In schwindelnder Höhe auf dem Dom arbeiten

Christian Pilz erläutert in luftiger Höhe, wie die Steinmetze die kunstvollen Verzierungen der Domtürme
epd-bild/Gabriele Ingenthron
Steinmetze und ihr lebenslanges Bauen an einer Kathedrale: Seit knapp 30 Jahren arbeitet Pilz auf der Baustelle des Regensburger Doms.
Der besondere Arbeitsplatz
In schwindelnder Höhe auf dem Dom arbeiten
Hoch über Regensburg arbeitet Christian Pilz seit fast 30 Jahren an einem Bauwerk, das nie fertig wird. Der Dom ist sein Lebenswerk – und jede Kreuzblume, jeder Stein birgt neue Überraschungen.

Christian Pilz hat auf dem Regensburger Dom einen der höchsten Arbeitsplätze in der Stadt - nur der Fernsehturm ist höher. Von März bis November steht er zusammen mit seinen Kollegen in luftiger Höhe auf den Gerüsten der gewaltigen Kathedrale. Pilz ist Steinmetz. Über den Lastenzug oben angekommen, bekommt sein sonst fester Gang etwas Leichtfüßiges, fast Tänzelndes. Höhenangst kennt Pilz nicht. Schwindelfreiheit sei quasi eine Einstellungsvoraussetzung, sagt er.

Seit fast 30 Jahren arbeitet Pilz in der ältesten Dombauhütte Bayerns. Denn der Dom ist eine fest installierte Dauerbaustelle. Er könne sich nicht erinnern, dass die gotische Kathedrale mit ihren 105 Metern Höhe einmal nicht eingerüstet war. Es ist ein ewiger Kreislauf: Ist die eine Ecke restauriert, geht es an einer anderen weiter. Grundsätzlich sei das ein gutes Zeichen, sagt Pilz. "Wenn der Dom eingerüstet ist, weiß man, dass sich um das Bauwerk gekümmert wird."

Aktuell ist der Südturm von einem Baugerüst umwickelt. Die Arbeiten sollen bis 2029 gehen, wenn alles nach Plan läuft. Auch zum 750. Dombaujubiläum im nächsten Jahr wird der Dom demnach noch eingerüstet sein. Die Steinmetze sind mit einem Bündel von Problemen konfrontiert. So müssten die Belastungspfeiler des Südturms samt kunstvoller Fassadenelemente restauriert und erneuert werden.

Viele der Skulpturen und Verzierungen an den Türmen seien verwittert oder bröselten vor sich hin, erläutert Pilz. Beim Rundgang über das Gerüst zeigt er auf eine der steinernen Kreuzblumen, die mit Eisen befestigt ist. Jedes einzelne Teil müsse auf seine Stabilität hin geprüft und bei Bedarf erneuert werden. Die Teile seien mit Eisendübeln befestigt, die durch Korrosion ihr Volumen vergrößern und den Stein sprengen könnten.

Dombesucher müssen sicher sein

Eine herabgestürzte Kreuzblume habe 2017 den Anstoß gegeben, den Südturm einzurüsten und auszubessern, erläutert Karl Stock, der Leiter des Staatlichen Bauamts. Die Kreuzblume fiel in ein weiter unten angebrachtes Hängegerüst, so dass sie nicht auf den Boden fallen und Dombesucher treffen konnte. Das historische Gebäude müsse "verkehrssicher" sein, sagt er.

Ein Dauerproblem sei der Grünsandstein, der beim Bau der beiden Türme im 19. Jahrhundert verwendet wurde, sagt Bauamtsleiter Stock. Man habe damals nicht gewusst, wie anfällig er durch Umwelteinflüsse sei. Das Gestein werde brüchig. Heute verwende die Dombauhütte wieder den stabileren Kalkstein, zum Teil importiert aus Kroatien.

Wenn es die Steinmetze nicht gäbe, stünde der Dom auch immer noch als ein schwarzes Ungetüm wie in den 80er Jahren da. Heute hat der Dom wieder seine helle Erscheinung - wie es damals die Baumeister der Gotik wollten. Eigentümer der Kathedrale ist der Freistaat Bayern. Deshalb sei die Regensburger Dombauhütte dem Staatlichen Bauamt zugeordnet sei, erläutert Baudirektor Christian Brunner.

Als "Kulturdenkmal von Weltrang" sei der Dom zu erhalten, sagt Brunner. Die Kosten für den Bauunterhalt in Regensburg liegen ihm zufolge zwischen 400.000 und 500.000 Euro pro Jahr. Zusammen mit den Personalkosten für die 14 Steinmetze und eine Steinmetzin summiere sich dies auf etwa 1,1 Millionen Euro jährlich.

Die Arbeitsaufteilung ist klar: Die Dombauhütte hat den Dom im Blick. Die Kirche schaut, dass er ein Ort des Gebets bleibt. Mit dem Bistum Regensburg existiert eine Nutzungsvereinbarung. Wenn es gewünscht wäre, könnte der Dom auch in das Eigentum der Kirche übergehen, sagte Heimatminister Albert Füracker (CSU) jüngst bei einem Besuch der Dombauhütte. Doch danach sieht es nicht aus. Das sei aktuell kein Thema, bestätigt ein Bistumssprecher. So steht der Freistaat auch künftig in der Pflicht, das Kulturdenkmal zu erhalten und zu pflegen.

Dombauhütten und ihre Steinmetze tauschten ihre Expertise in ganz Europa aus, sagt Christian Pilz. Sie speicherten "Erfahrungswerte aus Jahrhunderten und geben sie an die nächsten Generationen weiter". So wie Pilz selbst, der sein ganzes Arbeitsleben dem Regensburger Dom gewidmet hat. Sein Lebenswerk: ein Jahrtausendbauwerk, eine in Stein gemeißelte und gelebte Erinnerungskultur.