Ist Klimaschutz Pflicht für Christ:innen?

Grünes Kreuz aus Blättern auf weißem Grund
Getty Images/Petmal
Der Auftrag zur Bewahrung der Schöpfung ist im Christentum fest verankert.(Symbolbild)
Interview: Christians 4 Future
Ist Klimaschutz Pflicht für Christ:innen?
Christians for Future engagieren sich für Klimaschutz, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Kaja Klenke, die in der Bewegung aktiv ist, spricht mit evangelisch.de über ihren Glauben, ihre Motivation mitzumachen und darüber, das Pflicht ein zu großes Wort ist.

evangelisch.de: Kaja, Du bist seit ungefähr 2019 bei Christians for Future aktiv. Du bietest Andachtsformate an und schaust darauf, dass Menschen, die mitmachen wollen, mehr über Euch erfahren und sich vor allem wohlfühlen.

Kaja Klenke: Genau und sonst bin ich auch immer wieder beim Kirchentag oder auch beim Katholik:innentag aktiv und biete dort auch mit anderen Menschen von Christians for Future Workshops an.

In Eurem Selbstverständnis heißt es, dass ihr euch als Christ:innen der weltweiten Bewegung Fridays for Future angeschlossen habt, um gemeinsam für diese Ziele einzustehen und dafür zu sorgen, dass sie weitere Teile unserer Glaubensgemeinschaft innerhalb der Gesellschaft erfassen. Du hast jetzt eben schon gesagt, was Du persönlich machst. Was macht ihr denn allgemein dafür?

Klenke: Also grundlegend ist es erstmal wichtig zu wissen, dass bei Christians for Future Menschen ehrenamtlich aktiv sind und, dass sie das in ihrer Freizeit machen. Anders als bei Churches for Future, wo Menschen aus ihrem Hauptberuf heraus aktiv sind. Bei uns gibt es verschiedene Ortsgruppen, in denen Menschen vor Ort versuchen, mit den ansässigen Kirchen ins Gespräch zu kommen und eigene Veranstaltungen durchzuführen. Sie wollen die Gemeinden anregen, Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen und im Gottesdienst Werte abzubilden, die eine Verantwortung für die Schöpfung beinhalten. Und dann gibt es die Organisationsebene deutschlandweit, die versucht, unsere Kampagnen zu bündeln und so als große Stimme und vereintes Netzwerk, kirchliche Strukturen anzusprechen, wie die Landeskirchen oder die Bistümer, um sie auf Klimaschutzthemen aufmerksam zu machen. 

Kaja Klenke

Hast du ein konkretes Beispiel dazu?

Klenke: Vor ein paar Jahren haben wir eine relativ große Forderungskampagne durchgeführt, in der wir 12 Forderungen an alle Bistümer und Landeskirchen gesandt haben, wie sie sich klimaschutzmäßig verändern und handeln sollten. Gerade haben wir eine Kampagne, wo die Kirchen dazu aufgerufen werden, offenzulegen, wo sie ihr Geld investieren und was mit dem Geld der Kirchen passiert. Gemeinsam wollen wir daraufhin wirken, dass die Kirchen eine sichtbare Erklärung zum Ausschluss von Investition in Kohle, Gas und Öl verabschieden. Grundsätzlich ist es unser Wunsch, an die Kirchen zu appellieren, dass sie sich für Klimagerechtigkeit einsetzen sollen. Wir sind dabei aber nicht nur evangelisch-lutherisch und römisch-katholisch, sondern auch reformiert, und es gibt auch Menschen aus der Freikirche.

Bei Fridays for Future, machen viele junge Leute mit. Wie ist es bei Euch mit der Altersstruktur?

Klenke: Also ich bin schon eher die Vorzeigejugendliche. Dabei bin ich ja auch nicht ultra jung. Im kirchlichen Milieu sind viele Menschen einfach etwas älter. Es gibt aber auch einige, die Mitte dreißig sind oder jene, die Eltern geworden sind und sich dadurch verstärkt mit der Klimakrise auseinandersetzen und irgendwie das Gefühl hatten, sie müssen jetzt etwas tun.

Ist Klimaschutz denn aus Deiner Sicht eine Christenpflicht?

Klenke: Also ich finde den Begriff Pflicht sehr schwierig. Aus meinem christlichen Glaubensverständnis heraus, würde ich gar nicht sagen, dass wir aufgrund unseres Glaubens irgendwelche Pflichten haben. Ich würde eher sagen, dass man Verantwortung für die Mitwelt und für die Mitmenschen hat oder aus dem Glauben heraus ein Beweggrund erwächst, sich bestimmt zu verhalten. Es gibt ja den Begriff der Nächstenliebe oder auch dieses Thema der Bewahrung der Schöpfung. Und ich denke, wenn man da ein positives Verhältnis zu hat, dann ist es relativ unausweichlich, sich auch darüber Gedanken zu machen: Wie verhalte ich mich auf dieser Welt, wie gehe ich mit meinen Mitmenschen um? Und viele Menschen haben ja schon Ängste genug, dass es aufgrund der Klimakrise nur noch Pflichten und Verbote gibt. Das ist ja auch ein Framing. Ich glaube das "Pflicht" nicht gewinnbringend ist.

Wie begründest Du Dein Handeln aus dem Glauben heraus und was motiviert Dich? 

Klenke: Mir ist es wichtig, auf die Mitwelt zu schauen und zu gucken, dass es allen gut geht, vor allem im Kontext von Nächstenliebe. Man verdrängt ja schnell, dass man hier im globalen Norden sitzt und es einem sehr gut geht, und man kriegt ja gar nicht unbedingt mit, dass die Klimakrise am Laufen ist. Und dann schaut man Nachrichten und weiß, woanders ist es schon Realität. Ich denke, diese Welt, in der wir leben, ist von Gott gegeben, und darum sollten wir uns dafür einsetzen, dass es der Welt gut geht und sie lebenswert für alle Menschen bleibt.

