Darum feiere ich im Alter meinen Glauben

Ältere Hände halten ein gebrauchtes goldenes Kreuz
Getty Images/iStockphoto/Elisaveta Ivanova
Jubelkonfirmation
Darum feiere ich im Alter meinen Glauben
Konfirmanden sind in der Regel Teenager. Jahrzehnte später haben evangelische Christ:innen die Möglichkeit, ihren Glauben erneut feierlich zu bekräftigen. Ob Diamantene, Eiserne oder Gnaden-Konfirmation: Warum legen Christen im fortgeschrittenen Alter ihr Glaubensbekenntnis ab? Was bringt ihnen das persönlich? Vier Jubelkonfirmand:innen aus Karlsruhe erzählen.

Gnadenkonfirmation:

Dorothea Supper (Hoffnungsgemeinde Karlsruhe)

Meine Konfirmation  im Jahr 1954 war für mich ein sehr wichtiges Ereignis. Meine Eltern waren nicht sehr religiös. Erst als Konfirmandin lernte ich die Kirche richtig kennen. Damals dauerte die Konfirmandenzeit noch zwei Jahre, wir hatten jede Woche Unterricht. Ich ging gerne hin. Der Pfarrer war nett und ich traf viele andere Jugendliche. Mich faszinierte die Bibel. Ich finde sie spannend und voller Weisheiten. Sie steckt voller Ermutigung. Als Konfirmandin habe ich meinen Glaube gefunden, der mir im Leben so oft Kraft und Orientierung gegeben hat. 

Für mich als 14-Jährige war der Festgottesdienst in der Heilbronner Nikolai-Kirche ein unvergessliches Erlebnis. Zu feierlicher Orgelmusik zogen wir ein. Unser Pfarrer ging voraus und wir folgten ihm singend in Zweierreihen.  Ich trug ein schwarzes Kleid mit weißem Spitzenkragen und einer weißen Nelke als Ansteckblume. Wir alle waren schwarz gekleidet. Das war ganz anders als bei der Konfirmation meiner Enkelin: Sie trug ein elegantes Kleid mit Trägerchen.  

Seit meiner Konfirmation fühle ich mich mit der Kirche verbunden. Ich ging in den Mädchenkreis und leitete die Gruppe später mit. Die Evangelische Jugend in Heilbronn war in den 1950er Jahren eine große lebendige Gemeinschaft. Wir feierten Gottesdienste, es gab Spiele, Tanz, Wandertage. Es war eine prägende Zeit. Dabei lernte ich übrigens auch meinen Mann kennen.    

Dorothea Supper hat ihre Gnadenkonfirmation gefeiert.

50 Jahre nach meiner Konfirmation erhielt ich überraschend Post von meiner Heilbronner Gemeinde: eine Einladung zur Goldenen Konfirmation. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Auch meine Freundin meinte: "Komm,  wir gehen zusammen hin." Sie lebt inzwischen in Bremen, und ich mit meiner Familie in Karlsruhe. Die Goldene Konfirmation war für uns ein bewegender Tag. Der Segen ist mir wichtig geworden. Seitdem habe ich auch in meiner Karlsruher Gemeinde alle Jubelkonfirmationen gefeiert. 

Meine Kirchengemeinde ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Als Finanzwirtin war ich zum Beispiel als Älteste aktiv, leitete den Frauenkreis, engagierte mich im Diakonieverein und saß einige Jahre in der Stadtsynode der Evangelischen Kirche in Karlsruhe. Heute leite ich noch einen Seniorenkreis. Die Gemeinschaft, die ich in meiner Gemeinde erlebe, und mein Glaube geben mir Halt – gerade auch in Krisen. 

"Die Gemeinschaft, die ich in meiner Gemeinde erlebe, und mein Glaube geben mir Halt – gerade auch in Krisen."

Mit 50 haben mein Mann und ich uns getrennt. Wir hatten uns als Teenager kennengelernt, haben zwei Kinder, verbrachten fast unser ganzes Leben zusammen. Die Scheidung war hart. Ich bin froh, dass wir uns nach einigen Jahren versöhnen und eine freundschaftliche Ebene finden konnten.

