Der dritte "Flensburg-Krimi" ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass aus mutmaßlich guten Drehbüchern nicht immer automatisch auch gute Filme werden. Das hat in diesem Fall verschiedene Gründe, die nicht nur, aber auch mit der Regie zusammenhängen.
Zu deren wichtigsten Aufgaben zählt gerade bei Reihenkrimis, die in der Regel aus vielen Dialogszenen bestehen, die Arbeit mit dem Ensemble. Wenn auf dieser Ebene alles rund läuft, die Bildgestaltung von mindestens durchschnittlich guter Qualität ist und dann auch noch die Story stimmt, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Dass Krimi-Fans im dritten Film mit Katharina Schlothauer und Eugene Boateng als ungleiches Flensburger Kripo-Duo schon allzu bald mehr als bloß ahnen, wer sich hinter dem Arbeitstitel "Der Maulwurf" verbirgt, ist gewissermaßen Künstlerpech und wie oft in solchen Fällen nicht zuletzt eine Frage der Besetzung. Dass allerdings nicht alle Mitwirkenden durchgehend überzeugend agieren und gerade dann gewisse Schwächen offenbaren, wenn sie laut werden, ist eine Frage der Regie (Katrin Schmidt).
Zum Ausgleich ist die Geschichte richtig gut: Vor vier Jahren hat sich der Bruder von Svenja Rasmussen (Schlothauer) im Keller seines Hauses das Leben genommen. Sein Tod war der Grund, warum die Kommissarin in ihre Heimat zurückgekehrt ist. Lorenz, ebenfalls Polizist, hatte Schulden, die er anscheinend mit dem Verkauf von Drogen aus der Asservatenkammer begleichen wollte. Als seine Witwe gemeinsam mit Svenja und dem Schwiegervater endlich den seit damals nicht mehr betretenen Raum renovieren will, kommen unvermeidlich die Erinnerungen wieder hoch.
Der alte Rasmussen (Uwe Rohde) hat die Suizidthese nie geglaubt. Er ist überzeugt, dass Lorenz die Drogen untergeschoben worden sind. Zunächst ist dieser Teil der Handlung jedoch nur ein Nebenschauplatz. Der Film beginnt mit einer abendlichen Pokerrunde auf einem Casinoschiff, an der auch Antoine Haller (Boateng) teilnimmt; Svenjas Kollege geht "all in" und verliert ziemlich viel Geld.
Parallel dazu wird ein Mann erst verprügelt und dann ermordet; tags drauf entdecken Fischer seine Leiche in der Ostsee. Er hat für Claus Bramstedt (Jörn Knebel) gearbeitet. Kripochef Kerner (Christian Erdmann hat die Rolle von Wolfgang Grandezka übernommen) hat den Unternehmer schon lange im Visier.
Die beiden Ebenen verschmelzen miteinander, als es einen Treffer in der Datenbank gibt: Die DNS des Opfers wurde damals auch auf der Kleidung von Lorenz gefunden. Das kann natürlich Zufall sein, aber in Krimis gibt es keine Zufälle, also nimmt sich die Kommissarin das Faktenpuzzle rund um den Suizid ihres Bruder vor und stößt auf ein winziges Detail, das den Kollegen damals entgangen ist: Lorenz kann sich nicht selbst erschossen haben.
Dank ihrer Hartnäckigkeit lassen mehrere Indizien schließlich nur einen Schluss zu: Anscheinend hat ihr Bruder ’rausgefunden, dass Haller in krumme Geschäfte verwickelt war und vermutlich immer noch ist. Womöglich ist das der Grund, warum Bramstedt der Polizei stets einen Schritt voraus ist: Der Kollege ist der Maulwurf. Kerner will das nicht glauben. Lorenz und Haller waren beste Freunde, er liebt Toni wie einen Sohn und hilft ihm regelmäßig aus der Patsche, aber die Hinweise sind erdrückend: Der Kommissar hat erhebliche Spielschulden bei Bramstedt, dem das Casinoschiff gehört.
Stephan Wuschansky, diesmal unterstützt von Susanne Schneider, hat auch die Bücher zu den beiden anderen "Flensburg"-Krimis geschrieben. Womöglich schwebte ihm diese Entwicklung von Anfang vor; das würde erklären, warum Svenja Rasmussen stets auf einer gewissen Distanz zum Kollegen bestand. Eine Romanze hatte Wuschansky angesichts ihrer Homosexualität, die diesmal jedoch keinerlei Rolle mehr spielt, ohnehin von vornherein ausgeschlossen.
Zentrale Episodenfigur ist eine junge Frau, die sich mitsamt ihrer Mutter aus dem Staub machen will: Emma (Daria Vivien Wolf) war die Freundin des Opfers, hat den Mord beobachtet und schwebt nun in größter Gefahr, was dem ansonsten eher spannungsarmen Film gegen Ende einen kleinen Höhepunkt verschafft. Rührend sind allerdings die Szenen mit der frühdementen Mutter (Imme Beccard), die sich nur mit dem plattdeutschen Lied "Dat du min Leevsten büst" (Dass du mein Liebster bist) beruhigen lässt. Dazu passt, dass neben der guten Geschichte und der sorgfältigen Bildgestaltung (Simon Schmejkal) auch die interessante Musik (Therese Strasser) von höherer Qualität sind als die mitunter inszeniert wirkenden Darbietungen.