Hilft dir dein Glaube und deine Spiritualität dabei, das jeden Tag neu zu machen, ohne frustriert zu sein?

Klenke: Also ganz frustlos kann man nicht sein, das gehört auch dazu, aber daraus kommt ja eine Energie. Durch meinen Glauben habe ich einen anderen Blick auf die Welt. Das ist einer der Beweggründe, weswegen ich bei Christians for Future bin. Ich war früher bei Fridays for Future aktiv, aber Christians for Future ist noch mal mehr meins, da es eben auch um eine spirituelle Dimension geht.

Schöpfst du daraus dann auch Hoffnung? 

Klenke: Ja, wenn ich mich darauf besinne, was eigentlich das größere Ganze ist und warum ich mich für Klimaschutz engagiere, das gibt mir Hoffnung. Dazu kommt die Gemeinschaft, ob es jetzt bei Christians for Future ist oder woanders, man trifft sehr häufig Menschen, die engagiert sind und einen sehr großen Veränderungswillen haben. Da erwächst für mich total viel Hoffnung draus.

Macht denn die Kirche als Institution genug? 

Klenke: Ich denke, die Kirche kann immer mehr machen. Aber ich denke auch, dass das Thema bei der Kirche auch immer mehr ankommt: Es gibt viel mehr Veranstaltungen dazu und mehr Stellen, die sich damit befassen. Aber natürlich ist da schon noch viel Potenzial, wie mehr Klimaschutzbeauftragte in Kirchenkreisen zu ernnen oder Themen wie Solarenergie oder Photovoltaikanlagen auf Kirchen, Gebäuden oder Gemeindehäusern angehen. Auch im Bereich Beschaffung oder Mobilität steckt Potenzial. Wie bewegen sich die Mitarbeitenden der Kirche von A nach B und wie wird das gefördert von der Kirche?

Es gibt aber auch Menschen, die sagen, Kirche soll sich aus der Politik komplett raushalten. Und deshalb wäre sowas wie Fridays for Future völlig überflüssig. Wie konterst du das?

Klenke: Klar hat dieses Engagement eine politische Dimension, aber für mich hat es eine ganz grundlegende persönliche Dimension, ob diese Welt noch für zukünftige Generationen lebenswert ist. Es zählen für mich christliche Werte. Das ist für mich am Ende des Tages auch politisch.

Aber ihr werdet auch politisch angegriffen, beispielsweise in Mainz. Die AfD hat Euch als "linksradikal" auf eine Liste gesetzt mit 52 weiteren Gruppen, darunter auch das Bistum Mainz und Organisationen, die sich für Obdachlose oder Geflüchtete oder queere Menschen einsetzen. Wie ist Deine Haltung dazu? 

Klenke: Ich finde es extrem erschreckend. Man kann uns abstempeln, wie man möchte, wir sind ja auch eine sehr bunte Gruppe. Aber letztendlich, wenn man schaut, dass eben diese Partei, Organisationen, die sich grundlegend einfach erstmal dafür einsetzen, dass es Menschen gut geht, die Benachteiligten eine Stimme geben oder Menschen Räume finden lassen, um sich auszutauschen, jetzt alle als linksextreme Organisationen bezeichnet werden, finde ich, das ist ja extrem kurz gedacht. Unser Ziel ist es, nicht von einer Partei so bewertet zu werden, denn dann sind wir direkt die ganz Bösen. Es ist sehr besorgniserregend, weil es einfach total polarisierend ist und sehr stark die Gesellschaft spalten kann. Und es hängen ja auch Fördergelder für Organisationen daran.

Wenn ich mich entscheide, ich will was machen, wie könnte ich denn bei Euch mitmachen?

Klenke: Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Man kann natürlich auf unsere Website gehen und erstmal schauen, was es so für Veranstaltungen gibt oder an einem sogenanntes Onboarding teilnehmen, bei dem man erstmal mehr über uns erfahren kann. Es hilft auch, zu schauen, ob es vor Ort oder in der Umgebung, wo man lebt, eine Ortsgruppe gibt. Oder man schaut bei einem unserer Events einfach vorbei.

Ihr seid ja jetzt bei der Nacht der Kirchen in Hamburg am Samstag, 20. September. Dort bietet ihr eine Gehmeditation an. 

Klenke: Am morgigen Samstag ist ja der globale Klimastreik, alle sind willkommen. An vielen Orten in Deutschland gibt es Demonstrationen und Aktionen, häufig sind auch Menschen von Christians for Future beispielsweise mit einer Andacht vetreten.

Zum Abschluss: Hast Du eine Lieblingsbibelstelle oder einen Lieblingsvers, der dich mit Christians for Future verbindet.

Klenke: Als Bibelstelle möchte ich gerne Ez 18, 2 nennen: "Die Väter haben saure Trauben gegessen. Deshalb sind die Zähne der Söhne jetzt ruiniert!" 
(Basisbibel). Für mich macht dieser Vers deutlich, dass es wichtig ist im eigenen Handeln auch auf die Konsequenzen für die nachfolgenden Generationen zu schauen. Als jüngere Generation habe ich den Eindruck, dass die Generation meiner Eltern und Großeltern unüberlegte Entscheidungen getroffen haben, die zur Klimakrise deutlich beitragen und nun auszubaden sind
 

Werden Sie gemeinsam mit der evangelischen Kirche aktiv fürs Klima: Du zählst! … weil wir gemeinsam etwas bewegen können