"Atomkraft? Nein danke" - Studentin entwarf Anti-Atom-Logo

Aufkleber "Atomkraft? Nein Danke" aus den 70ern an einer Strassenlaterne
epd-bild/Tim Wegner
Das Logo der Atomkraftgegner ist bis heute durch seine Leuchtfarben ein Hingucker.
Seit 50 Jahren lacht die rote Sonne
"Atomkraft? Nein danke" - Studentin entwarf Anti-Atom-Logo
"Atomkraft? Nein danke". In den 1970er- und 1980er-Jahren trugen Hunderttausende den Sticker mit der rot-gelben Sonne. Die dänische Studentin Anne Lund - damals 21 Jahre jung - entwarf das Logo vor 50 Jahren. Wie denkt sie heute darüber?

An den Nachmittag vor 50 Jahren, an dem sie ihren Mitstreitern die ersten Entwürfe für die freundlich lachende Sonne mit dem Spruch "Atomkraft? Nej tak" vorstellte, erinnert sich Anne Lund noch ganz genau. "Wir wollten einen aussagekräftigen Sticker für die 1.-Mai-Demonstration in Aarhus haben", erzählt die heute 71-jährige Dänin dem Evangelischen Pressedienst. "Ich hatte ein paar Entwürfe gemacht und habe sie dann bei einer Versammlung unserer Gruppe herumgezeigt. Die anderen waren von dem Motiv mit der Sonne ganz begeistert, und dann haben wir die ersten 200 Sticker drucken lassen." Auf Deutsch lautet der Slogan "Atomkraft? Nein, danke".

Damals, im Frühjahr 1975, ist in Dänemark bereits eine Bewegung gegen Atomkraftwerke aktiv. Unter dem Dach der OOA (Organisationen til Oplysning om Atomkraft - Organisation zur Aufklärung über die Atomkraft) macht sie vor allem Öffentlichkeitsarbeit. Das Land hat keine Atomkraftwerke - und soll nach dem Willen der Bewegung atomstromfrei bleiben und stattdessen auf Sonne, Wind und Wasserkraft setzen.

"Atomkraft? Nej tak": Das Logo mit seinem klaren Design und der einprägsamen Symbolik sollte vereinen, nicht abschrecken, erklärt Lund, die erst 21 war und Wirtschaftswissenschaften studierte, als sie die Sonne entwarf. Viele Menschen sollten sich dadurch angesprochen fühlen. Es stehe für die strikte Ablehnung der Atomenergie und sei zugleich eine höfliche Einladung zur Auseinandersetzung mit dem Thema. Und die Farben? "Gelb und Schwarz stehen für die Gefahren von Atomkraft. Durch die Sonne in einem warmen Rot wird die Gefahr in etwas Positives umgewandelt."

Nach der Premiere am 1. Mai 1975 wird das Logo weltweit berühmt. Es wird in den Folgejahren in rund 60 Sprachen übersetzt und auf Ansteckern und Aufklebern, auf Fahnen und T-Shirts millionenfach verbreitet. Die OOA hat das Copyright. Wer die Kleber und Sticker herstellen will, muss einen Vertrag mit den Dänen machen. So soll verhindert werden, dass sich Personen an dem Motiv privat bereichern.

Anne Lund studierte auch Religion

In der Protestgeschichte der Bundesrepublik erfährt das Motiv mit der Parole "Atomkraft? Nein danke" verschiedene Metamorphosen. Die bekannteste Variante ist die vor allem in den 1970er und 1980er Jahren vielfach gezeigte Sonne mit kämpferisch in die Luft gereckter Faust. Zu Zeiten der Proteste gegen die Castor-Transporte mit radioaktiven Abfällen nach Gorleben versehen Leute aus der radikalen Fraktion der Bewegung die Sonne mit einer Maske über dem Mund oder einem Schraubenschlüssel in der Hand.

Anne Lund, die auch noch Religion studierte und als Ökonomin und Lehrerin für Management und öffentliche Verwaltung arbeitete, ist von diesen Veränderungen nicht angetan. "Das war klar gegen unsere Absicht", sagt sie. "Wir wollten kein Symbol von Konfrontation." Die erhobene Faust zum Beispiel sei ein Symbol der Arbeiterbewegung, also ein Symbol der Linken. "Wir wollten aber politisch nicht nach diesem Schema verortet werden, weder auf dem linken noch auf dem rechten Flügel. Wir wollten überparteilich sein."

Logonutzung soll im Kontext bleiben

Auch dass das Logo längst Teil der Popkultur ist und vielfach auch in unpolitischen Zusammenhängen gezeigt wird, gefällt Lund überhaupt nicht. "Wenn die lachende Sonne mit einem anderen Text benutzt wird, untergräbt das die Integrität des Symbols und es schwächt die ursprüngliche Aussage 'Atomkraft? Nein danke'", sagt sie.

Zeigten früher in der Bundesrepublik Zehntausende die lachende Sonne als Sticker am Revers oder als Kleber auf dem Autoheck, ist sie heute nur noch selten im öffentlichen Raum zu sehen. Rund um Gorleben, wo die Bevölkerung durch zähen Protest ein Endlager verhinderte und wo viele bis heute gegen Atomkraft auf die Straße gehen, hat die Sonne allerdings noch längst nicht ausgedient, versichert Wolfgang Ehmke von der örtlichen Bürgerinitiative.

"Unionsparteien, FDP und AfD machen sich unverdrossen für die Nutzung der Atomkraft stark", kritisiert er. Im Wendland liefen die Vorbereitungen für die verlängerte Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle. "Neben der Sonne müssen wir sogar das gelbe Widerstands-X wieder aufpolieren, um für ein Mehr an Sicherheit an den Zwischenlagerstandorten zu demonstrieren", sagt Ehmke kämpferisch.

Anne Lunds Originalentwürfe für die lachende Sonne sind seit dem Jahr 2000 im Dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen zu sehen. Auch das Deutsche Historische Museum in Berlin präsentiert Anstecker mit der Sonne als Exponate der Zeitgeschichte. Und dort, wo das Symbol das erste Mal zu sehen war, im dänischen Aarhus, erstrahlt eine mehrere Meter große Sonne auf der Wand eines Gebäudes. Bis heute ist es ein beliebtes Foto- und Postkartenmotiv.