Das hängt mit der Geburt unserer Enkelkindern zusammen. Entscheidend dafür, dass keiner dem anderen böse blieb, war aber auch die Kraft zur Vergebung. Bei Gottesdiensten habe ich oft über die Zeile "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern" nachgedacht. Dabei habe ich den Mut gefunden, über meinen Schatten zu springen. Gerade das Vaterunser, das ich als Konfirmandin auswendig gelernt habe, war und ist mir im Leben oft eine Hilfe. 

 

Gnadenkonfirmation:
Günter Fischer (Laurentiusgemeinde Hagsfeld)

Im März habe ich meine Gnadenkonfirmation gefeiert. Ich bin 84 Jahre alt und empfinde es auch als eine Gnade, dass ich so alt werden durfte. Allein schon mit Blick auf meine christlich-jüdische Familiengeschichte. Meine Mutter war Jüdin. Der größte Teil meiner Verwandtschaft mütterlicherseits hat die Nazi-Zeit nicht überlebt. Auch meine Mutter starb zehn Jahre später an den Folgen ihrer Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt. Sie war dort an Typhus erkrankt. Am 27. März 1955 feierten wir noch meine Konfirmation bei uns im Garten mit einem fröhlichen Familienfest. Nur vier Wochen später holte sie die tödliche Krankheit wieder ein.  

So habe ich schon als Kind gelernt, dass Tod und Verlust zum Leben gehören. Geprägt hat mich auch die Religiosität meiner Eltern. Sie ließen uns Kinder evangelisch taufen. Mit meinem Vater besuchten wir sonntags die Kirche, meine Mutter ging freitags in ihre Synagoge. Wir haben in unserer Familie praktisch miteinander beide Glaubensrichtungen gelebt. 

Günter Fischer wurde 1955 konfirmiert.

Mit der jüdischen Religion fühle ich mich tief verbunden. Als Zeitzeuge besuche ich Schulen. Ich informiere über die Nazi-Zeit und erzähle von meiner Familie, von der viele in Auschwitz vergast wurden. So eng meine Beziehung zum Judentum auch ist, ich würde nie auf die Idee kommen, zu konvertieren. Dafür bin ich einfach zu fest in meinem christlichen Glauben verankert, in dem ich schon so oft Kraft und Halt gefunden habe.

Außerdem ist unsere Laurentiusgemeinde hier in Hagsfeld ein wichtiger Fixpunkt in meinem Leben geworden. Mein Jahrgang war der erste, der 1955 in der wieder aufgebauten Kirche konfirmiert wurde. Wann immer es sonntags geht, besuche ich den Gottesdienst. Das ist mir wichtig – um innezuhalten und zur Ruhe zu kommen. Gerade auch in den Jahren, in denen ich beruflich sehr aktiv war und mich auch in der Kommunal- und Landespolitik engagiert habe. 

"Der Glaube hilft mir, bewusster und achtsamer durchs Leben zu gehen und auch nachsichtiger mit meinen eigenen Fehlern umzugehen."

Ich habe alle Jubelkonfirmationen gefeiert. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich diesen Ehrentag schätzen gelernt. Ob es die Silberne, die Goldene oder die Gnadenkonfirmation ist, es ist einfach noch einmal ein ganz anderer Gottesdienst: Man steht vorne am Altar, bekräftigt sein Glaubensbekenntnis, wird gesegnet, empfängt das Abendmahl. Mir wird immer mehr bewusst, was mir mein Glaube auch als Richtschnur im Leben bedeutet. 

Vor allem, wenn es um Gewissensentscheidungen geht: Wie gehe ich als Arbeitgeber mit einem guten Mitarbeiter um, der ein Alkoholproblem hat? Oder wie gestalte ich als Stadtrat das Verhältnis zu politischen Kontrahenten? Eine Gewissensfrage war es auch, als ich Anfang der 2000er Jahre im Petitionsausschuss des Landtags über die Rückführung von Kosovo-Flüchtlingen mitentscheiden musste. Mit einer Glaubensperspektive bewertet man manche Dinge durchaus anders, als wenn man rein rationale Maßstäbe anlegt.  

Mein Glaube hat mich immer durchs Leben getragen und mir schwierigen Zeiten geholfen. Der Glaube hilft mir, bewusster und achtsamer durchs Leben zu gehen und auch nachsichtiger mit meinen eigenen Fehlern umzugehen. Und letztendlich auch, dem Tod gelassener entgegenzusehen.

