TV-Tipp: "Sophia, der Tod und ich"

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26. August, ZDF, 0.15 Uhr
TV-Tipp: "Sophia, der Tod und ich"
Was tun, wenn der Tod plötzlich klingelt – und sich weigert zu gehen? In Charly Hübners Spielfilmdebüt "Sophia, der Tod und ich" wird aus einem verhängnisvollen Besuch eine Reise voller Humor, Abschiede und zweiter Chancen.

Die Erkenntnis ist bitter, aber wahr: Die Befruchtung der weiblichen Eizelle ist der Anfang vom Ende; ab diesem Moment beginnt der Rest des gerade erst gezeugten Lebens. Wer Glück hat, erlebt noch viele erfüllte Jahre, bis der Tod vor der Tür steht. Reiner gehört nicht dazu. Der Altenpfleger hat gerade mal die Mitte seines Daseins erreicht, als es mehrmals klingelt. Zunächst sind es nur drei Zeuginnen Jehovas. Der zweite Besucher lässt sich jedoch nicht abwimmeln, und weil auch Wände kein Hindernis für ihn darstellen, bliebe Reiner unter normalen Umständen keine andere Möglichkeit, als sich in sein Schicksal zu fügen: Exitus durch einen Herzfehler, von dem er nichts wusste. 

Wäre dies schon der Schluss der Geschichte, wäre "Sophia, der Tod und ich" bloß ein Kurzfilm, aber weil der Todgeweihte (Dimitrij Schaad) seinen ungebetenen Besucher Morten de Sarg (Marc Hosemann) in einen Wortwechsel verwickelt und es außerdem schon wieder klingelt, verpasst der Tod den richtigen Zeitpunkt. Nun sind sich die beiden notgedrungen gegenseitig ausgeliefert, zwar nur auf Verderb und nicht auf Gedeih, weil der Tod nicht verhandelbar und das Ableben daher unausweichlich ist, aber immerhin gibt es einen Aufschub. Gemeinsam mit Sophia (Anna Maria Mühe) wollte Reiner heute eigentlich seine Mutter zu deren Geburtstag überraschen, und da die Ex-Freundin eine durchsetzungsstarke Frau ist, machen sie sich nun zu dritt auf den Weg. 

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Debütroman des Musikers Thees Uhlmann, die Adaption besorgte Lena May Graf, aber ungleich prominenter ist der Mann auf dem Regiestuhl: "Sophia, der Tod und ich" ist das Debüt Charly Hübners. Der mehrfach mit dem Grimme-Preis und zwei Dutzend weiteren Auszeichnungen unter anderem als Hauptdarsteller des "Polizeiruf" aus Rostock geehrte Mecklenburger hat zuvor zwar schon einen Dokumentarfilm über die Punkband Feine Sahne Fischfilet ("Wildes Herz", 2017) gedreht, doch die 2023 in die Kinos gekommene Tragikomödie war sein erster Spielfilm. Davon ist allerdings nichts zu spüren. Dass er als Schauspieler seine Kolleginnen und Kollegen zu außerordentlichen Leistungen motivieren würde, war zu erwarten, aber auch die Inszenierung kann sich nicht zuletzt dank der Bildgestaltung sehen lassen.

Es ist daher umso bedauerlicher, dass sich das "Zweite" nicht zu einer früheren Uhrzeit durchringen konnte. Das ZDF war mit seiner Redaktion "Das kleine Fernsehspiel" als Koproduzent beteiligt, der Sendeplatz nach Mitternacht ist also ganz "normal", doch sein Publikum wird der ab zwölf Jahren freigegebene Film allenfalls in der Mediathek finden. Das ist schade, auch wegen der Denkanstöße, die die Geschichte reichlich zu bieten hat. Die zentrale Botschaft wird zwar nie ausgesprochen, ist jedoch offenkundig: Erst die Konfrontation mit dem Unvermeidlichen animiert Reiner dazu, Dinge zu erledigen, die er schon lange vor sich hergeschoben hat, allen voran die Versöhnung mit Mutter Lore (Johanna Gastdorf) sowie der Besuch seines kleinen Sohnes, dem er zwar täglich witzige Postkarten schreibt, den er aber schon seit Jahren nicht mehr gesehen hat. 

Sehenswert ist die flott umgesetzte Tragikomödie nicht zuletzt wegen der Spielfreude des Ensembles, aus dem Marc Hosemann herausragt: Gevatter Tod wandelt sich vom Gegenspieler zu einem Schutzengel, der zudem unerwartet Gefallen an irdischen Genüssen findet. Außerdem bleibt "Sophia, der Tod und ich" nach dem Auftakt ständig in Bewegung, weil das Trio erst mit dem Zug von Berlin nach Norden reist, wo Lore lebt, und dann mit deren Wagen ganz in den Süden zum kleinen Johnny. Der Tod sitzt jedoch nicht nur mit im Auto, er ist ihnen auch dicht auf den Fersen: Weil Morten seinen Job vermasselt hat, überträgt Erzengel Michaela (Hübners Frau Lina Beckmann) die Aufgabe einem ungleich pflichtbewussteren Kollegen (Carlo Ljubek); auf diese Weise kommt dank der Verfolgungsjagd auch noch Spannung ins Spiel. Einen sturmumtosten Zweikampf zwischen den beiden Todesboten hat Hübner wie eine "Matrix"-Hommage choreografiert. 

Der Rest ist Einfallsreichtum, den der gerade für ein Debüt optisch überraschend aufwendig wirkende Film nicht nur der Vorlage verdankt. Gerade mit dem Licht setzen Hübner und sein Kameramann Martin Farkas immer wieder prägnante Akzente; das denkbar knapp verhinderte Ableben zum Beispiel ist in ein berückend schönes Purpur getaucht. Das Finale ist ausgesprochen gefühlvoll, aber nicht sentimental, und spätestens jetzt wird deutlich: Es sollte nicht erst der Tod vor der Tür stehen, damit man sich darauf besinnt, was wirklich wichtig im Leben ist.