Mehr als eine Million Kinder in Deutschland wachsen laut Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, in Armut auf. Dadurch fehlten ihnen wesentliche Voraussetzungen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und für späteren beruflichen Erfolg, heißt es in dem von Unicef Deutschland vorgestellten Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland. Der Bericht wurde vom Deutschen Jugendinstitut erstellt.
Die Kinder hätten beispielsweise keinen Platz, um Hausaufgaben zu machen, könnten sich kein zweites Paar Schuhe oder vollwertige Mahlzeiten leisten und aus Geldmangel kaum an Freizeitaktivitäten Gleichaltriger teilnehmen. 44 Prozent von ihnen lebten in überbelegten Wohnungen. Mindestens 130.000 Kinder seien wohnungslos und in kommunalen Unterkünften untergebracht.
Bei der Bekämpfung von Kinderarmut stagniere die Entwicklung in Deutschland seit Jahren, kritisierte die Direktorin des Deutschen Jugendinstituts und Miterstellerin des Berichtes, Sabine Walper. Insgesamt 1,9 Millionen der knapp 14 Millionen Kinder und Jugendlichen hierzulande lebten vom Bürgergeld ihrer Familie. Hinzu kämen Kinder, die mit Asylbewerberleistungen auskommen müssen.
Ein Viertel kann nicht gut lesen
Die ungleichen materiellen und sozialen Voraussetzungen in den Familien wirkten sich auf alle Lebensbereiche der Kinder aus. So könne ein Viertel der Kinder beispielsweise nicht gut lesen. 41 Prozent der Achtklässlerinnen und Achtklässler verfügten lediglich über rudimentäre digitale Kompetenzen. Dabei seien Kinder aus prekären Elternhäusern deutlich überrepräsentiert.
Hinzu komme, dass sich besonders benachteiligte Kinder und Jugendliche von ihrem Umfeld selten gut unterstützt fühlen. Aktuell verließen mehr als 62.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss. Im internationalen Vergleich steht Deutschland laut Walper damit schlechter da als andere europäische Länder wie Finnland, Norwegen oder Portugal.
Steigende psychische Belastungen
Immer mehr Kinder und Jugendliche leiden dem Bericht zufolge zudem an gesundheitlichen Beschwerden. Im Jahr 2022 gaben 40 Prozent der Elf- bis 15-Jährigen an, dass sie mehrfach pro Woche oder sogar täglich Beschwerden wie Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Schlafprobleme haben. 2014 waren es 24 Prozent. Auch schätzt ein großer Teil der Kinder und Jugendlichen die eigene psychische Gesundheit und Lebenszufriedenheit als nicht gut ein. "Auch hier sind die Werte alarmierend", sagte Walper.
Sie liegen demnach nur bei 51 bis 67 von 100 Punkten, variierend nach Geschlecht und familiärem Wohlstand. Den niedrigsten Durchschnittswert hätten finanziell benachteiligte Mädchen. Der Unicef-Vorsitzende Georg Graf Waldersee, kritisiert, es bewege sich zu wenig für Kinder. Wer Deutschlands Zukunft sichern will, müsse jetzt gezielt in Kinder investieren, insbesondere in die aus armen Familien.
Die Kinderrechtsorganisation Save the Children erklärte, Diskussionen um Social-Media-Nutzung seien wichtig, aber sie führten bei der Beseitigung sozialer Ungleichheiten nicht weiter. Kinder bräuchten gut ausgestattete Bildungs- und Betreuungseinrichtungen mit ausreichend Fachpersonal sowie niedrigschwellige Hilfsangebote.