 

Eiserne Konfirmation:
Dieter Kraft (Hoffnungsgemeinde Karlsruhe)

Meine Konfirmation im Mai 1959 erlebte mein Vater noch. Wenige Wochen später starb er bei einem Autounfall. Ich war 15 Jahre alt und mit einem Schüleraustausch in Frankreich. Mein Vater wollte mich eigentlich abholen. Warum musste er so früh sterben? Warum hat Gott das zugelassen? Diese Frage beschäftigt mich bis heute, eine Antwort habe ich nicht gefunden. Aber meinen Glauben habe ich nicht verloren. Auch nicht, als meine Frau vor zwei Jahren starb. Der Glaube gibt mir die Kraft zu leben. Und die Kraft, offen zu sein für andere und ihnen meine Hilfe anzubieten. 

Es ist mir wichtig, mich in die Gemeinde einzubringen. Es ist mir sicher auch ein Bedürfnis, etwas zurückgeben zu können. Als meine Mutter so plötzlich allein mit vier Kindern dastand, haben wir in unserer Kirchengemeinde viel Unterstützung erfahren. Ich denke, dass das Jahr 1959 für mich  besonders prägend war. Ich war Konfirmand und fühlte mich als einer der Großen, dann die Trauer um meinen Vater. Das war ein erster großer Schritt zum Erwachsenwerden. 

Dieter Kraft hat seine Eiserne Konfirmation gefeiert.

Damit waren auch Pflichten verbunden, wie Pfarrer Renner im Konfirmandenunterricht immer wieder betonte. Er war ein eher pietistisch geprägter Pfarrer. Ich weiß noch, wie er immer sagte: "Kind wirst du rot, so warnt dich Gott." An diesen Merksatz erinnern sich noch heute alle in meinem Jahrgang. Die Konfirmandenprüfung war damals ziemlich streng. Wir mussten Teile des Katechismus auswendig lernen. Niemand wusste, was Pfarrer Renner fragen würde. Manche von uns hatten richtig Bammel.

Ich wuchs in einer lebendigen Kirchengemeinde auf, der ich auch nach meiner Konfirmation verbunden geblieben bin. Meine Mutter war im Frauenkreis, ich in der Jungschar, die ich später auch leitete, und ich engagierte mich in der Jugendarbeit. Als Bauingenieur lebte ich mit meiner Familie lange Zeit in Berlin. Den Kontakt zu unserer Heimatgemeinde haben wir aber nie verloren.

"Der Glaube gibt mir die Kraft zu leben. Und die Kraft, offen zu sein für andere und ihnen meine Hilfe anzubieten."

Als wir 2002 zurückkehrten, engagierte ich mich viele Jahre als Ältester in der Gemeinde. Noch heute spiele ich mit Freude im Posaunenchor und helfe in unserer Hoffnungsgemeinde wo ich nur kann. Ich glaube, dass es auch dieses Gemeinschaftsgefühl ist, das mir Halt im Leben gibt. Und dass es mir deshalb auch ein Anliegen ist, die Jubelkonfirmationen zu feiern.       

Ob silberne, goldene oder wie kürzlich die eiserne Konfirmation – es ist einfach schön, gemeinsam im Kreis vorne am Altar zu stehen, den Segen zu empfangen und diese Verbundenheit zu spüren. Ich freue mich auch immer, wenn ich bei solchen Anlässen Leute treffe, die ich lange nicht gesehen habe. Es ist schön, hinterher zusammenzusitzen und Erinnerungen auszutauschen. 

Ich denke immer wieder gerne an meine Konfirmation vor 65 Jahren zurück. Es war ein sonniger Tag. Wir feierten bei uns zu Hause ein großes Familienfest – sogar die Verwandten aus Amerika waren gekommen. Und ein Traum wurde wahr: Ich bekam ein neues Fahrrad der Marke Staiger, Rahmengröße 28. Mein Vater hatte es gekauft. Damit bin ich dann bis zum Abitur gefahren. 

