Trisomie-Bluttest: Entscheidungshilfe oder Diskriminierung?

Foto: dpa/Patrick Seeger
Mit einem Test können Schwangere überprüfen lassen, ob ihr Kind ein erhöhtes Risiko für Trisomie aufweist.
Trisomie-Bluttest: Entscheidungshilfe oder Diskriminierung?
Seit knapp zwei Jahren können Schwangere ihr ungeborenes Kind auf die Trisomien 21, 18 und 13 testen. Der "PraenaTest" der Firma Lifecodexx wurde bisher fast 10.000 mal genutzt.

"Selektion", "Diskriminierung von Behinderten", "illegal": Der umstrittene Trisomie-Bluttest der Konstanzer Firma Lifecodexx ist seit Markteinführung 2012 heftig kritisiert worden. Inzwischen habe sich der Test aber etabliert, sagt die Medizinische Direktorin von Lifecodexx, Wera Hofmann. Der Behindertenbeauftragte von Baden-Württemberg, Gerd Weimer, hält dagegen: "Das Designer-Baby zeichnet sich am Horizont ab", sagt er. "Das muss gesellschaftspolitisch begriffen und diskutiert werden."

Der sogenannte "PraenaTest" kann mit Hilfe einer Blutprobe der Mutter die Trisomien 21, 18 und 13 beim ungeborenen Kind ausschließen oder bestätigen. Seit seiner Einführung im August 2012 wurde er bereits bei mehreren tausend Schwangerschaften eingesetzt. "Wir gehen scharf auf die 10.000 zu", sagt Marketingleiterin Elke Decker. Etwa die Hälfte der Blutproben stammt aus Deutschland. Aber auch weltweit wird der Test angewandt: Proben werden aus der Schweiz, aus Ungarn, Bulgarien, der Türkei oder auch Dubai geschickt.

"Wir orientieren uns sehr stringent am Gendiagnostikgesetz"

Durchgeführt wird der Test bei Frauen ab der vollendeten neunten Schwangerschaftswoche, die ein erhöhtes Risiko für die Trisomien beim ungeborenen Kind aufweisen. In der Regel müssen die Patienten die Kosten von 825 Euro selbst zahlen. Entschließt sich eine Frau dazu, den Test zu machen, schickt die Arztpraxis Blutproben an Lifecodexx. Darin enthalten: Schnipsel des Erbguts von Mutter und Kind.

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Aus der Blutprobe gewinnt das Labor in mehreren Schritten das Erbgut, aus dem die kindliche DNA bestimmt wird - vorausgesetzt, ihr Anteil daran liegt bei mindestens vier Prozent. "Wir schauen dann, ob die Menge an kindlichem Erbmaterial für ein bestimmtes Chromosom erhöht ist, um eine entsprechende Trisomie beim Ungeborenen zu bestimmen", sagt Hofmann. Beim Down-Syndrom ist beispielsweise das 21. Chromosom dreifach vorhanden. Charakteristisch dafür sind körperliche Auffälligkeiten und eine verminderte Intelligenz. Auf diese Trisomie 21 macht auch der Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März aufmerksam.

Neben dem "PraenaTest" stehen in Deutschland zurzeit noch zwei weitere nicht-invasive Tests zur Verfügung: Der "Panorama-Test" der Firmen Natera und Amedes, der seit Sommer 2013 auf dem Markt ist, sowie der "Harmony-Test" der US-Firma Ariosa, der seit Herbst 2013 erhältlich ist. Beide werden in den USA ausgewertet.

Lifecodexx sei Vorreiter bei den in Deutschland zugelassenen, nicht-invasiven Tests gewesen, sagt Heinz-Alfred Hagemann vom Berufsverband niedergelassener Pränatalmediziner (BVNP). Zudem orientiere sich die Firma "sehr stringent am Gendiagnostikgesetz" und habe in Deutschland eine Nachbeobachtungsstudie initiiert. Diese prüft laut Lifecodexx im praktischen Einsatz nach der Entbindung, ob das Ergebnis korrekt war. Die Genauigkeit liege bei 99 Prozent.

