Seit 2002 war er der "Politikbeauftragte" der bayerischen evangelischen Landeskirche, nun geht Dieter Breit in den Ruhestand. Seine Verabschiedung findet am Buß- und Bettag im Gottesdienst in der Münchner Matthäuskirche statt. Breit war der Erste auf der damals frisch geschaffenen Stelle des "Beauftragten der Landeskirche für die Beziehungen zu Landtag und Staatsregierung und für Europafragen", die zum 1. Februar 2026 wieder besetzt werden soll. Über seine Arbeit als Vermittler zwischen Kirche und Staat sprach Breit mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
epd: 23 Jahre auf der Stelle des landeskirchlichen Politikbeauftragten - was werden Sie vermissen?
Dieter Breit: Ich freue mich auf die neue Lebensphase. Was ich vermissen werde, wird sich zeigen.
Wie kann man sich Ihre Tätigkeit vorstellen: als echte Lobbyarbeit für die Kirche?
Breit: Lobbyisten vertreten Partikularinteressen. Ich dagegen hatte das Ganze des Gemeinwesens, den Schutz der Menschenwürde und die Zukunftsfähigkeit der Demokratie im Blick zu behalten. Mit dieser Perspektive galt es, im Raum der Politik das Evangelium von Gottes Liebe und Gottes Gebote zu vermitteln. Das geschah durch Andachten, Gottesdienste und Seelsorge. Ich war Brückenbauer zwischen Politik und Kirche, ich habe zu aktuellen und langfristigen Themen beraten.
Wie sahen Ihre Arbeitstage aus?
Breit: Abwechslungsreich. Ich hatte Termine in Ministerien, im Landtag oder mit Verbänden. Es fanden Absprachen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin und mit anderen Landeskirchen statt. Ich habe Stellungnahmen und Beurteilungshilfen gefertigt. Ich habe mich ständig mit reichlich Lektüre intensiv in neue Sachverhalte eingearbeitet. Alle fünf Jahre gab es im Landtag Neuwahlen und damit neue Ansprechpartner. Es war eine spannende Tätigkeit.
Was waren Ihre wichtigsten Themen - Asyl, Religionsunterricht, Ladenschluss...?
Breit: Um nur einige Themen zu nennen: Wichtig waren der Lebensschutz, das Anliegen der Teilhabe und Chancengerechtigkeit sowie wirksame Hilfen gegen Armut und Obdachlosigkeit. Beschäftigt haben mich Wirtschaftspolitik und Umweltschutz, gerade auch die Zukunft der ländlichen Räume. Der Themenbereich Asyl und Migration behielt seine Brisanz. Daneben standen auf der Tagesordnung etwa Bestattungskultur, Feiertagsrecht, Religionsunterricht und Gedenkstättenarbeit. Befasst habe ich mich häufig mit Grundsatzfragen, etwa nach dem Verhältnis von Eigenverantwortung und Solidarität oder zur Bedeutung des Geschichtsbewusstseins für die Vitalität gesellschaftlicher Werte.
Worauf kam es Ihnen an, um "mitmischen" zu können?
Breit: Wenn Kirche am politischen Diskurs partizipieren will, muss sie bereit sein, Dilemmata anzuerkennen, in denen Politik um Kompromisse ringt. Steile Forderungen allein sind wirkungslos. Nur wer Komplexität wahrnimmt und praktikable Vorschläge hat, dessen Kritik wird in der Politik ernst genommen.
In der Asylpolitik gab es Reibungspunkte zwischen Staat und Kirche. Wie stehen Sie zum Kirchenasyl?
Breit: Asyl blieb in der Politik und für mich ein Dauerthema, besonders von 2014 bis Ende 2016, als ich Mitglied im "Lenkungsstab Asyl" der Staatsregierung war. Der Schutz von Geflüchteten braucht einen intakten Rechtsstaat, einen integrationsfähigen Sozialstaat - und eine empathische Zivilgesellschaft. Ehrenamtliche leisten enorme Hilfe. In begründeten Einzelfällen gehört das Kirchenasyl dazu. Aber es stellt nicht die Zuständigkeit des Rechtsstaats infrage.
Wie wurde mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie umgegangen?
