TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Ein feiner Tag für den Bananenfisch"

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Sonntag, 18. Mai, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Polizeiruf 110: Ein feiner Tag für den Bananenfisch"
Mehr Gender-Seminar als Krimi ist der neue Polizeiruf aus München, der im Milieu der Dragqueens spielt. Das geht auf Kosten der Spannung. Die authentischen Darsteller erlauben jedoch einen faszinierenden und intimen Blick in die Szene.

Eines Tages stolperte Günter Schütter über eine Wissenslücke: Was mag wohl der Unterschied zwischen einer Travestiekünstlerin und einer Dragqueen sein? Weil ihm sein Umfeld auch nicht weiterhelfen konnte, ist er der Frage nachgegangen. Die Antwort fand er so interessant, dass er kurzerhand ein Drehbuch draus gemacht hat.

Es geht um drei Männer, die in der Münchener Bahnhofsgegend einen Drag-Club führen, im Verlauf der Handlung von ihren zum Teil erschütternden Werdegängen erzählen und zwischendurch auf der Bühne singen und tanzen. Zum Drama wird die Geschichte, weil schurkische Grundstücksspekulanten ins Viertel drängen. Beim Bayerischen Rundfunk war man durchaus angetan von dem Stoff; einen Sendetermin für den Mittwochsfilm im "Ersten" hätte es allerdings frühestens in drei Jahren gegeben.

Das war Schütter zu riskant; wer weiß, ob die Stimmung im Land so einen Film dann überhaupt noch zulässt. Also schlug ihm die Redaktion vor, sein Drehbuch zu einem Krimi umzuschreiben.

Natürlich ist die Genese dieses "Polizeirufs" mit dem rätselhaften Titel "Ein feiner Tag für den Bananenfisch" ganz anders abgelaufen, aber der vierte Fall für Cris Blohm (Johanna Wokalek) wirkt über weite Strecken wie die Verfilmung einer Broschüre: "Was Sie schon immer über Drags wissen wollten (aber bisher nicht zu fragen wagten)". Würde man alles streichen, was nichts mit den Ermittlungen zu tun hat, wäre der Film allenfalls halb so lang.

Dabei entspricht der Handlungskern einem klassischen Krimischema: Nach einem umjubelten Auftritt verlassen drei Herren als Damen am sehr späten Abend ihren Club, werden Zeugen eines Mordes und müssen fortan um ihr Leben fürchten. Die Tat lässt keinen Zweifel an der Kaltblütigkeit der beiden Killer: Erst prügeln und treten sie ihr Opfer halb tot, dann schießen sie ihm fünfmal in den Rücken. Als "Signatur" hinterlassen sie ein Fischernetz; in der Unterwelt ein unzweifelhafter Hinweis auf einen albanischen Clan.

Dank der Aufnahmen einer Überwachungskamera, die das Trio zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts zeigt, tauchen Blohm und ihr Kollege Eden (Stephan Zinner) schon bald im "Rainbow" auf. Die drei leugnen zunächst, irgendwas gesehen zu haben, aber den Albanern, die ebenfalls wissen, wer sie beobachtet hat, ist das natürlich egal. Also bringen Blohm und Eden die Zeugen in der vermeintlichen Sicherheit eines maroden Hotels vor den Toren der Stadt unter. Mit dem Trip aufs Land beginnt der zweite Akt, und nun hört der Film auf, ein Krimi zu sein.

Schütter, für seine Drehbücher zu Münchener "Polizeiruf"-Episoden 2006 mit dem Grimme-Preis ("Der scharlachrote Engel", Regie: Dominik Graf) und 2014 mit dem Bayerischen Fernsehpreis ("Der Tod macht Engel aus uns allen", Jan Bonny) ausgezeichnet, nutzt die Autofahrt für einen didaktischen Disput zwischen Eden und dem Trio auf der Rückbank. Damit die sehr ausführliche und daher wie ein Kammerspiel auf vier Rädern wirkende Szene (Regie: Dror Zahavi) ein bisschen Zündstoff bekommt, gibt Eden den Skeptiker, der den Dragqueens vorhält, sie seien bloß das "schwule Alibi für gedankenloses Konsumverhalten".

Seine Behauptung, in jeder JVA herrsche mehr Niveau, ist zwar absurd, dient aber vermutlich ohnehin bloß der Provokation. Das Trio kontert mit Sätzen, die sehr nach Flugblatt klingen. Natürlich geht es dabei um "patriarchale Strukturen", an denen gerüttelt werden soll, sowie um die "Normvorstellungen des binären Gender-Systems"; und selbstverständlich gelten die Ausführungen weniger Eden, sondern vor allem dem Publikum.

Im Hotel geht es in diesem Stil weiter. Selbst Johanna Wokalek kann nicht verhindern, dass Blohm bloß noch wie eine Stichwortgeberin wirkt: "Stimmt es, dass weibliche Counter-Existenzen gebildet werden, wenn man die eigene nicht mehr aushält?" Zwischendurch wird’s immerhin ein bisschen spannend, als die Killer das Refugium heimsuchen, aber über weite Strecken ist der Film mehr Gender-Seminar als Krimi.

Tatsächlich wirken viele Dialoge, als hätten die mitunter allzu spielfreudigen Darsteller sie selbst geschrieben: Meik van Severen und Patrice Grießmeier stammen aus der Drag-Szene. Den nachhaltigeren Eindruck hinterlässt jedoch Božidar Kocevski, der seine Rolle mit einer faszinierend paradoxen Mischung aus Virilität und Verletzlichkeit versieht. Anhand dieser Figur erzählt Schütter das Schicksal vieler Außenseiter, die von ihren Familien verstoßen werden. Damit auch diese Botschaft ankommt, konfrontiert er Menora gegen Ende mit der Mutter, die jedoch keinen Deut von ihrer intoleranten Haltung abweicht: "Unter deinen Pailletten stinkst du nach Einsamkeit."