Ethikrat bei Bewertung von Down-Syndrom-Bluttest gespalten

Aber wie soll man den Test nun ethisch bewerten? Die Mitglieder des Deutschen Ethikrats sind sich jedenfalls nicht einig. In einer Stellungnahme vom April vergangenen Jahres empfiehlt die Mehrheit des Ethikrates, den Test zuzulassen, aber mit Einschränkungen: Der Test soll nur angewendet werden, wenn ein erhöhten Risiko für eine genetisch bedingte Erkrankung vorliegt. Der Ethikrat gibt außerdem zu bedenken, dass der Test schon ab der zehnten Schwangerschaftswoche angewendet werden kann, eine Abtreibung aber erst nach der zwölften Schwangerschaftswoche nicht mehr ohne weiteres möglich ist. Eine klare Empfehlung gibt er in diesem Punkt aber nicht ab.

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Der Stellungnahme von damals sind aber zwei Sondervoten beigefügt. Eines verlangt noch strengere Regeln für den Test; das andere findet den Kompromiss bereits zu weitgehend.

Der Freiburger katholische Theologieprofessor Eberhard Schockenhoff, der Augsburger Weihbischof Anton Losinger, der Medizinethiker Thomas Heinemann und der Autor Peter Radtke fordern in ihrem Sondervotum, auf eine öffentliche Förderung der Bluttests zu verzichten und sie auch nicht in den Leistungskatalog der Krankenversicherungen aufzunehmen. Der Test stehe im Widerspruch zur Verpflichtung, die Rechte von Menschen mit Behinderungen zu schützen, begründen sie ihre Position. Die Experten verwiesen dabei auf die hohe Abtreibungsquote bei positiven Testergebnissen, die laut Studien bei rund 90 Prozent liegt.

Weitere Kritiker sehen in den Tests nach wie vor eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung: Er verstoße "gegen das in der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen normierte Recht auf Leben und muss bundeseinheitlich verboten werden", sagt Gerd Weimer. "Wir brauchen zum Thema Pränataldiagnostik so schnell wie möglich eine breite gesellschaftliche Diskussion."

In den USA gebe es Firmen, die bis zu 80 Parameter im Blut testen könnten. "Das geht los bei Gendefekten bis hin zu chronischen Krankheiten wie Rheuma oder Asthma", meint Weimer. Wenn das einmal in Deutschland angewandt werde, habe er Sorge, dass der Druck für die Menschen zu groß werde, die ein krankes Kind ohne vorherigen Test auf die Welt brächten. "Das halte ich für eine furchtbare Entwicklung."

Lifecodexx weist Kritk zurück

"Wir empfinden das als Vorwand", sagt Hofmann von der Herstellerfirma Lifecodexx. Die nicht-invasiven Bluttests seien im Gegensatz zu herkömmlichen invasiven Tests, etwa durch Punktion des Mutterkuchens, risikofrei. "Unsere Gesellschaft hat sich entschieden, diese Tests zuzulassen. Jetzt den schnelleren Zugang zu kritisieren, ist fadenscheinig." 98 Prozent aller bisher durchgeführten Analysen seien unauffällig. "Wenn diese Frauen alle invasiv untersucht würden, bestünde für sie das unnötige Risiko einer Fehlgeburt."

Doch ein unauffälliges Testergebnis bedeutet nicht automatisch: Mein Kind ist gesund. "Bei etwa vier Prozent aller Neugeborenen liegt eine erblich bedingte Erkrankung vor", sagt Hofmann. "Andere Erkrankungen entstehen beispielsweise durch Komplikationen vor, während und unmittelbar nach der Geburt."

Die Tests beinhalteten nur eine begrenzte Menge an Informationen, sagt auch Mediziner Hagemann. "Sie können nur etwas zu den genetischen Dispositionen aussagen, aber nichts über eine Bewertung des ganzen Kindes und seiner Lebensqualität."