 

Diamantene Konfirmation:
Anita Mikhail (Evangelische Pfarrgemeinde Knielingen)

Dieses Jahr habe ich meine Diamantene Konfirmation gefeiert, vor zehn Jahren bereits die Goldene.  Mir ist es wichtig, mich zu meinem Glauben zu bekennen. Unsere Gesellschaft wird immer vielfältiger. Andere Kulturen bekennen sich oft deutlich offener zu ihrer Religion. Ich finde es schade, dass viele Christen ihre Religion heute nur noch im Privaten ausüben. Es ist fast schon verpönt, in der Öffentlichkeit mal ein Tischgebet zu sprechen. Das ist zumindest mein Eindruck. Ich bin jedenfalls eine evangelische Christin. Daraus möchte ich kein Geheimnis machen. 

Von meiner Konfirmation vor 60 Jahren weiß ich nur noch, dass der Gottesdienst sehr lang war. Ich erinnere mich vor allem an unsere Feier zu Hause. Es war ein schönes Familienfest. Wir hatten viele Gäste. Mein Großvater war aus dem Elsass angereist. Aus den USA war die Cousine meines Vaters zu Besuch und feierte mit uns. Ich durfte meine katholische Freundin einladen. Um für alle Gäste genug Platz zu haben, räumten meine Eltern sogar ihr Schlafzimmers. In der Nachbarschaft suchten wir Tische und Stühle zusammen. 

Feiert ihre Diamantene Konfirmation: Anita Mikhail.

Die Geschenke waren typisch für die damalige Zeit. Mädchen bekamen ja oft Sachen für die Aussteuer. Ein Bündel Geschirrtücher habe ich heute noch im Schrank. Beliebte Geschenke waren außerdem Bettwäsche, Silberbesteck und Taschentücher aus Stoff. Und Sammeltassen. Die habe ich erst kürzlich auf einem Hausflohmarkt verkauft – natürlich unbenutzt. Es gab auch Geldgeschenke. Damit kaufte ich mir mein erstes Fahrrad. 

Der Konfirmandenunterricht war ziemlich streng. Wir mussten viel aus dem Katechismus auswendig lernen. Vor der Prüfung hatten viele von uns Angst, sich im Gottesdienst zu blamieren. Nach der Konfirmation ging ich noch ein Jahr in die Christenlehre. Danach verlor ich den Bezug zur Kirche. Ich machte viel Sport. Als meine Mutter schwer krank wurde, haderte ich mit Gott. Ich komme ja aus der 68er-Generation: Autoritäten wurden generell infrage gestellt, auch kirchliche Obrigkeiten. Als Studentin beschäftigte ich mich mit anderen Religionen und war vom Buddhismus fasziniert. 

"Der Glaube ist für mich zu einer Kraftquelle geworden und gibt mir Hoffnung."

Durch meinen Mann bin ich wieder zum christlichen Glauben gekommen. Er war Kopte. Für mich war das eine neue Form von Religiosität. Sie hat mir den christlichen Glauben wieder näher gebracht. Den Kontakt zu meiner Kirchengemeinde habe ich über die Taufe unserer Kinder wieder aufgenommen. 28 Jahre lang engagierte ich mich in unserer Kirchenbibliothek. 

Der Glaube ist für mich zu einer Kraftquelle geworden. Das war in meinem Beruf als Lehrerin oft hilfreich. Der Glaube gibt mir auch Hoffnung. Wie wichtig das ist, wurde mir bewusst, als ich meine Cousine beim Sterben begleitete. Sie glaubte nicht an Gott. Ich fand es schlimm, dass sie in diesem Moment nicht beten konnte. Ich glaube, das Sterben fällt leichter, wenn man auf eine Auferstehung hoffen kann. Von unserem Konfirmandenjahrgang sind inzwischen etwa 30 Personen verstorben – die meisten davon in der Zeit zwischen der Goldenen und Diamantenen Konfirmation. 

Konfirmanden-Jubiläen im Überblick:

Bronzene Konfirmation: 10 Jahre
Silberne Konfirmation: 25 Jahre
Goldene Konfirmation: 50 Jahre
Diamantene Konfirmation: 60 Jahre
Eiserne Konfirmation: 65 Jahre
Gnaden-Konfirmation: 70 Jahre
Kronjuwelen-Konfirmation: 75 Jahre
Eichen-Konfirmation: 80 Jahre
Engel-Konfirmation: 85 Jahre