Der Kirchensammler

Gunther Seibold steht vor einem Fernseher, auf dem seine Homepage kirchbau.de zu sehen ist .
epd-bild/Marcus Mockler
Was für ein Hobby! Dekan Gunther Seibold liebt die Architektur und hat Zehntausende Infos zu kirchlichen Bauten zusammengetragen.
Daten von 26.000 Gotteshäusern
Der Kirchensammler
Kirchengebäude für jedermann: Auf einer Internetseite sind die Daten von fast 26.000 Gotteshäusern versammelt. Hinter dem Großprojekt steht ein evangelischer Theologe mit abgeschlossenem Architekturstudium. Er betreibt die Seite ehrenamtlich.

Es ist wohl die größte Datensammlung christlicher Sakralbauten im deutschsprachigen Raum: Auf kirchbau.de sind derzeit 25.853 Gotteshäuser verzeichnet - viele mit Bildern, rund 1.000 sogar mit einem Grundriss als Zeichnung.

Initiator und Motor des Projekts ist Gunther Seibold, Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Bernhausen am Rand des Stuttgarter Flughafens.

Vor fast einem Vierteljahrhundert programmierte Seibold die Seite - ohne zu ahnen, welche Dimensionen sie einmal erreichen würde. Der heute 59-Jährige hatte vor seiner Ausbildung zum Pfarrer ein Architekturstudium abgeschlossen. Nach dem Vikariat stellte er sich die Frage, wie sich seine Leidenschaft für Baukunst und sein Glaube verbinden ließen. Die Antwort war einfach: Kirchenbauten.

Das Alter der Programmierung sieht man seinem Webauftritt an. Kein Schnickschnack, keine Videos, keine tanzenden Buchstaben. Stattdessen sachliche, klar strukturierte Informationen, die sich nach Postleitzahl, Ortsname oder Architekt filtern lassen. Vor vier Jahren gab es dann doch einen Technologiesprung - Seibold stellte auf responsives Design um, damit die Datenbank auch auf dem Smartphone gut lesbar ist.

Die Inhalte liefert eine Gemeinschaft von Freiwilligen, ähnlich wie bei Wikipedia. Zwar hat Seibold nach eigener Schätzung selbst Tausende Kirchen besucht, doch für die gewaltige Fülle seiner Datenbank reicht das nicht. Bis heute legen Ehrenamtliche neue Einträge an und laden Bilder hoch.

Diese Offenheit ist zugleich die Achillesferse des Projekts. Zwar prüft Seibold neue Einträge, doch nicht immer kann er deren Richtigkeit bestätigen. "Das ist kein wissenschaftliches Werk, hier gibt es keine Quellenbelege", räumt er ein. Falschinformationen habe er jedoch nur in wenigen Ausnahmefällen gefunden - und diese, wenn möglich, korrigiert.

Im deutschsprachigen Raum ist Gunther Seibolds Webseite wohl die größte Datensammlung zu Gotteshäusern.

Die Kirchbau-Datenbank ist für den Theologen ein reines Freizeitprojekt. Sie kostet ihn nur die Gebühren für den Provider, der die Informationen im Internet zur Verfügung stellt, nicht mehr. Doch ein Ein-Mann-Ehrenamtsbetrieb arbeitet oft langsam: Seibold leitet ein Dekanat mit 14 Gemeinden und über 37.000 Kirchenmitgliedern und bekleidet weitere Ämter, darunter ein zeitintensives Mandat in der württembergischen Landessynode.

Trotz ihrer Größe bleibt die Datenbank unvollständig. In Deutschland gibt es schätzungsweise über 44.000 Kirchen, Dome, Münster, Kapellen und andere Sakralbauten der großen Konfessionen - dazu eine Fülle freikirchlicher Gotteshäuser. Registriert sind auf der Internetseite bislang aber erst knapp 22.900, die übrigen Einträge stammen von ausländischen Kirchen. Umso mehr freut sich Seibold über Helfer wie den Berliner Pensionär Gunnar Staack, der vor Jahren nahezu alle Kirchengebäude der Bundeshauptstadt besuchte und dokumentierte.

Auch Kurioses findet in dem Webauftritt Platz: In Stuttgart stand einmal eine aufblasbare Kirche als Werbegag, in Lappland wurde ein Gotteshaus komplett aus Eis errichtet. Den schiefsten Kirchturm der Welt besitzt die evangelische Dorfkirche von Hinte-Suurhusen im Kreis Aurich. Und im fränkischen Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen diente sogar ein Schäferwagen als Kirche.

Trotz Säkularisierung haben Kirchen nach Seibolds Ansicht bis heute eine "enorme Funktion, das Christentum in der Gesellschaft zu repräsentieren". Fast jeder Tourist schaue sich vor Ort die Kirche an - unabhängig vom eigenen Glauben. Architektur und Gestaltung sprächen Menschen unmittelbar an. Sein Fazit: "Kirchen sind heute die meistgehörte Predigt."