"Rotes Sofa" mit Dietmar Wischmeyer und Margot Käßmann

Dietmar Wischmeyer
Mathis Eckert
Der Kabarettist Dietmar Wischmeyer unterhält das Publikum vom "Roten Sofa" aus.
Promitalks auf dem Kirchentag
"Rotes Sofa" mit Dietmar Wischmeyer und Margot Käßmann
Promis, Perspektiven, starke Stimmen: Auf dem "Roten Sofa" sprechen Glaubenspersönlichkeiten, Politiker:innen, Aktivist:innen und Künstler:innen über Mut, Glaube und Gesellschaft. Heute unter anderem mit dabei: Landesbischöfin a.D. Margot Käßmann, Franziska Brantner, Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen und Anja Siegesmund, Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentages 2025. evangelisch.de ist Medienpartner des "Roten Sofas" und fasst das Wichtigste für Sie zusammen. 

Adenike Oladosu: Wenn wir Frauenrechte stärken, stärken wir Klimagerechtigkeit

Die nächste Powerfrau ist auf dem "Roten Sofa": Adenike Oladosu. Sie ist eine nigerianische Klimaaktivistin und Ökofeministin, die sich international für Klimagerechtigkeit, Bildung und die Rechte von Frauen in Afrika starkmacht. Ihr Engagement wurzelt in der Erfahrung, wie sehr die Klimakrise bereits heute das Leben in ihrer Heimat bedroht – und besonders das von Mädchen und Frauen. Auch ist sie Mitbegründerin von Fridays for Future in Nigeria.

"Ich liebe es, hier zu sein, und bin sehr von der Organisation beeindruckt. Es sind so viele Leute hier. Ich bin sehr gespannt, was ich noch alles hören werde und freue mich sehr, dass ich hier meiner Stimme Gehör verschaffen darf." Oladosu bezeichnet sich als Fürsprecherin für Klimagerechtigkeit. Sie setzt sich für die Rechte von Frauen und Mädchen ein. Wie ist die Situation in Nigeria, das Klima betreffend?

Adenike Oladosu

"In Nigeria gibt es vielfältige Auswirkungen der Klimakrise wie Dürreperioden und Überflutungen. Das betrifft vor allem Frauen und Mädchen. Das ist nicht nur eine einzelne Krise, sondern viele. Wir haben uns noch nicht mal von der letzten Krise erholt." Die Frage sei, wie man sich an diese neue Realität anpassen könne: "Es geht nicht nur um wirtschaftliche Aspekte und Effekte. Es geht um Menschenleben. Man kann es nicht mit Geld bezahlen oder mit Geld lösen." Es gehe um den Verlust von Leben, um den Verlust der Kultur. "Unser kulturelles Erbe geht verloren. Es müssen so viele Menschen flüchten", sagt Oladosu.

"Europa wird nicht sicher sein. Wenn wir jetzt nichts tun, wird Europa noch viele weitere Flüchtlingswellen sehen."

Die Aktivistin fragt: "Hat jemand schon mal von dem Tschadsee gehört und seinen Problemen?" Der See trockne seit den 60er Jahren aus, 90 Prozent seien schon trocken. "Millionen von Menschen sind betroffen und müssen fliehen. Sie sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Menschen haben keine andere Wahl, als zu flüchten." Städte in Küstenregionen werden irgendwann überflutet sein, wie es auch ihre Heimatstadt sei. "Europa wird nicht sicher sein. Wenn wir jetzt nichts tun, wird Europa noch viele weitere Flüchtlingswellen sehen. In Nigeria und ganz Afrika sind so viele Menschen bedroht - man kann das in Dollar ausrechnen, aber dahinter stehen Menschenleben. Es ist eine soziale Krise. Menschen verlieren ihre Arbeit und werden in die Armut gedrängt. Die Klimakrise ist eine Krise der Armut."

Die Folgen des Klimawandels betreffen Frauen und Mädchen besonders, sagt Oladosu. Warum? "Sie kümmern sich um den Haushalt, sie müssen weit laufen, damit sie jeden Tag frisches Wasser haben. Sie müssen weiter laufen, wenn es knapp wird. Das ist die Rolle der Frau. Sie sollte sich aber nicht darauf beschränken. Frauen sollten Teil der Lösung sein. Wir müssen sie befähigen und sie unterstützen. Ihre Stimme muss gehört werden." Junge Mädchen würden unter zehn Jahren verheiratet, damit die Familie ein finanzielles Einkommen habe. "Sie können nicht mehr in die Schule gehen. Wenn sich diese Frauen für Klimagerechtigkeit einsetzen könnten, was wäre dann?", fragt Oladosu.

