Gesperrt wegen "Absackgefahr"

 St. Nicolai Kirche
© Ralf Roletschek /FAL or GFDL 1.2 / Wikimedia Commons
Die St.-Nikolai-Kirche im brandenburgischen Oderberg.
Geld für Kirchensanierung nötig
Gesperrt wegen "Absackgefahr"
Glaubensorte, Kulturdenkmäler, Gemeinschaftsstätten - Kirchen sind Zeugnisse der Geschichte und zugleich Räume der Gegenwart. Doch ihr Erhalt ist aufwendig und teuer. Und bereitet deshalb zunehmend Sorgen.

Krebserregendes Gift, rutschender Hang, Birken in der Fassade: Seit sechs Jahren ist die Stüler-Kirche im brandenburgischen Oderberg gesperrt. Denn zu DDR-Zeiten wurde dort das Holzschutzmittel Hylotox im Dachstuhl, Teilen der Orgel, der Empore und des Gestühls eingesetzt. "Das schwer krebserregende Gift diffundiert in die Luft", fasst der Leiter des Bauamts der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Frank Röger, zusammen. 2017 wurde die Kirche deshalb geschlossen. Nun ist die rund 300.000 Euro teure Dekontaminierung beendet. Ab September soll die Kirche wieder genutzt werden.

Doch es gibt dort noch weitere Probleme mit deutlich höheren Kosten. Die neogotische Basilika wurde Mitte des 19. Jahrhunderts nach Plänen des Baumeisters Friedrich August Stüler (1800-1865) errichtet, der damals als "Architekt des Königs" an der Spitze des preußischen Bauwesens stand. Ein Teil des Albrechtsbergs oberhalb der Alten Oder wurde dafür abgetragen und die Kirche dorthin gebaut. Um den Hang zu halten, seien rund sechs Meter hohe Stützmauern errichtet worden, erzählt Röger. Doch der Hang bewegt sich und rutscht Richtung Denkmal.

"Der Hang ist ein großes Problem", sagt der Bauamtsleiter. Rund 1,3 Millionen Euro würden für die Sanierung benötigt. Die Hälfte davon sei bereits von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zugesagt, weitere Mittel sollen unter anderem aus kirchlichen Quellen fließen. Er hoffe, dass die Bauarbeiten Ende 2024, spätestens 2025 beginnen können, sagt Röger. Auch die Fassade müsse dann noch irgendwann saniert werden. "Dort wachsen an einigen Stellen schon Birken heraus", erzählt er.

Oderberg sei ein spezieller Fall, sagt Röger. Schäden, die von außerhalb drohen oder verursacht wurden, gebe es selten an Kirchen. Die Friedrichswerdersche Kirche in Berlin gehört zu den wenigen Fällen. Sie war wegen benachbarter Bauarbeiten eine Zeitlang vom Einsturz bedroht. Derzeit verursache die Errichtung eines neuen Museums deutliche Schäden an der St. Matthäuskirche am Berliner Kulturforum, erzählt der Architekt. Dort gebe es jedoch Verträge zum Umgang damit.

Bergbaufolgeschäden an Kirchen in Brandenburg

Im Süden Brandenburgs gibt es nach Angaben des Bauamts derzeit Probleme durch Bergbaufolgeschäden an Kirchen in Schorbus und Laasow. Ob für die Risse in der Kirche von Tauer auch der Braunkohletagebau verantwortlich ist, sei noch unklar, sagt Röger. In Eichwege bei Altdöbern ist nicht der Tagebau, sondern ein zu DDR-Zeiten neben der Kirche angelegter See Grund für Bauschäden. Der Baugrund ist nun durchfeuchtet und rutscht. Das Pfarrhaus ist dort wegen "Absackgefahr" bereits seit einiger Zeit gesperrt, auch der Kirche könnte das bevorstehen

Die Landeskirche hat auch an anderen, ganz normalen Stellen mit hohen Baulasten zu kämpfen. Viele der rund 2.000 Kirchen stehen unter Denkmalschutz. Sanierungen und Restaurierungen seien eine Daueraufgabe, deren Kosten sich nicht abschließend beziffern ließen, sagt Röger: "Das ist ein riesiges finanzielles Volumen, was da geschoben wird."

60 Millionen Euro Sanierungskosten für vier Kirchen

In Berlin werden allein für Sanierungsarbeiten an vier bedeutenden Kirchen, darunter an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, rund 60 Millionen Euro veranschlagt. Bei der Görlitzer Dreifaltigkeitskirche sind es rund 5,6 Millionen Euro. Und auf dem Land werden allein im brandenburgischen Kirchenkreis Oberes Havelland für Turmsanierungen an vier Kirchen mehr als 1,7 Millionen Euro benötigt. "Das sind gigantische Summen", sagt Röger. Für die Landeskirche werde dies noch "ein Riesenthema werden", weil sie nicht genug Geld dafür habe.

Doch die bekannteren Denkmalkirchen bereiten dem Bauamtschef nicht das größte Kopfzerbrechen. Sorgenkinder seien die kaum genutzten Kirchen auf dem Land, betont er. Dort sei zum Teil nicht einmal der aktuelle Bauzustand bekannt, weil sich niemand darum kümmern könne. Dass dort zum Beispiel durch Unwetter Schäden entstehen könnten, weil aus Unwissenheit keine Vorsorge getroffen wurde, sei "das größte Horrorszenario". Im September sollen nun bei einer Dorfkirchentagung im Klosterstift Marienfließ neue Ideen für Nutzung und Erhalt der Kirchen gesucht werden.