epd: Seit Jahren müssen Kirchen deutlich einsparen. Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens steht vor einem nächsten großen Schritt der Strukturreform. Welchen Eindruck haben Sie von dem Gesprächsprozess?
Tobias Bilz: Wenn wir weniger Gemeindemitglieder werden, ist die logische Folge, dass es weniger Hauptberufliche in der Kirche geben wird. Wir müssen schauen, dass alle gut arbeiten können. Wir haben uns dafür entschieden, möglichst viele Menschen in den Reformprozess einzubeziehen. Es gab mehrere öffentliche Veranstaltungen und etwa 300 schriftliche Rückmeldungen.
Wir wollen die Gelegenheit nutzen, nicht nur zurückzubauen, sondern konstruktiv zu schauen, wie könnte die Zukunft aussehen. Es gilt, eine Balance zu schaffen zwischen geringeren Ressourcen und einer Neugestaltung der Kirche. Ich erlebe den gesamten Prozess sehr positiv.
Gemeinsame kirchliche Akademie kommt 2026
Mit Blick auf Einsparpotenziale wird auch auf Werke und Einrichtungen geschaut. Es gibt unter anderem den Vorschlag, die Hochschule für Kirchenmusik in die staatliche Musikhochschule in Dresden einzugliedern. Was bedeutet das für die kirchenmusikalische Ausbildung?
Bilz: 70 Prozent unserer Einnahmen gehen an die Kirchgemeinden, 30 Prozent fließen in Werke und andere übergemeindliche Aufgaben. Es gibt bundesweit sechs Hochschulen für Kirchenmusik. Derzeit wird unter den 20 Landeskirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein Ausgleichssystem zur gemeinsamen Finanzierung der Hochschulen diskutiert.
Aber auch mit dem Freistaat Sachsen und Vertretern der staatlichen Musikhochschule in Dresden sind wir im Gespräch. So gesehen haben wir noch keine Entscheidung getroffen, wie es mit der Dresdner Hochschule für Kirchenmusik weitergeht. Aber 2026 soll das geklärt werden. Fest steht: Wir müssen uns in der aktuellen Situation eine Kooperation suchen.
Haben Sie denn Sorge, dass speziell kirchenmusikalische Inhalte auf der Strecke bleiben?
Bilz: Ich persönlich habe keine Angst um die Kirchenmusik. Aber ich verstehe Menschen, die Sorgen haben, zum Beispiel um den Nachwuchs. Es liegt doch auf der Hand: Man kann nicht mit weniger Geld alles genauso machen wie vorher. Wir müssen miteinander die Schwerpunkte festlegen.
Ökumenische Akademie soll 2026 starten
Ein weiteres Vorhaben ist, eine ökumenische Akademie in Sachsen zu gründen. Wann wird es diese geben, was wird sich ändern?
Bilz: Zunächst sollte die gemeinsame Akademie zum 1. Januar starten. Die "Akademie der Kirchen", wie der Arbeitstitel lautet, wird 2026 ihre Arbeit aufnehmen, wenn auch nicht zum 1. Januar. Es sind noch Fragen der Trägerstrukturen zu klären. Im Moment sind ein Verein oder ein Kooperationsvertrag im Gespräch.
Zu klären sind unter anderem noch die Finanzierung, die Anstellung und die Mitgestaltung der Kirchen. Die Zusammenarbeit ist organisch gewachsen, wir haben gemeinsame Projekte und Veranstaltungen, zum Beispiel das Gesprächs- und Diskussionsformat "Sachsensofa".
Kann sich Kirche eigene Einrichtungen perspektivisch überhaupt noch leisten?
Bilz: Wir haben im Moment keine Schließungsabsichten. Wir haben aber auch noch keine Gesamtkonzeption vorliegen, diese entsteht gerade. Man steht immer vor der Entscheidung, kürzen wir überall ein bisschen oder konzentrieren wir uns auf einzelne Bereiche - dann möglicherweise auf Kosten anderer. Irgendwann kommt es dazu. Es muss dazu kommen, denn immer kleinere Abteilungen sind irgendwann nicht mehr handlungsfähig.
