Leon will Pfarrerin werden

Leon Kuklinski steht gemeinsam mit Pfarrerin Marlen Below (links) am Altar in der Kirche Heilige Dreifaltigkeit in Salzgitter und entzündet Kerzen.
epd / Charlotte Morgenthal
Leon Kuklinski steht gemeinsam mit Pfarrerin Marlen Below (links) am Altar in der Kirche Heilige Dreifaltigkeit in Salzgitter und entzündet Kerzen.
Berufung statt Büro
Leon will Pfarrerin werden
Mit 16 weiß Leon bereits, was sie beruflich machen will - auch wenn kaum jemand ihre Entscheidung versteht. Zwischen Kerzenlicht, Kirchenbank und Konfirmanden wächst ein Traum heran. Der Weg dorthin ist nicht nur leicht.

Während die Mitschüler ein Berufspraktikum im Schwimmbad, im Zoo oder im Kindergarten absolvierten, verbrachte Leon die Zeit in der örtlichen Kirchengemeinde. Die 16-Jährige, die sich gerade mit ihrer Transidentität im Übergang zur Frau befindet, probierte über drei Wochen aus, wie es sich anfühlt, evangelische Pfarrerin zu sein. "Ich wollte schauen, wie sich mein Berufswunsch entwickelt", sagt sie mit fester Stimme und strahlendem Lächeln.

Ein paar Wochen später sitzt Leon gemeinsam mit Pfarrerin Marlen Below auf einer Kirchenbank der Kirche Heilige Dreifaltigkeit in Salzgitter und lässt die Zeit noch einmal Revue passieren. Um das Praktikum zu beginnen, musste sie zunächst die Schulleitung ihrer Realschule überzeugen. Vorgesehen waren nämlich nur Praktika in Ausbildungsberufen, für die kein Studium vorgesehen ist. Das war nicht einfach, aber sie war sich sicher: "Es bringt mir doch nichts, wenn ich doch genau weiß, dass ich das machen möchte."

Wie selbstverständlich bewegt sich Leon, die ein langes Kleid trägt, durch den Altarraum, zündet am Altar die Kerzen an. Die Kirchengemeinde kennt sie durch die Jugendarbeit schon lange. Nun begleitet sie selbst Konfirmanden auf Freizeiten - zum Gewinn der jungen Menschen, wie Pfarrerin Below hervorhebt: "Du liest keine Broschüre über Konfirmandenfreizeiten, sondern fährst einfach mit und bringst die schüchternen Jugendlichen sogar zum Singen."

Sie habe eben unheimlich gern mit Menschen zu tun, begründet Leon ihre Begeisterung für den Pfarrberuf. Während des Praktikums habe sie zum ersten Mal gemeinsam mit Pfarrerin Below vorn im Altarraum einen Gottesdienst gestaltet, gebetet und das Abendmahl ausgeteilt. Für einen Moment habe sie Angst davor gehabt, dass sie alle ansehen und sie vielleicht einen Fehler machen könne. "Aber dann war es einfach schön, in die Gesichter der Menschen zu schauen, die einen anlachen."

Als Pfarrer:in keine Sorge um Stellenangebot

Weil sie genau wissen wollte, wie die Aussichten in ihrem Traumberuf sind, traf die Schülerin den braunschweigischen Landesbischof zu einem Gespräch. Die Auskunft der Landeskirche stimmt sie zuversichtlich: "Wer ein Theologiestudium aufnimmt, hat faktisch eine Stelle bereits heute sicher", sagt Kirchensprecher Michael Strauß. Auch wenn es künftig weniger Stellen gebe, werde die Nachfrage der Kirche nach Personen für das Pfarramt groß bleiben.

In der braunschweigischen Landeskirche ist Strauß zufolge die Zahl der jungen Menschen, die ein Theologiestudium mit anschließendem Vikariat in einer Kirchengemeinde anstrebten, in den vergangenen 20 Jahren von jährlich rund sechs auf derzeit zwei zurückgegangen. Auch in der benachbarten hannoverschen Landeskirche gibt es Nachwuchssorgen. Dort hat sich nach Kirchenangaben im gleichen Zeitraum die Zahl von 50 Studienanfängern auf weniger als die Hälfte reduziert. Derzeit sind rund 100 Pfarrstellen unbesetzt. Beide Kirchen beschreiben, dass alternative Wege in den Pfarrberuf für Quereinsteiger aber beliebter werden.

Auch Leon ist sich bisher nicht sicher, ob sie direkt Theologie studieren oder auf dem zweiten Bildungsweg ins Pfarramt gehen wird. Nur der Berufswunsch steht fest: "Nach dem Praktikum bin ich felsenfest davon überzeugt, diesen Weg einzuschlagen."

Der Pfarrberuf sei so besonders, weil er nicht nur von 8 bis 16 Uhr ausgeübt werde. "Jeder Tag ist anders und ich weiß abends nicht, was mich morgens erwartet." Viele ihrer Mitschüler verstünden ihren Berufswunsch nicht, aber sie könne nicht den ganzen Tag im Büro sitzen. Dafür nehme sie selbst endlos scheinende Gremiensitzungen wie die des Kirchenvorstands in Kauf, sagt sie mit einem Lachen.