Was Ostern mit dem Vollmond zu tun hat

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Der Vollmond am nächtlichen Himmel. Am Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling feiern die westlichen Christen die Auferstehung Jesu von den Toten.
Was Ostern mit dem Vollmond zu tun hat
Christen in Ost und West feiern die Auferstehung Jesu meistens nicht am selben Tag. Der Streit um den richtigen Ostertermin ist so alt wie das Christentum selbst. Und eine Lösung nicht in Sicht.

Die Christen haben ein Terminproblem. Nein, nicht erst durch die Hektik der Moderne. Manches schleppen sie schon seit zwei Jahrtausenden mit sich herum. Die Frage zum Beispiel, wann Jesus gekreuzigt wurde. Im Jahr 33, wie man lange vermutete? Oder 31, 30, 28? Niemand weiß es genau. Historiker nicht, Theologen erst recht nicht. Die Zahl 33 kam zustande, weil Jesus bei seinem ersten öffentlichen Auftreten ungefähr 30 Jahre alt gewesen sein soll (Lukas 3,23) und bis zur Kreuzigung angeblich drei Jahre vergingen. Aber das ist überholt, weil schon das Geburtsjahr 0 nicht stimmt.

Evangelisten waren nicht datenfest

Auch mit Ostern ist das so eine Sache. Klar, Jesus ist auferstanden. Aber an welchem Datum sollen die Gläubigen das feiern? Schon die Evangelisten waren sich nicht einig, was in der Passionswoche eigentlich wann geschah. Mit den Daten hatten sie es nicht so. Sicher ist nur, dass Jesu Leiden und Auferstehung zeitgleich mit dem jüdischen Pessachfest vor sich ging - das letzte Abendmahl an einem Donnerstag, die Kreuzigung am Freitag, das leere Grab am Sonntag.

Mit Pessach, das vom 15. bis 22. des jüdischen Monats Nisan begangen wird, erinnern die Juden an den Auszug aus Ägypten (2 Mose 12). Am Vortag des Festes wurden im Tempel die Lämmer geschlachtet, mit deren Blut die Israeliten einst ihre Türstöcke bestrichen. Der Nisan ist der erste Frühlingsmonat im jüdischen Mondkalender, der noch heute gilt. Ein Mondmonat hat rechnerisch ungefähr 29 und einen halben Tag, so lange wie eine Mondphase. Jeder Monat beginnt mit Neumond, so dass der Vollmond jeweils auf den 14. fällt. Das ist wichtig für die späteren Osterfeststreitigkeiten.

Johannes verfolgt theologische Absichten

Laut Markus, Matthäus und Lukas feierte Jesus mit seinen Jüngern das Abendmahl am Vorabend des Pessachfestes als traditionelles jüdisches Pessachmahl. Er starb demnach am ersten Festtag, dem 15. Nisan. Der Evangelist Johannes hingegen verlegt das Geschehen um einen Tag vor: Abendmahl am 13. Nisan, Kreuzigung am 14. Nisan. Historiker halten das für plausibler, denn es ist schwer vorstellbar, dass die jüdischen Autoritäten an einem hohen Festtag wie Pessach so umfangreich aktiv wurden, wie es vor Jesu Hinrichtung nötig war: Versammlung der Hohenpriester frühmorgens, Verhandlung vor Pilatus und so weiter.

Auf der anderen Seite verfolgt Johannes mit seiner abweichenden Terminierung aber eine theologische Absicht: Er sieht Jesus als neues Opferlamm, das die Erbsünde tilgt. Deshalb muss der Messias am Vortag von Pessach gleichzeitig mit den Lämmern sterben,die für das Fest geschlachtet werden. Viele Theologen zweifeln wegen dieser Stilisierung die Zeitangaben im Johannesevangelium an.

Abkehr von jüdischen Ursprüngen

Die Urchristen folgten allerdings mehrheitlich der Auffassung des Johannes, Jesus sei am 14. Nisan hingerichtet worden. Paradoxerweise feierten die Gläubigen in Kleinasien, der heutigen Türkei, die Auferstehung an diesem Tag - egal welcher Wochentag es war. Ostern also am Karfreitag. Die Christen in Syrien und Mesopotamien hingegen gedachten der Auferstehung Jesu am Sonntag nach Pessach.

In dieser Auseinandersetzung zwischen sogenannten Quartodezimanern (14. Nisan) und Protopaschisten (Sonntag nach Pessach) setzten sich Letztere bald durch, vor allem in vormals heidnischen Gebieten wie etwa in Rom. Das war zugleich eine Abkehr von den judenchristlichen Ursprüngen der neuen Religion. Auch in der Kalenderfrage siegte Paulus also über Petrus. Ohnehin war die jüdische Kalenderberechnung war nach der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 nach Christus nicht mehr gesichert, da die religiösen Autoritäten fehlten.

