TV-Tipp: Kroaten-Krimi "Die toten Frauen von Brac"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
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15. Februar, ARD, 20.15 Uhr:
TV-Tipp: Kroaten-Krimi "Die toten Frauen von Brac"
Eine Yacht rast in die Kaimauer. An Bord entdeckt die Polizei einen bewusstlosen Mann am Steuer und die Leichen zweier Frauen. Und die Amokfahrt soll nun ein Täuschungsmanöver sein, um auf Verbrechen in einem Weingut in Kroatien hinzuweisen. Eine fesselnde Geschichte.

Eine Yacht braust Richtung Strand und hat derart viel Tempo, dass sie beinahe die Kaimauer überwindet. Dort ragt sie nun in die Luft wie einst der weiße Hai beim Angriff auf das Boot seiner Jäger. An Bord entdeckt die Polizei einen bewusstlosen Mann am Steuer und die Leichen zweier Frauen. Der jugendliche Skipper kann sich angeblich an nichts erinnern, was Stascha Novak (Jasmin Gerat) und ihr Kollege Emil Perica (Lenn Kudrjawizki) umgehend als plumpes Täuschungsmanöver durchschauen. Die junge Frau, die ihm zu Hilfe geeilt ist und die Polizei informiert hat, entpuppt sich als seine Freundin, die vermeintliche Amokfahrt als Akt der Verzweiflung: Auf Brač, der Heimatinsel von Mile (Michelangelo Fortuzzi), werden geflüchtete Frauen wie Sklavinnen zur Arbeit auf einem Weingut gezwungen. Weil der einheimische Polizeichef, Darko Zelic, nichts unternimmt, wollten Mile und die Menschenrechtsaktivistin Danka (Sonja Weißer) mit ihrer Aktion auf das Verbrechen hinweisen. Die beiden Frauen sind in den Rücken geschossen worden, möglicherweise beim Fluchtversuch; das Pärchen hat sie aus einem Kühlhaus "entführt". 

Als Zelic (Sascha Geršak) in Split auftaucht, um nicht nur die Leichen, sondern auch den jungen Mann mitzunehmen, stellt sich zur Verblüffung von Stascha und Emil heraus, dass er Miles Vater ist. Der Junge behauptet, sein Erzeuger stecke mit dem Winzer und dem Yachtverleiher Kral (Bardo Böhlefeld), der die Frauen mit seinen Booten nach Brač bringen lässt, unter einer Decke; aber das ist nicht mal die halbe Wahrheit. Ähnlich wie im letzten Film entpuppt sich auch dieser "Kroatien-Krimi" als Fall, der viel größer ist, als es zunächst den Anschein hat.

Schon in "Scheidung auf Kroatisch" war der erste Mord bloß der Beginn einer Kette, an deren Ende ein mächtiger Gegner stand, und es war klar, dass diese Figur viel zu interessant ist, um sie nicht noch mal auftauchen zu lassen: Im Vergleich zum mächtigen Mladen Kevala, von Jens Münchow angemessen schurkisch verkörpert, sind die Insulaner bloß kleine Fische. In einer kaltblütig umgesetzten Szene, die in krassem Kontrast zu den hellen, freundlichen Urlaubsbildern steht, begeht der Gangster eine verblüffende "No Look"-Hinrichtung, während er einem neuen Mitarbeiter in die Augen schaut. Die Botschaft ist unmissverständlich: Wenn die Mafia ein Arbeitsverhältnis kündigt, dann für immer. 

Bis zum spannenden Showdown mit dem Mörder dauert es allerdings noch eine Weile. Die Handlung ist zwar dicht, lässt aber dennoch Muße genug, um die erneut exquisite Bildgestaltung durch Hannes Hubach zu würdigen; Regie führte wie bislang in allen Kroatien-Krimis Michael Kreindl. Die beiden nutzen die Zeit für allerlei schöne Aufnahmen mit kräftigen Farben, die jedoch nie bloß Lückenfüller sind, weil Stascha und Emil erst mal rausfinden müssen, wer auf Brač tatsächlich mit wem gemeinsame Sache macht. Reihenschöpfer Christoph Darnstädt ergänzt die Krimihandlung zudem durch einen interessanten Vater/Sohn-Konflikt, der mehr als bloß Beiwerk ist: Zelic, der sich geduldig von Mile beschimpfen lässt, ist keineswegs der skrupellose Verbrecher, als den ihn der junge Mann hinstellt; selbst wenn er durchaus Dreck am Stecken hat. Das Finale beginnt, als der Polizist mit Sturmgewehr und Handgranaten in den Krieg zieht: allein gegen die Mafia. 

Neben der jederzeit fesselnden Geschichte ist der sechzehnte "Kroatien-Krimi" auch darstellerisch sehenswert. Sascha Geršak versieht den vermeintlich vierschrötigen und anfangs komplett unkooperativen "Inselsheriff" mit kleinen Momenten, die ihn fast sympathisch machen. Selbst eine filmisch eigentlich abgenutzte Spiegelszene, als Zelic seinem Spiegelbild einen Kopfstoß verpasst, wirkt angebracht: Der Polizist hat sich auf einen Pakt mit dem Teufel eingelassen; und nun bittet er den Teufel zum Tanz. Jasmin Gerat hat mittlerweile ohnehin vergessen lassen, dass die weibliche Hauptrolle in den ersten sechs Episoden von Neda Rahmanian verkörpert worden ist. Ein Loblied auf Lenn Kudrjawizki ist ohnehin längst überfällig. Der als Baby mit seinen Eltern nach Ost-Berlin immigrierte gebürtige Russe ist weit mehr als bloß der Mann an ihrer Seite; Emil hat sich längst zu einem gleichwertigen Partner entwickelt. Für viel Gefühl sorgt die Fortsetzung der privaten Ebene und Staschas Beziehung mit Rechtsmedizinerin Brigita (Sarah Bauerett); Darnstädt lässt seine Geschichte nach glücklich überstandenem Feuergefecht inklusive abschließendem grimmigem Knalleffekt mit einem bewegenden Epilog enden.