Noch immer sterben Tiere für Pelzmäntel

Frettchen in einem Käfig
Getty Images/by Patricia Gee
Ein Frettchen in seinem Käfig versucht das Gitter durchzubeißen.
Tierschutzorganisation "Vier Pfoten"
Noch immer sterben Tiere für Pelzmäntel
Früher galten Echtpelzmäntel als chic, heute sind sie zumeist verpönt. Einige Modelabels haben dennoch bis heute Echtpelz im Sortiment, laut Anne Wessendorf, Kampagnenverantwortliche für Textilien bei der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten", wurden im Jahr 2022 noch rund 34 Millionen Tiere in sogenannten Pelzfarmen getötet.

Mit Protestaktionen wie im Februar gegen die italienische Modemarke "Max Mara" versucht "Vier Pfoten", Konzerne zum Umdenken zu bewegen. "Max Mara" nahm den Tierschützern zufolge nach der Kampagne sämtliche Pelzartikel von seiner Website. Der Konzern habe sich aber bislang geweigert, öffentlich Stellung zu dem Thema zu beziehen und sich zu klaren Ausstiegsszenarien zu verpflichten, kritisierte "Vier Pfoten". Auch eine Anfrage des Evangelischen Pressdienstes (epd) ließ "Max Mara" unbeantwortet.

epd: Frau Wessendorf, wie steht es um den Handel mit Echtpelz-Modeartikeln in Deutschland und weltweit?

Anne Wessendorf: In den letzten Jahren haben sich immer mehr Modemarken von der Verwendung von Echtpelz verabschiedet. Dieser Trend zeigt sich nicht nur bei bekannten großen Modeketten und populären Marken, sondern glücklicherweise auch im Luxussegment. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung gibt es aber einzelne Labels, die immer noch an der Verwendung von Echtpelz festhalten.

Wie viele Tiere werden pro Jahr getötet?

Wessendorf: Der Trend zu pelzfreier Mode, bei dem immer mehr Designer der Pelzindustrie den Rücken kehren, spiegelt sich in einer schrumpfenden Pelzproduktion wider. Die Zahlen sind aufgrund der verheerenden COVID-19-Ausbrüche auf Nerzfarmen in Europa und Nordamerika und der Erkenntnis, dass die Pelztierzucht ein enormes Gesundheitsrisiko für den Menschen darstellt, noch weiter gesunken. Konkret ist die weltweite Zahl der auf Pelzfarmen getöteten Tiere von rund 95 Millionen im Jahr 2018 auf etwa 34 Millionen Nerze, Füchse und Marderhunde im Jahr 2022 gesunken.

In welchen Ländern befinden sich die Pelztierfarmen?

Wessendorf: Etwa 95 Prozent der weltweit gehandelten Felle stammen aus der Pelztierzucht, vor allem aus China und Europa, der restliche Teil wird durch Jagd und Fallenfang abgedeckt. In der Europäischen Union (EU) liegt der Großteil der Farmen in Polen und Finnland, wir gehen von knapp 1.300 Pelzfarmen in der EU aus.

Wie sieht es in Deutschland aus?

Wessendorf: Im März 2019 hat die letzte Pelztierfarm in Deutschland ihren Betrieb eingestellt. Nach jahrelangem Druck hatte die Bundesregierung 2017 hohe gesetzliche Auflagen für die Haltung von Nerzen, Füchsen und anderen Pelztieren erlassen. Danach hatten die verbliebenen Betriebe noch bis 2022 Zeit, zu modernisieren - oder zu schließen.

Kommerzielle Pelztierhaltung in Deutschland erlaubt

Streng genommen sind die kommerzielle Zucht und Tötung von Pelztieren in Deutschland nicht verboten. Allerdings wurden die Mindestanforderungen an die Haltung ab dem Jahr 2022 so verschärft, dass sich die Pelztierhaltung wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Am Ende wurden nur noch wenige tausend Tiere gehalten.

