TV-Tipp: "Die Jägerin - Riskante Sicherheit"

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20. November, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Die Jägerin - Riskante Sicherheit"
Die Redensart vom Bock als Gärtner ist viel zu harmlos, um zu beschreiben, was Robert Hummel bei seinen Recherchen zum dritten Thriller mit Nadja Uhl als Berliner Staatsanwältin Judith Schrader herausgefunden hat: Sicherheitsfirmen beschäftigen Menschen, deren Weste nicht gerade lupenrein weiß ist.

Bei einem Besuch des Berliner LKA fiel dem Autor zudem auf, dass am Eingang keine Polizisten, sondern Mitarbeiter einer privaten Security-Firma sitzen. Daraus hat er eine Handlung gestrickt, die Schraders Privatleben geschickt mit dem Fall verknüpft: In der Stadt mehren sich Einbrüche in Einrichtungen, die von Stolze Security überwacht werden. Beim Chef und Namensgeber des Unternehmens handelt es sich zu ihrer großen Verblüffung um Matthias, in jungen Jahren ihre große Liebe. 

Schon allein die Wahl Juergen Maurers für diese Rolle war eine brillante Idee: Der Österreicher mit der markanten sanften Stimme ist spätestens seit der ZDF-Reihe "Spuren des Bösen", in der sich der von ihm verkörperte Kommissar vom Paulus zum Saulus wandelt, ein Spezialist für doppelbödige Rollen (zuletzt in den RTL-Thrillern "Auris", 2023). Prompt steckt Schrader im Dilemma. Für die Einbrüche sind die drei tschetschenischen Achmedow-Brüder verantwortlich.

Dass es Verbindungen zwischen dem Clan und Stolze Security gibt, lässt sich nicht leugnen, aber die Staatsanwältin kann und will sich nicht vorstellen, dass ihr Jugendfreund, mit dem sie prompt in emotionalen Erinnerungen schwelgt, gemeinsame Sache mit den Gangstern macht.

Die Handlung ist allerdings weit komplexer, weil Hummel viele Hintergrundthemen, die ihrerseits Stoff für eigene Filme böten, nur anreißt. Dabei geht es unter anderem um Geldwäsche und Parteispenden, weshalb Schraders schnöseliger Chef (Sebastian Schwarz) ein bisschen nervös wird: Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus stehen kurz bevor. Zu allem Überfluss ist das LKA wegen eines Staatsbesuchs unterbesetzt. Letztlich lebt die Geschichte jedoch von den Figuren und ihren Befindlichkeiten. Jugendliebe hin oder her, Schrader will Stolzes Bücher durchleuchten. LKA-Kommissar Montag (Dirk Borchardt) ist ohnehin überzeugt, dass der Unternehmer Dreck am Stecken hat, selbst wenn der Mann 22 Jahre lang Polizist war; sein Misstrauen könnte allerdings auch mit seiner Zuneigung zu Schrader zu tun haben. Die wiederum hatte gerade erst eine weitere Begegnung mit der Vergangenheit: Eine Entdeckung ihres Bruders (Patrick Güldenberg) in den Hinterlassenschaften der Mutter hat traumatische Erinnerungen geweckt. 

Ähnlich herausragend wie das facettenreiche Drehbuch ist das Ensemble. Nadja Uhl und Dirk Borchardt haben schon im zweiten Film der Reihe ("Nach eigenem Gesetz", 2021) gezeigt, wie gut sie zusammenpassen. Malick Bauer und Altamasch Noor sind als Montags Kollegen mehr als bloß Ergänzungsspieler.

Judith Engel versieht die juristische Gegenspielerin als Anwältin des Clans erneut mit einer geradezu provokanten Lässigkeit. Treffend besetzt sind auch die Mitglieder der Achmedow-Familie; Eray von Egilmez hat zuletzt mit seiner charismatisch-kühlen Ausstrahlung in der "Helen Dorn"-Episode "Kleiner Bruder" imponiert. Vedat Erincin verkörpert das Clan-Oberhaupt als freundlichen Großvater, doch der Eindruck täuscht: "Wer die Meinen anrührt, muss die Seinen beschützen", sagt er zu Schrader, und nun wird es persönlich; das packende Finale endet tragisch. 

Aus diesem Stoff würde vermutlich selbst ein durchschnittlich begabter Regisseur einen fesselnden TV-Thriller machen. İsmail Şahin hat wie schon beim krönenden Abschluss der ARD-Reihe "Mordkommission Istanbul" ("Entscheidung in Athen", 2021) sowie seinen "Amsterdam-Krimis" (2022) wieder mit Kameramann Aljocha Hennig zusammengearbeitet; die beiden sind offenkundig ein kongeniales Gespann. Die warmen Bilder und die freundliche Farbgebung bilden einen krassen Kontrast zur Handlung; Thriller dieser Art sind sonst gern betont kühl gestaltet. Szenen wie der Auftakt, als Schrader durch die Straßen der Stadt zu ihrem Bruder wandert, wobei sie an mehreren von Sicherheitsleuten bewachten markanten Orten vorbeikommt, lassen die Inszenierung zudem sehr aufwändig wirken. Mit dem Einsatz der drei Polizisten und einer Schießerei, in deren Verlauf der dritte Achmedow-Bruder lebensgefährlich verletzt wird, beginnt die Thriller-Ebene. Abgerundet wird die erstklassige Gesamtleistung durch die Musik von Chris Bremus, der mit seinen Kompositionen unter anderem die Beiträge zur ZDF-Reihe "Die Toten vom Bodensee" adelt.