TV-Tipp: "Nord bei Nordwest: Kobold Nr. Vier"

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4. Januar, ARD, 20:15 Uhr
TV-Tipp: "Nord bei Nordwest: Kobold Nr. Vier"
Wenn Menschen im beschaulichen Schwanitz auf gewaltsame Weise aus dem Leben scheiden, dann immerhin mit Meerblick, was für die Betroffenen aber vermutlich nur ein schwacher Trost ist. Im 21. Film der im Herbst 2014 gestarteten Reihe wird der einst in dem Ostseeort als Tierarzt untergetauchte Hauptkommissar Hauke Jacobs (Hinnerk Schönemann), mittlerweile längst wieder Polizist, erneut von seiner Vergangenheit eingeholt.

Damals hatte ihn sein Vorgesetzter, heute Leiter des Hamburger Zeugenschutzprogramms, in der Provinz in Sicherheit gebracht. Seither ist Simon Rost (Rainer Furch) regelmäßig in Schwanitz aufgetaucht; so auch in diesem Krimi mit dem rätselhaften Titel "Kobold Nr. Vier". Rosts jüngste Stippvisite ist allerdings seine letzte, denn der Film beginnt, wie andere enden: mit einer Schießerei, bei der bis auf das kaltblütige Killerpärchen alle auf der Strecke bleiben. Rost schafft es mit seiner Schutzbefohlenen, die er in einem Ferienhaus verstecken wollte, noch bis zum Strand, dann erliegt er seiner schweren Bauchverletzung. Kurz drauf erwischt es auch die Zeugin. Allerdings ist es ihr gelungen, Rosts Vermächtnis zu bewahren: In ihrer Hand findet sich ein Zettel mit der Titelbotschaft; Jacobs hat nicht den blassesten Schimmer, was es damit auf sich hat. 

Das Drehbuch stammt von Holger Karsten Schmidt, der die Reihe erfunden hat, aber schon seit geraumer Zeit nur noch ein bis zwei Stücke pro Jahr beisteuert. Die haben es allerdings regelmäßig in sich, selbst wenn sein Kollege Niels Holle die unverwechselbare Mischung aus Spannung und Humor ähnlich gut trifft.

Angesichts des Mordes an seinem Mentor hat Jacobs diesmal jedoch wenig Grund zur Freude, selbst wenn die Geschichte für ihn beschwingt beginnt: Als Hannah Wagner (Jana Klinge) beim Richten der Satellitenantenne an Revierfassade das Gleichgewicht verliert, in den Armen des Kollegen landet und sich dort sichtlich wohlfühlt, stehen die Zeichen schwer auf Romanze; bis die Morde dazwischen kommen.

Rost sei nun an einem besseren Ort, will Bestatterin Bleckmann (Regine Hentschel) dem erschütterten Polizisten kurz drauf Beistand leisten, aber Jacobs ist untröstlich: "Tote haben keine Zukunft." Eine Kommissarin aus Hamburg erklärt die Aufklärung der Mordserie zur Chefinnensache und weigert sich, das Provinzduo in die Details einzuweihen, aber natürlich ist die Aufklärung der Morde das Mindeste, was Halbtagspolizist Jacobs noch für seinen einstigen Retter tun kann. 

Schon die Handlung ist fesselnd, aber das gilt auch für die Umsetzung. Regisseurin Steffi Döhlemann, die bislang überwiegend Serienfolgen gedreht hat, gibt Schmidts Drehbuch gemeinsam mit Kameramann Oliver-Maximilian Kraus einen würdigen Rahmen. Gerade die Lichtarbeit zeigt, mit wie viel Sorgfalt der Film inszeniert worden ist. Auf ähnlich hohem Niveau bewegen sich die schauspielerischen Leistungen, selbst wenn die Episodengäste kaum bekannt sind. Gerade aus ihrer Sicht war es vermutlich besonders reizvoll, in unterschiedliche Rollen schlüpfen.

Das gilt vor allem für Stephanie Kämmer: Selbst wenn die Kripo-Beamtin aus Hamburg Jacobs und Wagner in die Schranken weist, scheint sie doch eine patente Frau zu sein; bis sie zumindest fürs Publikum die Maske fallen lässt. Ganz ausgezeichnet geführt ist auch die jüngste Darstellerin: Waisenkind Paula ist zufällig Zeugin der Morde geworden, konnte dem Killerduo jedoch entkommen; Döhlemann zeigt die Ereignisse im Ferienhaus aus Sicht des Mädchens, was dieser Szene eine besondere Note gibt. Alissa Lazar hat nicht viel Dialog, spielt aber famos, zumal Paula dem Pärchen ein zweites Mal ein Schnippchen schlagen kann, als die beiden ihr im Waisenhaus nachstellen. 

Ansonsten erfreut Schmidts Drehbuch wie stets durch beiläufig eingestreute Details: Das Bestatterpaar schaut "Spiel mir das Lied vom Tod" und sinniert darüber, wie rosig die Zustände für ihren Berufsstand im Wilden Westen gewesen sein müssen. Raffiniert eingefädelt ist auch die Auflösung der Titelbotschaft. Ein Porträtfoto Rosts, aufgenommen kurz vor seinem Tod, führt Jacobs in ein Museum, dessen Leiter sich als Experte für Koboldfragen entpuppt. Wie Schmidt diesen Teil der Handlung buchstäblich auf den Punkt gebracht hat, ist die reinste Freude.

Natürlich wird auch die romantische Ebene fortgesetzt, die unübersehbaren Anziehungskräfte zwischen Wagner, Jacobs und dessen Praxispartnerin Jule (Marleen Lohse) sind schließlich fester Bestandteil der Reihe. Etwas witzlos sind diesmal dagegen die Szenen mit Cem Ali Gültekin als Pausenclown; immerhin wird Mehmet Ösker schließlich zum Helden des Tages.