Wie werden die Tiere gezüchtet - und wie erfolgt die Tötung?

Wessendorf: Nerze, Füchse und Marderhunde werden unter grausamen Bedingungen gezüchtet. In winzige Drahtkäfige gepfercht, leben die Tiere unter Dauerstress, Gitter an Gitter mit ihren Artgenossen. In langen Reihen sind die Käfige etwa einen halben Meter über dem Boden aufgehängt. Kot und Urin fallen durch das Bodengitter, damit der Pelz nicht verschmutzt. Die mit einem sehr guten Geruchssinn ausgestatteten Raubtiere sind ein Leben lang einem unerträglichen Gestank ausgesetzt. Ihre empfindlichen Pfoten sind durch das Leben auf dem Käfigboden sehr häufig verletzt. Lediglich Nerzen steht eine schuhkartongroße Wohnbox zur Verfügung, ansonsten fehlen jegliche Strukturen.

"In winzige Drahtkäfige gepfercht, leben die Tiere unter Dauerstress, Gitter an Gitter mit ihren Artgenossen."

Die meisten Pelztiere sind von Natur aus Einzelgänger und bewegen sich in freier Wildbahn in riesigen Revieren. Die Gefangenschaft auf engstem Raum ist für sie enorm belastend. In Pelzfarmen können die Tiere, die noch die gleichen Bedürfnisse wie ihre wild lebenden Artgenossen haben, ihr natürliches Verhalten nicht im Ansatz ausleben. Klettern, Jagen oder Baden ist nicht möglich. Viele Pelztiere zeigen unter diesen Bedingungen starke Verhaltensstörungen, oft kommt es sogar zu Kannibalismus und Selbstverletzungen. Nach einigen Monaten des Dahinvegetierens werden die Tiere bei der sogenannten "Pelzernte" vergast oder durch Stromschläge getötet.

Gibt es keine Regelungen, durch die sich das Leid der Tiere verhindern lässt?

Wessendorf: In der EU gibt es keine Richtlinien oder detaillierten Vorschriften für die Haltung von Pelztieren. Im Jahr 1999 hat der Europarat eine Empfehlung zur Pelztierhaltung verabschiedet. Sie ist jedoch unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes völlig unzureichend, da sie die Haltung von Pelztieren in winzigen Käfigen weiterhin zulässt. Maschendrahtböden und fehlende Bereiche zum Klettern, Graben und Baden werden toleriert.

Es gibt keine Tierschutzstandards oder Inspektionsregelungen, die die gravierenden Tierschutzprobleme in der weltweit gleichen, intensiven Käfighaltung von Wildtieren zum Zwecke der Pelzgewinnung verhindern könnten.

Gibt es Länder, die den Verkauf von Pelzen untersagen?

Wessendorf: Israel hat den Verkauf von Pelzen verboten. In den USA haben nach und nach immer mehr Städte Gesetze zum Verbot des Pelzverkaufs erlassen. So wurde in Los Angeles, San Francisco, Berkeley und West Hollywood der Pelzverkauf verboten und damit der Weg dafür geebnet, dass Kalifornien 2019 als erster US-Bundesstaat den Pelzhandel untersagt hat. Städte in Massachusetts, Michigan und Florida haben inzwischen ähnliche Gesetze verabschiedet.

Auf EU-Ebene gibt es bisher ein Verbot des Verkaufs von Robbenfell sowie von Hunde- und Katzenfell, diese Verbote sind dementsprechend auch in Deutschland umgesetzt. Für Echtpelz von anderen Arten gibt es bislang keine Verbote auf EU-Ebene und es gibt auch keine Initiative, ein nationales Verbot zu erlassen. Deutschland hat sich aber sehr für die Ziele der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) "Pelzfreies Europa" starkgemacht und sich auch im Europäischen Rat entsprechend für ein EU-weites Pelzfarm- und Pelzverkaufsverbot eingesetzt.