"Wenn wir Frauenrechte stärken, stärken wir gleichzeitig Klimagerechtigkeit."

Man müsse die Kultur ändern, die besagt "die Frau gehört an den Herd". Das habe viel mit Klimagerechtigkeit zu tun, wenn Frauen nicht mehr in die Schule gehen können, weil sie Wasser holen müssten und mit dem Haushalt beschäftigt seien. "Wenn wir Frauenrechte stärken, stärken wir gleichzeitig Klimagerechtigkeit." Hoffnung gebe ihr, dass jetzt auch in der Kirche darüber gesprochen werde. Es entstehe ein Bewusstsein dafür, das auch die jungen Menschen erreiche. "Sie können Teil der Veränderung sein. Die vielen Menschen, die hier sind, gehen nach Hause und bewirken vielleicht etwas. Man kann immer etwas tun, auch in ganz kleinen Schritten. Es gibt mir so viel Hoffnung, dass wir den Raum dafür haben, darüber nachzudenken."

Margot Käßmann: Biblischer Text gehört zum Leben der Menschen

Deutschlands wohl bekannteste Theologin ist auf dem "Roten Sofa": Margot Käßmann, Landesbischöfin a.D. Sie ist bekannt für ihre klaren und mutigen Positionen zu gesellschaftlichen und kirchlichen Fragen, besonders in Bezug auf Frieden, Gerechtigkeit und den interreligiösen Dialog. Käßmann hat persönliche Brüche nie verborgen – und ist gerade deshalb für viele Menschen glaubwürdig und nahbar. Es gibt keinen einzigen freien Platz mehr vor der Bühne.

1979 war ihr erster Kirchentag in Nürnberg. "Ich war zum ersten Mal als Studentin beim Feierabendmahl. Das hat mich sehr fasziniert." Christen seien heute dazu aufgerufen, wachsam zu sein. Die Friedensdiskussion ist bekanntlich derzeit alles andere als friedlich. "Ich finde es wichtig, dass wir Haltung annehmen. Aber der Kirchentag soll auch zeigen, dass wir miteinander reden müssen", sagt Käßmann. Der Kirchentag sollte etwas in die Gesellschaft tragen: "Wir können reden. Ich bin Pazifistin und erwarte von anderen auch, dass sie das respektieren.

Margot Käßmann

Die Friedensbewegung erachtet Käßmann als essentiell: "Schon in den 80ern hat man über Abschreckung diskutiert. Es waren dann aber mutige Christen, die gewagt haben, den Staat anzuzweifeln und auf die Straße zu gehen. Der Ruf wurde auf die Straßen getragen. Es waren die Menschen von unten, die abgeschreckt haben."

"Es muss unsere Hoffnung bleiben, dass es Versöhnung zwischen Russland und der Ukraine geben wird, im Nahen Osten. Sonst wäre es ja wirklich hoffnungslos."

Wäre es vorstellbar, dass dies wiederholt wird? "Ich bin ein hoffnungsfroher Mensch. Unsere Generation wurde von Eltern erzogen, die den Krieg miterlebt haben. Junge Leute fühlen sich heute nicht mehr so betroffen. Das Thema war früher wesentlich präsenter." Wie kann man jungen Leuten das Friedensfeuer heute einpflanzen? "Wir bewegen uns nur, wenn uns etwas persönlich berührt. Ich hoffe, dass junge Leute wieder wacher werden. Bei uns zu Hause wird jedenfalls kontrovers diskutiert: Was ist der richtige Weg?" Es sei wichtig, so Käßmann, dass wir nicht verstummen, sondern reden. "Wir sollten den Kindern erzählen, dass es immer Kriege gab, aber dass sie auch immer ein Ende hatten. Das muss doch immer unsere Hoffnung bleiben, dass es Versöhnung zwischen Russland und der Ukraine geben wird, im Nahen Osten. Sonst wäre es ja wirklich hoffnungslos."

Auf Julia Klöckners Äußerung angesprochen, die Kirchen seien heute NGO’s, sagt sie: "Klöckner war nicht die erste und einzige, die das behauptet hat. Aber da gibt es ein Missverständnis: In jeder biblischen Botschaft steckt etwas, was mit uns zu tun hat. Ich kann den biblischen Text nicht vom Leben der Menschen trennen." Es gehe um Polis, politische Gemeinschaft. Ist die Kirche noch zu retten, fragt der Moderator. "Diejenigen, welche die Kirche erhalten, sind nicht wir. Die Kirche, die rettet Gott schon alleine."

