evangelisch.de ist an drei Tagen live bei den Interviews auf dem "Roten Sofa" am Kirchentag dabei. Durch das gesamte Programm führt der Chefredakteur des Medienhauses Stuttgart, Tobias Glawion.
Franz-Josef Overbeck: Ich will ein Mann der Ökumene sein
Der Blick über den eigenen Tellerrand, für evangelische Christ:innen ein Leichtes, also nimmt jetzt auf dem roten Sofa Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen und katholischer Militärbischof, Platz. Moderator Philipp Gessler vom Zeitzeichen Berlin fängt direkt mit der wichtigsten Frage an: Wer wird der nächste Papst? "Ich glaube, dass es jemand sein muss, der in der Öffentlichkeit auftreten kann und der Ökumene zugewandt ist", sagt er, aber es müsse ein "sehr sensibler Papst sein". Er denke es sei vor allem eine Herausforderung die selbstbewussten einzelnen Kirchen zusammenzuhalten. Mehr lässt er sich auch auf Nachfrage nicht mehr entlocken.
Katja Eifler volontierte nach ihrer Studienzeit im Lokalradio im Rhein-Kreis Neuss. Anschließend arbeitete sie als Radioredakteurin. Später als Redaktionsleiterin eines Wirtschaftsmagazins am Niederrhein. Heute ist sie freischaffende Journalistin, Online-Texterin, Coach und Moderatorin. Seit April 2023 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
Wie steht es um die Diversität?
"Einheit in Vielfalt" so agiert die Evangelische Kirche, sei das ein Vorbild für die katholische Kirche?So lautet die nächste Frage "Diversität müsse die katholische Kirche weiter lernen", sagt Overbeck. Aber es gebe auch Stimmen, die das Einheitsamt für richtig halten. Ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden großen christlichen Religionen ist die Frage der Beteiligung von Frauen. Stichwort: Frauenordination. Bischof Overbeck sieht es so, dass man mit der jetzigen Struktur der katholischen Kirche nicht mehr weit komme, schon allein aus dem vorhandenen Priestermangel heraus. Alternativ Priester aus dem Ausland einzuladen, sei aber aus seiner Sicht auch keine optimale Lösung. Die Frage sei schlicht immer noch nicht abschließend beantwortet, aber offen darüber reden zu können, sei durch Franziskus möglich geworden, ergänzt er.
Mit dem Blick auf den Krieg in der Ukraine wechselt der Moderator auf ein anderes für Christ:innen schweres Thema. Ist der Krieg gerecht? Und wie soll man sich verhalten? Der Bischof sei dafür, alles zu tun, um die Grundprinzipien, die unsere Freiheit und den Frieden sichern, zu erhalten. Russland sei unberechenbar und die Gefahr für die angrenzenden baltischen Staaten sei im Bereich des Möglichen. Auch der Einsatz von Atomwaffen sei nicht bei Putin auszuschließen. "Es ist eine Pflicht für die nächste Bundesregierung sich auf alle möglichen Fälle einzurichten."
"Wir müssen friedenstüchtig sein und dafür kriegstauglich werden"
Die Kirchen sollen sich seiner Meinung nach vor allem für Grundrechte einsetzten und wenn Aufrüstung dafür nötig sei, dann nur mit dem Ziel den Frieden wiederherzustellen und aus keinem anderen Grund. "Es kann jeder von uns bereit sein ein Märtyrer für sich selbst zu sein, haben sie aber Verantwortung für viele, muss eine Entscheidung anders fallen." Aber ist Deutschland den schon, wie Pistorius es sagt "kriegstüchtig"? Der Status der Bundeswehr sei lächerlich, wir seien bis dato nicht kriegstüchtig, antwortet Overbeck. Aber, "wir müssen friedenstüchtig sein und dafür kriegstauglich werden."
Das Lob in den Nachrufen auf Papst Franziskus für seine Einstellung zur Ökumene war eher verhalten. "Er hatte, glaube ich nicht, den Mut etwas Einzelnes zu machen und aus der Linie herauszutreten", sagt der Militärbischof. Stichwort: gemeinsam das Abendmahl feiern. In Ländern wo es kaum Protestanten gäbe, sei das natürlich noch gar keine Frage. "Ich finde diesen theologischen Schritt dagegen sehr wichtig." so Overbeck. Gemeinsamkeit könne wachsen, wenn man seinen eigenen Glauben sehr wertschätzt, aber diese Wertschätzung auch auf den anderen Glauben übertragen kann, fährt er fort. Es gäbe aus seiner Sicht große Aufgaben, an denen alle Christen zusammenarbeiten sollten.
Für junge Menschen sei diese Unterscheidung oft gar nicht so deutlich. Sie würden eher nach christlichen Orientierungen suchen, evangelisch oder katholisch spiele nicht immer eine große Rolle. Aber es gäbe kleine kirchliche Gruppen, die sehr deutlich diese Abgrenzung wollen. "Es ist immer unheilvoll, wenn aus Abgrenzung, Abschottung wird. Ich will ein Mann der Ökumene sein", setzt Overbeck dazu seinen Schlusspunkt. Und das gerade noch rechtzeitig bevor dunkle Wolken über dem Messepark aufziehen.
