TV-Tipp: "Tatort: Unter Gärtnern"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
Getty Images/iStockphoto/vicnt
17. März, ARD, 20.15 Uhr:
TV-Tipp: "Tatort: Unter Gärtnern"
Vom Westfälischen Frieden über ein Treffen der früheren Außenminister Genscher und Schewardnadse bis zu einem vermeintlich natürlichen Todesfall in einer Kleingartensiedlung: Einen derartigen Bogen kann im Rahmen der ARD-Sonntagskrimis nur der "Tatort" aus Münster schlagen.

In ihrem Drehbuch mit dem täuschend harmlosen Titel "Unter Gärtnern" erzählt Regine Bielefeldt eine Geschichte, in deren Verlauf zwei Dutzend Menschen unfreiwillig das Zeitliche segnen; und außerdem, was besonders gemein ist, zwei unschuldige Eichhörnchen. 

Das Publikum ahnt allerdings von Anfang an, dass Sabine Schmidt nicht so unscheinbar ist, wie sie sich gern gibt. Der Auftakt spielt im holländischen Scheveningen. Ulrich Winer (Hans Uwe Bauer), pensionierter Historiker, beobachtet eine scheinbar zufällige Begegnung zwischen einer humpelnden älteren Frau und einem Mann. Als Winers Sicht verdeckt wird, ist dem anderen offenbar erhebliches Ungemach widerfahren, jedenfalls treibt er nun tot in den Wellen.

Die Frau zerbricht derweil ihren Gehstock, nimmt den Hut ab, schüttelt ihre roten Haare aus und verlässt die Szenerie mit einem triumphierenden Lächeln. Daheim in Münster ereilt sie kurz darauf jedoch ein ähnliches Schicksal wie ihr Opfer. Die Umstände legen zwar eine natürliche Todesursache nahe, aber zwei gleichfalls verstorbene Nager deuten darauf hin, dass Sabine Schmidt vergiftet worden ist. Die Obduktion ergibt jedoch keinerlei Hinweise auf Fremdeinwirkung. Hauptkommissar Thiel (Axel Prahl) hört sich trotzdem in der Kleingartensiedlung um, aber abgesehen von der eifersüchtigen Frau Winer (Almut Zilcher) sagen alle nur Gutes über die Verblichene. 

Ohne den Prolog würde "Unter Gärtnern" wie ein ganz normaler Krimi wirken, selbst wenn Silke Haller (ChrisTine Urspruch), die kluge Assistentin von Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers), zu ihrer Verwunderung feststellt, dass im Garten der Toten diverse Pflanzen wachsen, die bei entsprechender Dosierung tödlich sind. Eine nächtliche Ausgrabung fördert schließlich eine vor gut dreißig Jahren verscharrte männliche Leiche zu Tage. Der Mann war Polizist, weshalb seine Identität rasch festgestellt ist, denn 1990 ist von einem Tag auf den anderen der "rote Bulle" verschwunden; Staatsanwältin Klemm (Mechthild Großmann), die ihn gut kannte, war wie alle anderen überzeugt, dass sich der bekennende Kommunist nach Kuba abgesetzt hat. Der Skelettfund macht den Fall natürlich noch mysteriöser.

Langsam dämmert Thiel, dass Frau Schmidt vermutlich noch mehr zu verbergen hatte als nur den Polizisten. Tatsächlich entdeckt er einen versteckten Raum in ihrer Gartenlaube, doch den Schlüssel zur Lösung liefert ihm Winer, der alles über den einst im Rathaus zu Münster geschlossenen Westfälischen Frieden weiß. Hier trafen sich 1990 Hans-Dietrich Genscher und sein sowjetischer Kollege Eduard Schewardnadse, um die deutsche Wiedervereinigung vorzubereiten; und die vielgereiste Frau Schmidt, die in Wirklichkeit ganz anders heißt und ihren Nachbarn Winer regelmäßig mit Ansichtskarten aus aller Welt versorgt hat, war auch dabei. 

Das Drehbuch war bei Brigitte Maria Bertele in den besten Händen. Die Regisseurin hat genau den richtigen Tonfall für diese außerordentlich originelle Geschichte gefunden. Natürlich hat ihre Umsetzung einen gewissen komödiantischen Charakter, zumal sich Thiel und Boerne ihre gewohnten kleinen Verbalscharmützel liefern, aber es wird nie albern, selbst wenn einige Szenen ein erhebliches Klamaukpotenzial bergen, wenn Thiel beim Versuch, sich als Installateur zu betätigen, ein ziemliches Chaos anrichtet, oder wenn im rechtsmedizinischen Institut reihenweise Eier in der Mikrowelle zerplatzen: Mit Hilfe eines Experiments wollen Boerne und Haller das geheimnisvolle Ableben der Kleingärtnerin ergründen, deren Gehirn bloß noch "Matschepampe" ist, wie sich der Professor taktlos ausdrückt.

Abgerundet wird "Unter Gärtnern" durch eine abwechslungsreiche Musik (Christian Biegai & Kerim König), aber seinen enormen Unterhaltungswert verdankt der Film vor allem der zunehmend verrätselten Handlung, deren Komplexität auch ausreichend Stoff für eine Netflix-Serie bieten würde, zumal der Film durch viele kleine Einfälle am Rand erfreut: Die Eichhörnchen werden auf einer eigenen Trage abtransportiert, und der chauvinistische Boerne wird für seine Sprüche von Haller umgehend zu Kasse gebeten. Grimme-Preisträgerin Bertele hat das Ensemble zudem vorzüglich geführt; gerade Prahl und Björn Meyer als Thiels Kollege Schrader finden immer besser zueinander.