Zwischen konservativen Christen und extremen Rechten gibt es nach Einschätzung des Tübinger Soziologen Felix Schilk Gemeinsamkeiten und Verbindungen. Diese bestünden, obwohl die Evangelische Kirche in Deutschland und die katholische Kirche vor den politischen Vorstellungen der extremen Rechten warnen, sagt er in einem epd-Gespräch. Schilk ist Referent auf der Jahrestagung der "Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus" am 14. und 15. November in Frankfurt am Main.
Bestimmte religiöse Vorstellungen träfen sich mit dem Weltbild extremer Rechter, erklärt der Soziologe. Diese lehnten zwar den christlichen Wert der Nächstenliebe gegenüber jedermann ab, begrüßten aber die Unterordnung unter eine vorgegebene Autorität. Religiöse Formen nutzten sie als Identitätsmerkmal, um andere abzugrenzen. Die biblische apokalyptische Vorstellung, die die Welt in Gut und Böse aufteilt und einen Endkampf zwischen beiden Mächten voraussagt, werde von der extremen Rechten aufgegriffen und verbreitet.
Christliche Influencerinnen und Influencer verbreiten reaktionäre Inhalte
Auch unter Christen gebe es ein traditionalistisches Milieu, das mit Vorstellungen der extremen Rechten sympathisiere, sagt Schilk. Reichweitenstarke Influencerinnen und Influencer verbreiteten im Internet konservative bis rechtsradikale Ansichten. So bezeichne sich Leonard Jäger alias "Ketzer der Neuzeit" als Christ und verbreite extrem rechte Botschaften.
Crispin-Iven Mokry
Bei seinem Instagram-Account schlägt der Algorithmus als ähnliche Konten unter anderem solche der AfD vor. Jasmin Friesen (früher Neubauer) alias "Liebe zur Bibel" verbinde Verkündigung mit reaktionären Inhalten, unter anderem fordert sie ihrem Instagram-Account Frauen auf: "Such dir einen Mann aus, der deiner Unterordnung würdig ist." In den USA habe sich eine Form des Christentums verbreitet, dessen Elemente man vor allem konsumiert und zu einem Lifestyle verbindet, erläutert Schilk.
Diese Religiosität wolle nicht Menschen befähigen, zu eigenständigen moralischen Entscheidungen zu kommen, sondern Bewertungen und Feindbilder vorgeben. Statt kritischem Denken werde eine autoritäre Struktur vermittelt, und bei Massentreffen erlebten sich die Teilnehmer als Teil einer starken Bewegung von Gleichdenkenden.
Der Soziologe warnt davor, dass in Zeiten von Verunsicherung ein solches Verständnis von Religiosität auch in Deutschland Raum greife. "Weil die Kirchen Werte und Weltbilder prägen, sind sie ein von extremen Rechten umkämpfter Raum." Diese Rechten strebten danach, die Oberhand zu gewinnen, auch mittels Bekanntschaften in den Kirchen. Um sich zu behaupten, müssten die Kirchen das Wertegerüst von Nächstenliebe und Barmherzigkeit klar herausstellen, sagte der Soziologe: "Einspruch bei menschenverachtenden Aussagen und deutliche Grenzen sind wichtig."




