritannien lehrende Wissenschaftler. So klagten selbst in Berlin über die Hälfte der Muslime über entsprechende Erfahrungen. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Integration leben schätzungsweise 220.000 bis 300.000 Muslime in Berlin. Genaue statistische Daten gibt es nicht, weil die Religionszugehörigkeit nur bei Kirchensteuerpflichtigen erfasst wird.

Das Open Society Institute gehört zum Netzwerk der internationalen Soros-Stiftung. Es engagiert sich eigenen Angaben zufolge in über 70 Ländern für Bürger- und Menschenrechte, für Meinungsfreiheit und das Recht auf Bildung und Gesundheitsvorsorge.

epd