"Dies ist ein Sargmöbel"

Schrank als Sargmöbelstück
epd-bild/Matthias Kindler
In der Werkstatt von Anna Siotto werden ganz unterschiedliche Hoelzer zu Moebelstuecken mit individuellem Charakter.
Das besondere Möbelstück
"Dies ist ein Sargmöbel"
Der Gedanke, dass das eigene Leben unweigerlich irgendwann endet, wird oft verdrängt. Eine Schreinerin in Brandenburg will dem etwas entgegensetzen und fertigt dafür besondere Möbel an. Wer sie kauft, kann sie auch mit ins Grab nehmen.

 Apfel, Birne, Eiche, Pflaume: In der Werkstatt von Anna Siotto werden ganz unterschiedliche Hölzer zu Möbelstücken mit individuellem Charakter. Vor einigen Jahren ist die Schreinerin von der Schwäbischen Alb in den Fläming in Brandenburg gezogen und baut dort in Hagelberg, was zum Wohnen gebraucht wird - und auch Stücke für die Zeit danach. Denn Anna Siotto fertigt auch Sargmöbel an.

Die Idee sei in den 90er Jahren entstanden, erzählt die Schreinerin, die ihre Ausbildung einst in Freiburg gemacht hat. Eine Freundin, die als Bestatterin arbeiten wollte, habe sie gefragt, wie viel schöne Särge kosten würden. Weil es für sie Verschwendung sei, schönes Holz nur für eine Beerdigung zu verwenden und dann im Boden verrotten zu lassen, habe sie sich dann etwas Neues einfallen lassen: Der künftige Sarg könnte vorher im Leben als Möbelstück dienen, zum Beispiel als Schrank oder als Truhe.

Und dann ging es los. Eine Pastorin aus Norddeutschland sei die erste gewesen, die vor einigen Jahren ein Sargmöbel bei ihr gekauft habe, und zwar gleich ein Doppelstück in Form zweier Schränke, erzählt Anna Siotto: "Sie hat sich erst vor kurzem wieder bei mir gemeldet und erzählt, dass beide Stücke weiter in ihrer Wohnung stehen, dass sie damit lebt und sich darüber freut."

"Es geht darum, Menschen anzuregen"

Der Schreinerin geht es mit ihrem Konzept nicht nur um einen nachhaltigeren Umgang mit Holz, sondern auch darum, Menschen anzuregen, sich mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen und dies auch an sich heranzulassen. "Wer so etwas kauft, setzt sich damit auseinander, dass das Leben irgendwann endet", sagt sie: "Und dass man es davor gut gestalten sollte."

Zehn Sargmöbel oder auch etwas mehr habe sie bisher angefertigt, sagt sie. Die genaue Zahl hat sie gerade nicht parat. Auch Grabbretter und Urnen aus Holz gehören zum Programm. In der Werkstatt lehnen naturbelassene Bretter an den Wänden und lagern auf den Dachbalken, einige mit Wurmschäden, mit Astlöchern, so wie die Bäume eben gewachsen sind. "Ich finde grundsätzlich, dass das Schadhafte gerade das Schöne ist", sagt Anna Siotto. Sie arbeitet nur mit Massivholz, bearbeitet Schadstellen etwas, notfalls auch etwas mehr, füllt sie mit Schellack.

"Ich lasse eigentlich immer die Form von den Brettern so, wie sie sind", sagt die 67-Jährige: "Ich nehme, was ich finde, da bin ich einfach Schreinerin." Ein in lange Bretter zersägter Apfelbaum gehört zu den Hölzern, die auf den Dachbalken auf ihre Zukunft als Möbelstück warten. Sie hat ihn frisch gefällt an einer Straße gesehen und durfte ihn übernehmen. "Keine Ahnung, was ich mit dem Stamm machen werde", sagt sie. Die Idee entwickelt sich einfach irgendwann.

In ihrem Haus hat sie einen kleinen Ausstellungsraum geschaffen. Ein Couchtisch steht dort, ein Esstisch, zwei Steckstühle aus Akazie für draußen, drei Grabbretter und in der Ecke ein Schrank aus Birnenholz mit der charakteristischen weitgehend in der Naturform belassenen Tür. Wer ihn öffnet, findet dort ein Schild: "Dies ist ein Sargmöbel", steht darauf. "Das soll nicht so sein, dass man in den Raum reinkommt und denkt, da steht ein Sarg", sagt Anna Siotto: "Es sind einfach massive Möbel."

Vom Holzbrett bis zum Möbelstück vergeht einige Zeit. "Das ist nichts, was ich mal eben in drei Wochen mache", sagt die Schreinerin. Es muss alles zusammenpassen. Wenn ernstes Interesse da ist, wird Maß genommen, damit der Mensch, der das Stück kaufen will, nach seinem Tod auch hineinpasst. Das Sargmöbel muss ungefähr so groß sein, wie ein herkömmlicher Sarg, und das Material muss verrotten können, damit es vom Friedhof akzeptiert wird.

Manche schreckten davor zurück, fänden das Thema unangenehm oder makaber, erzählt Anna Siotto. Aber die meisten fänden es gut. "Ich kenne alle, die bei mir Sargmöbel gekauft haben", sagt sie: "Bis auf eine leben noch alle."