Breit: Ab März 2020 nahm ich an unzähligen Gesprächen in der Staatskanzlei teil. Der Schutz vulnerabler Menschen war das Hauptanliegen. Gleichzeitig war da die Sorge um den Schutz aller Grundrechte - auch der Religionsfreiheit. Mir lag zudem am Zusammenhalt einer strapazierten Gesellschaft. Viele Menschen fühlten sich benachteiligt. Verschwörungstheorien grassierten. Es war ein Stresstest für das Vertrauen auf den Staat.
"Ich erlebte viel Dankbarkeit für Gesprächsangebote ohne Polarisierung. Doch jenseits meines Dienstes merkte ich: Das Klima zwischen Politik und Kirchen ist kühler geworden"
Wie veränderte sich die Partnerschaft zwischen Staat und evangelischer Kirche in den vergangenen Jahrzehnten?
Breit: Als Johannes Hanselmann Landesbischof war, gab es kaum Konfliktpotenzial, höchstens im Kontext von Wackersdorf. Ab Mitte der 1990er Jahre wurde Asyl zum Streitstoff zwischen Hermann von Loewenich und der Staatsregierung. Unter Johannes Friedrich rückte eher die Medizinethik, etwa zur Stammzellforschung, in den Fokus. Heinrich Bedford-Strohm reklamierte für seine "öffentliche Theologie", generell die Maßstäbe des Verantwortbaren benennen zu können. Auf katholischer Seite gab es ähnliche Entwicklungen. Der Anspruch der Kirchenspitzen, der Politik richtungsweisendes ins Stammbuch zu schreiben, war in jener Zeit massiv gewachsen.
Wie hat die Politik darauf reagiert?
Breit: Wer eigene Meinungen durch Kirchenworte bestätigt fühlte, war euphorisch. Andere aber empfanden es als Anmaßung. Einige Politiker reagierten mit Retourkutschen: Der kirchliche Mitgliederschwund sei hausgemacht, die Kirchen hätten ihren eigentlichen Auftrag vernachlässigt. Sie hätten ohnehin Glaubwürdigkeit verloren - Stichwort Kindesmissbrauch - und sollten vor der eigenen Haustüre kehren. Bemerkenswerterweise wurde meine Arbeit als Beauftragter nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil: Ich erlebte viel Dankbarkeit für Gesprächsangebote ohne Polarisierung. Doch jenseits meines Dienstes merkte ich: Das Klima zwischen Politik und Kirchen ist kühler geworden.
Ist Vertrauen verloren gegangen und die Politik zurückhaltender geworden?
Breit: Noch ist es in Bayern so, dass Staatsregierung und demokratische Parteien im Landtag den Dialog mit den Kirchen wünschen und pflegen. Viele achten aber verstärkt darauf, ob seitens der Kirche theologisch fundiert und fair argumentiert wird. Die Bereitschaft, sich sachliche Kritik anzuhören, ist da. Aber die Toleranz für platte Meinungsäußerungen von der Kanzel ist geschrumpft.
Wirkt sich das abgekühlte Klima konkret etwa auf Themen wie Religionsunterricht oder Staatskirchenvertrag und Staatsleistungen aus?
Breit: Noch nicht. In Bayern sagen Staatsregierung und eine große Landtagsmehrheit: Es ist gut, dass Religionsunterricht ein ordentliches Unterrichtsfach ist. Es ist gut, dass Kirche und Staat zum Wohl der Menschen kooperieren. Es ist gut, dass im Staatskirchenvertrag Rahmenbedingungen für die Kooperation - auch finanziell - geregelt sind. Daran wollen die meisten derzeit gern festhalten.
Wenn Sie "noch" sagen, klingt da Besorgnis durch?
Breit: Die kirchenfreundliche Grundstimmung im Freistaat hat keine Ewigkeitsgarantie. Die Kirche tut gut daran, ihren Dienst an der Gesellschaft, ihr Engagement für Bedürftige plausibel und ohne Überheblichkeit aufzuzeigen. "Salz der Erde" und "Licht der Welt" können Christen nach der Verheißung Jesu sein: Positiver geht es nicht! Aber wohlgemerkt: Man sollte nicht sich selbst blendend präsentieren und anderen notorisch die Suppe versalzen wollen. Stattdessen gilt es, mit Demut und Gottvertrauen, solider Sachkenntnis und konstruktiver Kritik aufzutreten: So kann Kirche weiterhin überzeugen.