Anja Siegesmund: Es wird am Ende etwas Gutes mit der richtigen Schärfe

Das "Rote Sofa" ist ein Hotspot des Glaubens. Jetzt zu Gast: Anja Siegesmund. Sie hat derzeit wahrscheinlich den stressigsten Job, den man sich vorstellen kann. Sie ist seit 2023 Präsidentin des Deutschen Evangelischen Kirchentages und diese Tage unermüdlich im Einsatz. Die frühere Umweltministerin aus Thüringen mischt politische Erfahrung mit Engagement für gesellschaftlichen Dialog, Nachhaltigkeit und Glauben.

"Wenn man besonders zweifelt, erweist sich der Glauben als besonders stark."

"Ich habe das schönste Ehrenamt der Bundesrepublik inne. Gäbe es den Kirchentag nicht, man müsste ihn erfinden. Es braucht solche Veranstaltungen, bei denen entscheidende Debatten geführt werden." Ein klares Statement von Siegesmund. Zu ihren kirchlichen Wurzeln befragt, erzählt sie: "Ich bin spät als Erwachsene getauft worden." Ihr Mann stamme aus einer Pfarrersfamilie. Als 12-Jährige habe sie die friedliche Revolution sehr bewegt, die eng mit der Kirche verbunden sei. Im Studium habe sie aus einer persönlichen Situation heraus den Glauben gesucht – und gefunden. "Wenn man besonders zweifelt, erweist sich der Glauben als besonders stark." Das habe sie aber erst im Rückblick erkannt.

Anja Siegesmund

Wie wird man Kirchentagspräsidentin? "Nur mit unterschiedlichen Perspektiven können wir etwas bewegen." Die Vorbildung als Theologin sei nicht das Entscheidende. "Der Kirchentag als Laienbewegung hat unterschiedliche Säulen und wir planen das Programm mit vielen Unterstützern. Es wird am Ende etwas Gutes, hoffentlich mit der richtigen Schärfe."

Mutig - stark – beherzt, das Motto des Kirchentages. "Klingt ein bisschen wie das Pfeifen im Walde", sagt der Moderator. "Finden sie?", fragt sie. "Wer findet das denn noch?" Nur wenige Hände heben sich im Publikum. "Ist das doch nicht eher eine Durchhalteparole?", bohrt der Moderator weiter. Ihre Antwort: "Das hat doch etwas unglaublich Aktivierendes. Die Frage nach schwindenden Kirchentagsmitgliedern wird mir immer wieder gestellt. Es ist daher sehr wichtig, dass wir mutig und beherzt sind." Immenser Druck liege auf unserer Demokratie. "Wir brauchen ein starkes Signal." Angela Merkel habe bei ihrer Bibelarbeit auf dem Kirchentag gesagt: Wir müssen mutiger, stärker und beherzter sein. Gerade bei der Bewahrung der Schöpfung. "Ich stimme ihr da sehr zu."  Ob sie auch das Gerücht gehört habe, dass Merkel als nächste Präsidentin des Kirchentages im Rennen sei? Das habe sie auch gehört. Aber Siegesmund ist immer noch Politikerin genug, um sich festnageln zu lassen.

Am Samstag wird sie auf dem "Roten Sofa" Julia Klöckner treffen, die mit ihrer Bemerkung, dass Kirchen heute NGO’s seien, für Unmut sorgte. "Ich werde ihr danke sagen, dass sie sich der Diskussion stellt und sie fragen: Was heißt es eigentlich Christ zu sein? Es ist wichtig, dass wir christliche Fragen, nicht nur auf den Gottesdienst am Sonntag schieben."

Sally Azar: Politik ist immer dazwischen. Aber es ist Offenheit da

Es wird spannend und international. Sally Azar, 27 Jahre, ist die erste evangelisch-lutherische Pfarrerin palästinensischer Herkunft und wurde 2023 in Jerusalem ordiniert. Sie steht für die junge, weibliche Stimme im Nahen Osten, die sich für Frieden, Versöhnung und Gleichberechtigung einsetzt. Eine "Ausnahmeperson", sagt der Moderator. 

"Die Bibel ist hier eindeutig: Ordination von Frauen ist gestattet."

