Eigentlich sollte es ein Mausoleum sein, das wäre dann aber doch zu teuer geworden. Jetzt ist Michael Radunz Pate einer historischen Grabstelle mit Platz für zwei Erdbestattungen oder mehrere Urnengräber. Hier will der 64-jährige Ingenieur einmal beerdigt werden. Auch seine mittlerweile 90-jährige Mutter soll auf dem Friedhof an der Bergmannstraße in Berlin-Kreuzberg ihre letzte Ruhe finden.
In Berlin gibt es rund 220 Friedhöfe. Viele wurden bereits im 19. Jahrhundert angelegt, damals noch am Stadtrand. Heute sind dies die grünen Lungen inmitten der Metropole. Unter hohen Bäumen finden hier Menschen Erholung und Tiere ihre Freiräume. Die historischen Friedhöfe bilden ein großes Freiluftmuseum: Imposante und künstlerisch wertvolle Mausoleen, Wandgräber, Gittergräber und Gartengräber, die aber nicht mehr genutzt werden.
Die letzte Beerdigung fand bei vielen Gräbern vor mehr als 100 Jahren statt. Oft gibt es auch keine Nachkommen der Beigesetzten. Um die alten Grabstellen dennoch zu erhalten, wirbt der Evangelische Friedhofsverband Berlin Stadtmitte seit 2009 für Patenschaften auf seinen rund 45 Friedhöfen. Paten verpflichten sich zur Instandsetzung und Instandhaltung der Grabanlage und können dann - wenn gewünscht - die Grabanlage künftig auch selbst für Beisetzungen nutzen.
Investition in die letzte Bleibe
Die üblichen Gebühren für die Nutzung fallen erst im Beisetzungsfall an.
Die Kosten für die Instandsetzung einer historischen Grabstelle beginnen bei etwa 5.000 Euro, sagt Yvonne Zimmerer vom Friedhofsverband. Bei Mausoleen könne es aber auch schon mal ein sechsstelliger Betrag werden. Radunz hat nach eigenen Angaben insgesamt rund 20.000 Euro ausgegeben. Davon haben zwei neue Stelen schon 14.000 Euro gekostet.
Auch die Grabstellen links und rechts von seinem Grab seien noch verfügbar: "Es wäre megacool, wenn sich jemand dafür interessiert." Bislang pflegt er diese selbst mit. "Wir haben herrenlose Gräber ohne Nutzungsberechtigte in Hülle und Fülle " sagt Zimmerer. Sie geht von mehreren Hundert Gräbern aus: "Für jeden ist etwas dabei." Und ergänzt: "Ich finde die Idee ganz schön, in sein letztes Haus zu investieren."
Die Stiftung Historische Kirchhöfe und Friedhöfe in Berlin-Brandenburg spricht von einem "Schatz, der in Europa seinesgleichen sucht", wenn sie auf die vielen bedeutsamen Grabstätten verweist, die vom Verfall bedroht sind. "Unter jedem Grabstein eine Weltgeschichte" heißt eine Publikation der Stiftung, in der für die Rettung von Grabmalen geworben wird.
Michael Radunz kam eher per Zufall zu seinem Grab. 2020 kümmerte er sich um die Beisetzung einer Patentante auf dem Friedhof Dreifaltigkeit II. Dann hörte er von den Grabpatenschaften. Das überwucherte Grab wurde freigelegt und mit Genehmigung des Denkmalschutzes auch die zwei Stelen errichtet. Sie stehen rechts und links von der historischen Grabplatte, die an einen Krawattenfabrikanten Schlei erinnert, der hier vor mehr als 100 Jahren beerdigt wurde. Auf der einen Stele wird an Radunz Großeltern erinnert, die woanders beerdigt wurden. Auf der zweiten Stele prangt schon das neue Familien-Wappen.