Kein Verkauf von Kirchen
Kommen wir zu den Gebäuden: Sie wollen als Landeskirche keine Kirchengebäude abgeben und verkaufen, um sie einem anderen Zweck zuzuführen. Müssen Sie vor dem Hintergrund immer knapper werdender Gelder an diesem Punkt umdenken?
Bilz: Ich bleibe dabei und es ist nach wie vor so: Wir schließen und verkaufen Kirchen nicht. In der jetzt anstehenden Reform sind nicht nur größere Strukturen zu finden. Es geht auch darum, Rechtsstrukturen zu schaffen, damit Kirchgemeinden vor Ort weiterarbeiten können. Die Menschen brauchen örtliche Nähe. Man kann in einer Region nicht alles nur zentral organisieren. Da kommt den Kirchen vor Ort eine enorme Bedeutung zu. Wenn in einem Dorf eine Kirche steht, ist das immer ein Statement, auch ein Statement zu sagen, der Glaube ist hier vorhanden.
Wir profitieren heute davon, dass nach 1990 Kirchengebäude in Sachsen weitgehend saniert worden sind. Mehr als 90 Prozent der Gebäude sind in einem guten bis sehr guten Zustand. Wir fragen uns: Wie können wir sie nutzen und als Zentren geistlichen Lebens erhalten?
Kuratorinnen und Kuratoren für Kirchengebäude
An einzelnen Orten könnten wir Kooperationspartner suchen, zum Beispiel Träger- oder Fördervereine für Kirchgebäude gründen. Es gibt außerhalb der Kirchgemeinden Menschen vor Ort, die Interesse daran haben, ein kulturelles Angebot an einer Kirche einzubringen. Es muss aber auch geschaut werden, passt es in eine Kirche.
Sie klingen diesbezüglich sehr zuversichtlich, haben Sie Signale, dass es ein solches Engagement vor Ort gibt?
Bilz: Wir haben unter anderem die Idee, dass man für Kirchen Kuratoren und Kuratorinnen findet, die Verantwortung übernehmen. Sie schließen die Kirche auf und zu, bedienen das Geläut, unterstützen die Organisation von Veranstaltungen, haben insgesamt einen Blick auf das Gebäude. Dort, wo wir keine hauptberuflichen Mitarbeiter mehr haben und wir nicht regelmäßig Gottesdienste anbieten können, könnte es eine Zuständigkeit in Form einer solchen Kuratorenschaft geben. Die Kirchen bleiben als Gebäude vor Ort wichtig.
Das wäre dann so eine Art "Schlüsselgewalt" für das jeweilige Gebäude?
Bilz: Ja, im Kern trifft das zu. Aber es ist mehr. Im Übrigen trifft mit Blick auf Verkauf oder Abgabe zu: Was ich weggegeben habe, ist weg. Was ich - wie auch immer - notdürftig erhalte, kann ich unter anderen Bedingungen wieder aktivieren. Ich denke an die DDR-Zeit, wo Gebäude unter großen Anstrengungen erhalten, manchmal nur notgesichert wurden.
Es gibt Zeiten der Stagnation und danach gibt es auch wieder einen Schub und neue Möglichkeiten. Was entwidmet wurde, einen neuen Eigentümer gefunden hat und umgestaltet wurde, ist verloren. In Sachsen haben wir zudem ganz wenige Neubauten nach 1945. Die meisten Kirchen haben historischen Wert und stehen unter Denkmalschutz.
Damit ist die Aufgabe verbunden, sie zu erhalten. Die Kirchengebäude insgesamt sind ein Reichtum, den es zu erhalten und zu pflegen gilt. Anders ist es mit Pfarrhäusern und weiteren kirchlichen Gebäuden. Dort ist durchaus auch zu überlegen, ob sie vermietet oder verkauft werden.