Wie sei denn die Ordination gewesen, wird sie gefragt. "Es lief ganz gut", sagt Azar. "Wie man sich vorstellen kann, ist es nicht ganz einfach." Es sei nicht ihr persönlicher Erfolg, sondern ein Kirchenerfolg. "Für uns als lutherische Kirche ist es nichts komplett Neues, aber es war etwas anderes, dass ich eine Frau aus dem eigenen Land bin." Vorbehalte habe sie durch ihre Klarheit ausgeräumt. Es gehe um die Bibel. "Die Bibel ist hier eindeutig: Ordination von Frauen ist gestattet." Wie motiviert sie ihrerseits Frauen zur Gleichberechtigung? "Die Frauenarbeit bei uns ist schon stark", sagt Azar. "Bei uns sind die Frauen diejenigen, die die meiste Arbeit in der Kirchen machen." Sechs Gemeinden gibt es insgesamt mit vielen Frauen, die für Projekte zuständig sind. Sie machen Bibelarbeit und sprechen zum Beispiel über Frauen in der Bibel. "Die Frauenarbeit ist wichtig."

Sally Azar

Der Weltgebetstag vergangenes Jahr war in Palästina, und es gab Diskussionen, weil das deutsche Komitee nach dem Hamas-Angriff am 7. Oktober 2023 Änderungen an der ursprünglich von palästinensischen Frauen verfassten Liturgie vornahm. Wie hat sie das empfunden? "Auf jeden Fall fühlte ich mich von deutschen Christen bevormundet. Wir würden keine Liturgie beten, die gegen Juden ist."

Ökumene komme leider nicht sehr zum Zug. "Nur an Ostern und Weihnachten kommt es zum Austausch. Politik ist immer dazwischen." Der Dialog werde noch lange auf sich Warten lassen. "Aber es ist Offenheit da." 

Dietmar Wischmeyer: Die Leute sind friedlich - im Vergleich zu Wacken

Dieser Talkgast verspricht amüsant zu werden. Dietmar Wischmeyer ist ein deutscher Satiriker, Autor und Radiomacher, ein "Humorfacharbeiter". Bekannt wurde er durch das "Frühstyxradio" bei Radio ffn, wo er Kultfiguren wie "Günther, der Treckerfahrer" oder "Frieda & Anneliese" schuf. Mit seiner spitzen Zunge und scharfem Blick auf gesellschaftliche Absurditäten ist er regelmäßig in der ZDF-"heute-show" zu sehen und tourt mit eigenen Programmen durch Deutschland.

Er wird als Radiologende anmoderiert. Ironie und Satire sind bei ihm Programm. Wie war denn die Anreise, fragt der Moderator. "Keiner hat geklampft in der Bahn, das richtige Kirchentagsfeeling war das nicht." Der Kirchentag sei aber unverändert: "keine Schlägereien, die Leute sind friedlich – im Vergleich zu Wacken. Die Toilettensituation kriegt ein eins mit Sternchen."

Dietmar Wischmeyer

Im Interview holt Wischmeyer erst einmal aus: "Ich wollte Pastor werden. Ich fand es toll, 20 Minuten zu reden und keiner redet dazwischen." Er habe auch  romantische Vorstellungen von dem Beruf gehabt. "Ich dachte, ich fahre im schwarzen BMW durch die Gemeinde und die Leute grüßen mich." Dass das an der Realität allerdings sehr vorbeigehe, habe er heute verstanden. "Wenn man heute Pastoren sieht, die zwischen drei Gemeinden springen. Das ist kein toller Job mehr." Beerdigung und Trauer finde doch heute gar nicht mehr in der Kirche statt. 40.0000 denkmalgeschützte Kirche stünden in Deutschland leer. "Die meisten Leute kennen die Kirche als Gebäude, an dem man mit dem Auto vorbei fährt."

"Ich habe Angst vor meiner Beerdigung, dass die Leute blöde Lieder singen, schlecht gekleidet sind. Heute ist alles so unzeremoniell."

Thema Beerdigung. Auch hier hat Wischmeyer eine klare Meinung. "Ich will einen Stein. Ich will auch keinen QR Code haben. Der Friedhof sollte mehr Begegnungsraum sein. Die Kirche soll sich mal darum kümmern." Er mag den Grabstein von Kurt Schwitters: "Man weiß ja nie". Humor auf Grabsteinen, das kann schief gehen. "Hat sich in Deutschland nicht durch gesetzt. Es gibt Bereiche, da gehört der Humor nicht hin." Er selbst hat alles schon geplant: "Ich habe aber Angst vor meiner Beerdigung, dass die Leute blöde Lieder singen, schlecht gekleidet sind. Heute ist alles so unzeremoniell." Früher seien an der Kreuzung die Autofahrer aus ihren Autos gestiegen, wenn der Leichenzug vorbei kam.