Doch aus dem Streit um den Ostertermin wurde bald die erste von vielen Spaltungen innerhalb der Christenheit. Nachdem sich schon Anfang des 3. Jahrhunderts Papst Viktor I. und Bischof Polykrates von Ephesos wegen des Ostertermins heftig befehdet hatten, wurden die Quartodezimaner beim Konzil von Nizäa 325 in der heutigen Türkei aus der Kirche ausgeschlossen. Kaiser Konstantin der Große ließ verkünden, Ostern falle grundsätzlich auf den Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond und nach Pessach.

Aber wann beginnt eigentlich der Frühling, und wann tritt der Vollmond auf? Irgendwann um den 21. März herum, viel mehr konnten die Kalenderexperten damals nicht sagen. Jedenfalls trat der Streit nur ein paar Jahrzehnte nach dem kaiserlichen Machtwort erneut auf. Ostern 387 war nach Ansicht der römischen Christen am 21. März, ihre Glaubensgeschwister in Alexandrien feierten erst am 25. April. Erst der Begründer der christlichen Zeitrechnung, der Mönch Dionysius Exiguus (470-540), beendete mit seinen "Ostertafeln" den Streit – zumindest für ein Jahrtausend.

Orthodoxe übernehmen neuen Kalender nicht

Dann nämlich fiel den Astronomen von Papst Gregor XIII. auf, dass das errechnete Datum für den ersten Frühlingsvollmond immer stärker vom Lauf der Gestirne abwich - ganz abgesehen davon, dass dieser auch kurz vor dem 21. März eintreten konnte. Der julianische Kalender, der zu viele Schalttage enthielt, wurde 1582 durch den gregorianischen ersetzt. Dabei mussten zehn Tage übersprungen werden. Den Protestanten und den Ostkirchen gefiel das nicht – die evangelische Christenheit übernahm den neuen Kalender erst im 18. Jahrhundert, die Orthodoxen bis heute nicht. Zumindest nicht beim Ostertermin. Eine Ausnahme bilden lediglich die orthodoxen Christen in Finnland.

So kommt es, dass die Auferstehung Jesu heute in Ost und West zumeist an verschiedenen Sonntagen gefeiert wird. Identische Termine wie 2014 sind eher die Ausnahme als die Regel. Versuche zur Vereinheitlichung gab es schon viele. 1897 wandten sich Astronomen deswegen an den Papst, 1931 sogar der Völkerbund. In Deutschland starteten Katholiken und Orthodoxe eine Initiative für einen gemeinsamen Ostertermin. Sogar der Weltkirchenrat schlug vor, das westliche Berechungsmodell für verbindlich zu erklären, aber als Grundlage für die Mondberechnung nicht mehr den Nullmeridian von Greenwich zu verwenden, sondern den Längengrad von Jerusalem.

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Doch für die Orthodoxen war der gregorianische Kalender seit jeher Teufelswerk – eine päpstliche Neuerung, die in Russland noch dazu von den Kommunisten eingeführt worden war, nämlich 1918 kurz nach der Oktoberrevolution, das geht gar nicht. Neben dem Moskauer Patriarchat wenden sich vor allem die Mönche vom Berg Athos in Griechenland gegen jeden Kompromiss und wollen ihren eigenen Ostertermin beibehalten. Der kann übrigens sogar im Mai liegen – denn neben der Vollmondregel gilt im Osten auch das Prinzip, dass Ostern nicht vor dem jüdischen Pessach liegen kann.

Im Westen 35 Möglichkeiten

So paradox die Geschichte erscheint, es gibt noch ein paar weitere Merkwürdigkeiten. Zu den 35 terminlichen Möglichkeiten, die es im Westen für das Fest der Auferstehung gibt, nämlich vom 22. März bis zum 25. April, kommen die sogenannten Osterparadoxien. Die treten dann auf, wenn sich Frühling und Vollmond nicht an den Kalender halten, wenn also der Frühlingsbeginn vor dem 21. März liegt und sich der tatsächliche Vollmond vom errechneten Termin unterscheidet. Gegen diese Naturgewalten sind auch moderne Berechnungsformeln wie die des Mathematikers und Astronomen Carl Friedrich Gauß (1777-1855) machtlos.

Dieser Beitrag wurde erstmals am 02.04.2015 auf evangelisch.de veröffentlicht.