Offenbacher Tafelleiterin: "Armut ist weiblich"

Gespendetes Toastbrot im Laden der Segeberger Tafel
epd-bild/Philipp Reiss
Immer mehr Haushalte werden von den Tafeln Deutschlands versorgt. Im Gespräch erzählt Christine Sparr, die sich seit über 20 Jahren für die Tafel engagiert, von ihren Erfahrungen.
Podcast "Echt gefragt - der Deeptalk"
Offenbacher Tafelleiterin: "Armut ist weiblich"
Seit über 20 Jahren engagiert sich Christine Sparr für die Tafel. Aus Dankbarkeit – und mit dem Wunsch, Gott etwas zurückzugeben. Ihr Engagement ist geprägt von Herz, Glauben und Menschlichkeit.

Christine trägt ihr Herz auf der Zunge. Mit einer Floskel einzusteigen ist eigentlich nicht meine Art – aber bei dieser engagierten Frau passt es einfach. Die 55-jährige Sozialarbeiterin sagt mit ihrer rauchig-markanten Stimme, was sie denkt. Ihr Einsatz für die Tafel Offenbach geht weit über organisatorische Aufgaben hinaus: Mit ihrem großen Netzwerk hilft sie Menschen in Not – ob bei drohender Zwangsräumung oder einfach mit einer Umarmung, die sie selbst in Zeiten der Pandemie nicht verweigerte. Weil sie die Bedürfnisse der Menschen sieht – und ernst nimmt.

Christine hat vor über zwanzig Jahren bei der Tafel Frankfurt angefangen. Damals wollte sie etwas zurückgeben, für Menschen da sein. Sie erzählt, dass sie selbst im Leben gestolpert sei – ohne um Hilfe zu bitten, obwohl sie sie dringend gebraucht hätte. Was genau damals passiert ist, lässt sie offen. Ihr Engagement beginnt im Frankfurter Bahnhofsviertel, wo sie viel Armut und schwere Drogensucht sieht. Zunächst sortiert sie Lebensmittel, später hilft sie bei der Ausgabe – ist also ganz nah bei den Menschen und ihren Geschichten. 

Etwas, das sie sich schnell abgewöhnt, ist, vor der Kundschaft zu essen. Denn, sagt sie, man wisse ja nie, wie leer der Bauch derer sei, die für die Lebensmittel der Tafel anstehen. Christine versorgt mit der Tafel Offenbach rund 1.800 Haushalte – und es werden immer mehr. Besonders Seniorinnen und Senioren kämen zunehmend hinzu, betont sie. Gleichzeitig wird das Geld knapp: Viele Tafeln müssen inzwischen auf ihre Rücklagen zurückgreifen. Einer der Gründe ist, dass Supermärkte besser planen und selbst Rabattaktionen anbieten – etwa für Produkte, deren Mindesthaltbarkeitsdatum bald abläuft.

Christine Sparr (rechts), zu Gast bei Charlotte Mattes im Podcast Studio, hat ihren Humor trotz der schwierigen Situation der Tafeln nicht verloren.

Christine macht deutlich: "Armut ist weiblich!" An die Tafel Offenbach kommen rund 70 Prozent Frauen, betont die Leiterin. Viele von ihnen leben getrennt, sind alleinerziehend oder haben ihren (Ehe-)Mann früh verloren. In den meisten Fällen war er der Hauptverdiener – und das Geld ist nun extrem knapp. Außerdem spielt Scham eine große Rolle. Kundinnen und Kunden kommen extra aus anderen Stadtteilen, um nicht erkannt zu werden. 

Da Christine das weiß und ein großes Herz für Kinder hat, legt sie die Ausgabezeiten bewusst sehr früh. So begegnet kein Schulkind einem anderen oder dessen Elternteil auf dem Schulweg, erklärt Christine. Sie freut sich über Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren möchten, insbesondere Fahrerinnen und Fahrer werden immer gesucht. Aber Christine betont immer wieder: "Man muss Menschen lieben, wenn man uns ehrenamtlich helfen möchte."

Hier geht es zur aktuellen Folge von "Echt gefragt - der Deeptalk" mit Tafelleiterin Christine Sparr.

evangelisch.de dankt indeon.de für die Kollaboration.