Er selbst ist aus der Kirche ausgetreten: "Sie ist unterkomplex intellektuell geworden. Ihr fehlt die intellektuelle Schärfe in der Diskussion." Es werde so kommen, dass die Kirchensteuer abgeschafft wird und eine allgemeine Kultursteuer eingeführt wird, an der der Staat verdient. "Darauf ist die Kirche überhaupt nicht vorbereitet." Man wolle sein Geld einfach nicht in ein großes schwarzes Loch werfen. Kirche komme im Alltag viel zu wenig vor. 

Franziska Brantner: Wenn Sie als Frau Politik machen, dann kriegen Sie einiges ab

Das Rote Sofa zieht die Besucher auf dem Kirchentag ganztägig an wie ein Magnet. Die Bänke im schönsten Sonnenschein sind voll besetzt. Auch die Promidichte ist von morgens bis abends hoch. Nun nimmt Franziska Brantner, Bundesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, auf dem Roten Sofa Platz. Brantner steht für eine pragmatische und zugleich werteorientierte Politik und zieht sich erst mal aus, es ist heiß.

Franziska Brantner

Die erste Frage des Moderators Philipp Gessler von Zeitzeichen sorgt auch nicht für Abkühlung: Warum hat das Wahlprogramm nicht überzeugt? Ist Klimaschutz out? 

"Diese Frage habe ich mir auch intensiv gestellt. Stichwort Heizungsgesetzt. Da haben wir unsere Lehren draus gezogen. Innerhalb des kurzen Wahlkampfes gab es vier Anschläge in Deutschland, die die Debatte dominiert haben. Wir haben es versucht, aber das Thema Klima war schwierig unterzubringen. Wir geben das Ziel nicht auf, klimaneutral zu werden." Sinnvoller sei es außerdem, wenn andere Länder ihren Klimaschutz selbst für sich machen und Deutschland sie nicht finanziell unterstützte "als so eine Art Ablasshandel". 

Zweites schweißtreibende Thema war Frauenfeindlichkeit. Annalena Baerbock habe das auch zu spüren bekommen. "Wenn Sie als Frau Politik machen, dann kriegen Sie einiges ab. Das ist furchtbar in den sozialen Medien. Ich nenne sie nicht mehr soziale Medien, denn daran ist nichts sozial." Publikumsapplaus. "Als ich als Bundesvorsitzende kandidierte, ging das Gerücht in 20 Minuten durch die sozialen Medien, dass ich eine Villa habe und irgendwelche Affären. Das gibt es nur bei Frauen, da kommen wir ganz schwer dagegen an."

Weiter geht es mit der AfD. Soll man sie verbieten? "Ich habe einen Verbotsantrag unterschrieben", so Brantner. "Das ist ein Instrument, das man nutzen sollte." Der anstehende Verfassungsbericht werde es zeigen. In anderen Ländern passten sich Radikalen an, in Deutschland sei es andersherum. "Wir müssen aber auch politisch dagegen arbeiten."

"Wir sind schuldig, aber haben die Verantwortung besser zu werden."

Auf die Frage, ob die AfD nicht schon zu groß geworden sein, sagt die Politikerin: "Die NPD hat man damals nicht verboten, weil sie zu klein war. Ist das ein Kriterium? Das ist eine Frage des Inhaltes und der Strukturen und nicht der Größe." Wie erklärt sie den Erfolg der Partei? "Es gibt einen Teil, der deutschlandspezifisch ist und einen, den wir so auf der ganzen Welt sehen." Die AfD sei als eurokritische Partei gestartet. Sie seien dann leider stark mit den Themen Einwanderungsgesellschaft, Migration und Flucht gewachsen. "Warum ist es uns nicht gelungen, diese Themen in der Politik positiv umzusetzen? Alle demokratischen Parteien müssen sich fragen, warum sie das nicht hingekommen haben. Wir müssen es besser erklären! Wir sind schuldig, aber haben die Verantwortung besser zu werden. Wir wollen die Räume nicht der AfD überlassen."

Auch Klöckner kommt mit ihrem jüngsten Vorstoß zur Sprache. Viele kritisierten, dass die evangelische Kirche zu links, zu grün geworden ist. Brantner: "Ich finde, man muss sich die Fragen andersherum stellen: Wann hat die CDU das C in ihrer Politik verloren?"

Hier geht es zur Berichterstattung vom Donnerstagvormittag.