Abruch wegen Regen
Alle Akteure und Gäste sowie die gesamten Zuschauenden sollen Schutz in einer der festen Hallen suchen, das bedeutet leider das Ende für heute auf dem Roten Sofa. Aber damit kein Mensch gefährdet wird, packen wir ein. Morgen scheint dann hoffentlich wieder die Sonne und viele kehren zum Sofa zurück. Für die berichtende Redakteurin von evangelisch.de gilt das natürlich auf jeden Fall!
Jonny vom Dahl: Es ist geil, Christ zu sein
Den Mann, der an diesem Nachmittag auf dem Sofa Platz nimmt, kennen evangelisch.de Leser:innen bestimmt: Jonny vom Dahl. Er ist Singer und Songwriter und ein Influencer, der eine christliche, aber auch kirchenkritische Haltung einnimmt. Als Sohn eines Pfarrers ist er außerordentlich liberal eingestellt.
Vor allem sei er ein Künstler, und Social Media käme hinterher, sagt er auf dem "Roten Sofa" sitzend. Pop mit tiefen Texten macht er, aber warum ist es ihm wichtig? Seine Antwort: Ein Teil der christlichen Botschaft ist es, sich für Menschen einzusetzen, die selbst keine Stimme haben. "Wir haben Verantwortung."
Sein neuer Song heißt "Bunte Fahnen" und erzählt die Zeitzeugen-Geschichte seiner über 90-jährigen Nachbarin, die die komplette Nazi-Zeit und das Dritte Reich hautnah miterlebt hat und im Krieg flüchten musste. Sie erzählte ihm, dass sie von einer Welt träumt, wo alle Menschen friedlich nebeneinander und vor allem miteinander leben können. Diese Geschichte fand Jonny so berührend, dass er einen Song darüber schreiben musste.
Gegenwind und Hass bekommt Jonny für seine deutliche Haltung gegen Rechtsextreme und auch in Bezug auf das Thema Queer oder Homosexualität. Ihn trifft das zwar, aber er will trotzdem die Arme allen Menschen gegenüber weit auf machen. Auch die Kommentare auf dem Kirchentag über Veranstaltungen zu diesem Thema sowie die Bemerkungen vom rechten Rand berühren ihn. Ab einem gewissen Moment hält Jonny dieses Verhalten auch für "böse". Wie er mit Kommentaren umgehe, die diffamierend seien fragt die Moderatorin, ignorieren oder kommentieren und Aufmerksamkeit schaffen? Wenn man auf so viel Bullshit reagiert, mache man das Thema größer, aber ignorieren kann er es nicht, da er stolz darauf ist, Christ zu sein. "Es ist geil Christ zu sein." Aber eine klare Antwort, wie damit umzugehen nun richtig sei, hat er nicht.
Auf allen Meta-Kanälen sind seit sieben Wochen seine Accounts wegen seines liberalen aber deutlichem politischen Contents weg, ohne Begründung. Damit ist seine Lebensgrundlage als Influencer auch dahin, für ihn eine wichtige Einnahmequelle. Er zog gegen Meta vor Gericht und gewann. Ob seine Kanäle wieder on gehen, das Ende ist noch offen. Sein reichweitenstärker Content zog wohl die "rechtsextremen" im Internet an. Er vermutet: "Diese rechten Influencer scheinen den Account vielfach als negativ gemeldet zu haben, das führt zu einer Sperrung."
Keine Glaubensscham, das ist Jonny
Glaubensscham kennt er persönlich nicht, er haut einfach raus, dass ihn Jesus beeindruckt, auch wenn er manchmal dafür verlacht wird. Und auch wenn Kirche mal "Bockmist" baut, im ganzen bräuchte die Welt aus seiner Perspektive mehr denn je die christliche Botschaft. Mutig, stark, beherzt als Christ:in rausgehen, aber dennoch demütig bleiben. "Auch wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen", sagt Jonny.
Wäre es denn nicht wirtschaftlich günstiger für ihn, über seinen Glauben zu schweigen? Er könne Glauben nicht von seinem Leben trennen, mit allen Konsequenzen. Auf die Frage, ob er ein überzeugter Pazifist sei, druckst er ein wenig herum. Aber: "Eine Welt ohne Krieg, ist mein Traum". Dennoch hat er Verständnis für Menschen, wie jetzt in der Ukraine, die sich verteidigen, wenn andere ihr Land überfallen.
Zum Abschluss will die Moderatorin noch Tipps einholen, wie auch Erwachsene wieder in die Kirche geholt werden können. "Rausgehen, dahin, wo die Menschen sind. Ein Treffen in einer Grillhüte mit Bockwurst und Kartoffelsalat, wunderbar." Kirche säße zu oft auf einem hohen Ross und hielte sich für per se relevant, aber das sei sie nicht, sagt er. " Wir müssen mutig sein." Und auch wenn die Fans vor der Bühne seufzen, leider ist seine Zeit auf der Bühne hier schon wieder vorbei.
Hier geht es zur Berichterstattung vom Donnerstagvormittag.
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Die Zusammenfassung vom Freitagvormittag gibt es hier.